Zwölf Romane hat John Irving bisher geschrieben. Sein nächster Titel, „In One Person“, erscheint im Mai. Wie sehr der US-Schriftsteller auch und gerade in Deutschland geschätzt wird, zeigt, dass das Buch dies- und jenseits des Atlantiks zeitgleich in den Handel kommt. Irvings Werk ist in 30 Sprachen übersetzt. Fünf seiner Bücher wurden verfilmt. Das Drehbuch zu „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ brachte ihm sogar den Oscar ein. An diesem Freitag (2. März) feiert Irving seinen 70. Geburtstag.
In der Literatur wird John Winslow Irving als „Meister der Erzählkunst“ verehrt. Er gehört zu den wenigen Autoren, die hohe literarische Qualität an eine breite Leserschaft verkaufen. Dass er daheim umstrittener ist als in Europa, liegt an politischen Themen wie Abtreibung, Vietnamtrauma, Präsidentenmord und Apathie der Bürger, die er behutsam, aber auch nicht zimperlich anpackt. Ebenso mutig lässt er sich über Inzest, Pädophilie und homo- sowie transsexuelle Neigungen aus. Dass die Filme, die auf seinen Büchern basieren, trotz Starbesetzung nicht immer ein Kassenerfolg werden, ist kaum verwunderlich. Bei Besuchen in Europa beklagte sich Irving mehrfach über die „puritanischen und verklemmten“ Amerikaner. Seit einem Studienjahr in Wien spricht er recht gut Deutsch.
Irving schreibt moderne Romane in traditioneller Erzählmanier, aber alles andere als konventionell: Es sind wuchernde Geschichten, die den Leser in atemberaubend fantasievoller Wendigkeit von einer Überraschung zur nächsten jagen. Für ihn ist das Feuerwerk der Ideen immer geplante Sache: „Für jeden neuen Roman entwerfe ich zunächst ein genaues Konzept und kenne das Ende, bevor ich zu schreiben beginne.“ Sowie in seinem Kopf der letzte Satz geschrieben ist, macht er sich daran, die Story handschriftlich auf Papier zu bringen.
Er ist der Verfasser so turbulenter Romane wie „Garp und wie er die Welt sah“ (dt. 1979), „Die wilde Geschichte vom Wassertrinker“ (dt. 1989), „Das Hotel in New Hampshire“ (dt. 1982), „Owen Meany“, „Witwe für ein Jahr“ (dt. 1999) und „Letzte Nacht in Twisted River“ (dt. 2010). Dabei führt Irving in dem beschaulichen Neuenglandstaat Vermont „ein sehr geregeltes Leben“. Er halte es mit Gustave Flaubert, sagt Irving und zitiert den französischen Autor aus dem 19. Jahrhundert in gebrochenem Deutsch: „Man muss im Leben sehr ruhig sein, damit man in den Romanen lauter schreien kann.“ Irving ist mit Günter Grass befreundet und ehrt ihn als einen Schriftsteller, der ihn besonders beeinflusst hat. Ähnliches sagt er von Kurt Vonnegut, Gabriel Garcia Marquez und Salman Rushdie.
Dass er häufig zu Gast in den Krankenhäusern von Neuengland ist, liegt nicht am Alter. Irving ist Ringer und sagt, es gebe wenige Gliedmaßen, die er sich auf der Matte nicht schon verrenkt oder gebrochen hat. Er selbst trainierte seine drei Söhne zu New-England-Champions der A-Liga. Nach dem Auszug des Jüngsten ringt er oft mit einer schweren, lebensgroßen Puppe. „Inzwischen ist die besser als ich, weil sie nie müde wird.“ 1942 wurde John Winslow Irving als John Wallace Blunt jr. in Exeter/New Hampshire (USA) geboren. Er lernte den eigenen Vater nie kennen, wuchs im Haus des Stiefvaters auf. Nach der Adoption als Sechsjähriger erhielt er den Namen, unter dem er berühmt wurde. Dieser Hintergrund lässt ihn in seinen Büchern immer mit bitterem, oft absurdem Witz über seltsame Familienverhältnisse schreiben.
In seinem elften Roman, „Bis ich dich finde“, sucht Jack Burns als Junge und später als gefeierter Hollywoodstar nach seinem Vater. Das über 1100 Seiten lange und 117 Charaktere umfassende „Opus maximum“ („New York Times“) verrät mehr von dem Menschen Irving als alle anderen Werke zuvor, darunter auch, dass er als Elfjähriger von einer älteren Frau verführt wurde.
Leben und Werk von John Irving
1942: John Winslow Irving wird als John Wallace Blunt jr. in Exeter/New Hampshire (USA) geboren. 1957: Irving beginnt mit dem Ringen. 1961: Literaturstudium in Pittsburgh, weitere Stationen in Wien, Durham/New Hampshire und Iowa City. 1964: Hochzeit mit Shyla Leary. 1965: Geburt von Sohn Colin. 1967: Irving unterrichtet bis 1978 an verschiedenen Hochschulen. 1968: Debütroman „Lasst die Bären los!“. 1969: Geburt von Sohn Brendan. 1976: Letzes Ringerturnier. 1978: Durchbruch als Schriftsteller mit „Garp und wie er die Welt sah“. Irving gibt seine Arbeit als Dozent auf. 1980: „National Book Award“ für „Garp und wie er die Welt sah“. 1982: Scheidung von Shyla, Umzug nach New York und Beginn der Arbeit an „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. 1987: Hochzeit mit Janet Turnbull. 1991: Geburt von Sohn Everett. 1992: Irving wird in die „National Wrestling Hall of Fame“ in Stillwater/Oklahoma aufgenommen. 2000: Oscar für das Drehbuch von „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. Eine Auswahl von Irvings Romanen: 1978: „Garp und wie er die Welt sah“. Es geht um die absurd-komischen Erlebnisse des Schriftstellers Garp. Es tauchen allerlei skurrile Charaktere auf. 1981: „Das Hotel New Hampshire“. Skurrile Familiengeschichte einer Hotelbesitzer-Familie. 1985: „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. Das Waisenkind Homer möchte das Waisenhaus nicht verlassen. 1989: „Owen Meany“: Kindheit und Jugend eines kleinwüchsigen Jungen im Amerika der 1950er und 60er Jahre. 2005: „Bis ich dich finde“. Jack Burns sucht als Junge und später als gefeierter Hollywoodstar nach dem Vater. 2009: „Letzte Nacht in Twisted River“. Wegen einer tragischen Verwechslung muss der 12-jährige Danny mit seinem Vater durch halb Amerika fliehen. Irving-Verfilmungen: 1982: „Garp und wie er die Welt sah“, mit Robin Williams, Glenn Close. 1984: „Das Hotel New Hampshire“, mit Jodie Foster, Beau Bridges. 1998: „Der kleine Held“, mit Oliver Platt. 1999: „Gottes Werk und Teufels Beitrag“, mit Tobey Maguire, Charlize Theron, Michael Caine. 2004: „Die Tür der Versuchung“, mit Jeff Bridges, Kim Basinger.