Schreiben, Sport und Sex: John Irving enttäuscht die Erwartungen seiner Leserschaft nicht. Der amerikanische Autor, der im März seinen 70. Geburtstag feierte, hat auch in seinem neuen Roman („In einer Person“) wieder jene Seiten des Lebens zum Thema gemacht, von denen er zweifellos etwas versteht. Die Umsetzung ist ebenfalls die bewährte: skurril bis absurd, unglaublich und komisch, oft in wunderbar sarkastischer Ausführung. Neu ist nicht einmal die gnadenlos offene Beschreibung sexueller Praktiken oder von Geschlechtsteilen, allenfalls die epische Breite.
William (Bill) Abbot ist ein gut aussehender Junge, der eher zufällig von einem Homosexuellen gezeugt wurde und dessen Leben in einem Nest bei Vermont in Neuengland beginnt. Schon früh zeigen sich auch bei ihm homoerotische Neigungen, ohne dass er sich festzulegen vermag. Er ist ebenso in seinen Stiefvater wie in die Bibliothekarin seiner Heimatstadt verliebt. Und eine Hassliebe verbindet ihn mit einem Mitschüler, dessen Schatten ihn für immer begleiten wird. Stets an seiner Seite ist Elaine, eine Freundin im Geiste und hin und wieder auch im Bett.
Bill, der am Laientheater seiner Stadt erste Bühnenerfahrung macht, erkennt beizeiten den Sinn des Shakespeare-Zitats „So spiele ich in einer Person viele Menschen, und keine ist zufrieden“ (Richard II.). Er weiß, dass es nicht nur auf sich, sondern auf so manche Person auch außerhalb des Theaters zutrifft, und sieht hinter manchen Fassaden Geheimnisse. Einige knackt er – nicht ohne Folgen für seine Identität. Er sieht aber auch, wie andere daran zerbrechen oder unglücklich sind.
Unverblümte Sprache
Später wird Bill ein leidlich erfolgreicher Schriftsteller, der seine bisexuelle Neigung literarisch ausschlachtet, um für Toleranz zu werben. Irving hingegen setzt bei seinem Publikum viel Toleranz voraus und riskiert mit seiner unverblümten Sprache, zart besaitete Leser zu verprellen. Doch wer sich durch die seitenlangen Beschreibungen kopulierender Körper arbeiten mag, findet in dem Roman auch eine feinfühlige Analyse nach Orientierung suchender Jugendlicher und unter zerstörerischen Moralvorstellungen leidender Homosexueller. Der Verfasser von „Garp und wie er die Welt sah“ (1978) und „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ (1985) verfügt über die Gabe, die verrücktesten Situationen so selbstverständlich zu schildern, dass man sie für bare Münze nimmt.
John Irving: In einer Person (Diogenes, 752 Seiten, 24,90 Euro)