Wären James Dean und Jim Morrison auch zu Legenden geworden, hätten sie sich – anstatt in der Blüte ihrer Jugend zu sterben – mit 70, übergewichtig und ausgebrannt, von der Bühne verabschiedet? Andererseits: Elvis Presley und Marlon Brando haben es geschafft, ihren Zauber über die 40 hinaus zu retten, wenn auch im Falle von Elvis nicht allzu lange. Marlon Brando hingegen ist als Pate Vito Corleone endgültig zur Ikone geworden.
Was das alles mit Jesus Christus zu tun hat? Nun, im Grunde stellt das Musical „Jesus Christ Superstar“ eine ähnliche Frage. Was, wenn Jesus ein Rockstar wäre, dessen Musik die jugendlichen Massen aufsässig und unberechenbar macht? Der zudem noch Botschaften predigt, die schlecht fürs Geschäft des Establishments sind?
Rockmusik als Zeitdokument
Das Problem nur: Die Musik von Andrew Lloyd Webber mag 1970, als die Songs noch vor der Uraufführung des Stücks als Konzeptalbum herauskamen, rebellisch geklungen haben. Heute wirkt sie eher wie ein leicht angestaubtes Zeitdokument.
Anders gesagt: Es braucht schon ein wenig zeitgeschichtliches Bewusstsein, um zu begreifen, was denn an „Jesus Christ Superstar“ skandalös gewesen sein könnte (sieht man von der Tatsache ab, dass Jesus als Mensch mit Schwächen dargestellt und seine Bestimmung als Messias weitgehend ausgeblendet ist).
Orchester, Band, Chor und Solisten agieren fetzig, präzise und ausdrucksstark
Ein düsteres Kaleidoskop
Aber es sind dennoch eher die Bilder, die haften bleiben. Alexandra Burgstaller (Ausstattung) hat für die Drehbühne eine abschnittweise versenkbare, fahrbare (Show-)Treppe geschaffen, die unter effektvollem Licht wie ein düsteres Kaleidoskop funktioniert und in verblüffend vielen Einstellungen mal Rockbühne, mal Tempel, mal Gethsemane, mal Kerker, mal Büro des Pilatus und schließlich Golgatha darstellt.
Die Jünger, in diesem Falle eben Fans, tragen Hoodies, die Priester um Kaiphas (Bryan Boyce als finsterer Chefkapitalist) dunkelgraue Anzüge – doch es ist nicht so sehr der Konflikt mit der Obrigkeit, der das Stück prägt, sondern das Zerwürfnis zwischen Jesus und Judas. Letzterer trägt wohl nicht zufälligerweise papstrote Schuhe und agiert mit seinen ewigen Mahnungen wie der Vorbote einer prüden Amtskirche.
Christopher Brose (Jesus) und Francisco del Solar (Judas) meistern die riesigen Tonumfänge ihrer Partien tapfer und sind ansonsten schlüssige Kontrahenten: der eine charismatisch aber irgendwie erschöpft, der andere prinzipientreu aber desillusioniert. In der deutschen Version wirkt die eine oder andere Textzeile („Singt mir ein Lied“) wie auch die eine oder andere Szene mit Maria Magdalena (Lea Sophie Salfeld) allerdings leicht kirchentagsmäßig.
39 Stromstöße
Dafür wirken andere Szenen umso stärker: Die 39 Peitschenhiebe sind Stromstöße, verabreicht unter der Aufsicht eines genervten Pontius Pilatus (herrlich korrupt: Daniel Fiolka).
Ein letztes Mal setzt sich die Drehbühne in Gang, der senkrechte Träger kommt hinter dem waagrechten zum Stehen – das Kreuz ist vollendet, Jesus und Judas sind im Tode wieder vereint. Ein starkes Bild: Schließlich ist es Judas, dessen Verrat Jesus den frühen Tod bringt. Und damit die Voraussetzung, zur Legende zu werden.
Weitere Vorstellungen: 30. März; 1., 8., 11., 12., 16., 26. April; 5., 14., 18., 21., 27. Mai; 11., 22., 28. Juni; 7., 13. Juli (19.30 Uhr). 30. April, 4. Juni (15 Uhr). Karten: Tel. (09 31) 39 08-124, karten@mainfrankentheater.de