zurück
MASSBACH
Jeder nach seiner Fasson: Käfig voller Narren auf der Freilichtbühne
Komik für die Vielfalt des Lebens und Liebens: Ingo Pfeiffer, Wini Gropper, Georg Schmiechen und Marc Marchand (von links).
Foto: Sebastian Worch | Komik für die Vielfalt des Lebens und Liebens: Ingo Pfeiffer, Wini Gropper, Georg Schmiechen und Marc Marchand (von links).
Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:25 Uhr

„Schöne bunte Republik!“, könnte man ausrufen. Hat sich bei uns doch viel verbessert seit den 1970er Jahren, seit Jean Poirets „La Cage aux Folles“ Bühne und Film eroberte. Liebende jeglicher Couleur, Schwule, Lesben, Transvestiten, Transsexuelle – sie alle scheinen hierzulande mehr als damals Teilchen eines vielfältigen gesellschaftlichen Lebens zu sein. Jetzt ist die Komödie „Ein Käfig voller Narren“ in Regie von Rolf Heiermann auf der Maßbacher Freilichtbühne zu sehen. Das Gelächter der Zuschauer unterscheidet sich nicht von dem vor Jahrzehnten.

Wie sollte es auch anders sein, wenn so erfahrene Schauspieler wie Ingo Pfeiffer (in der Rolle des Travestiekünstlers Albin/Zaza) und Marc Marchand (als sein Lebenspartner Georges) das Geschehen beherrschen, Georg Schmiechen als schwuler Hausdiener mit lasziven Posen das Publikum entzückt oder Wini Gropper als heißblütige Spanierin den neidischen Konkurrenten Zazas mimt? Zudem schreiten junge und alte Theaterhasen wie Benjamin Jorns, Anna Schindlbeck, Angela Koschel-de la Croix, Eike Domroes und Susanne Pfeiffer zur Tat. Ähnlich großes Gelächter wie hier in Maßbach gab es schon 1998 im Meininger Theater.

Der Kritiker schrieb damals: „Wenn wir uns schon an solchen Klischeebildern ergötzen: Wie kunstvoll müssen sie arrangiert sein, um nicht peinlich oder diskriminierend zu wirken?“

Bei all den Plädoyers für die Vielfalt des Lebens und Liebens: Ein bohrender Gedanke von „mixed emotions“ bleibt auch 2017. Worüber lachen wir da? Über die ausgereizten Klischees von Tunten, über kunstvoll abgespreizte kleine Finger an der Teetasse, über nackte Pos und Tangas unter Herren-Feinripp-Unterwäsche? Über das Rouge auf den Lippen von Zaza? Über den blassen Teint von Georges? Über Geziere und Gehabe? Über exotische Verrücktheiten?

Die gibt es jahraus, jahrein auch als Männerballett im Karneval. Dort darf selbst der honorige Metzgermeister und Gemeinderat der CSU sein bestrapstes Bein heben, ohne in den Verdacht zu geraten, schwul zu sein.

Von solchen Gedanken speist sich die eine Hälfte der gemischten Gefühle. Sie wird vom Regisseur auch durchaus befeuert – schließlich ist das Ausspielen von Klischees Teil der Handlung. Die andere Hälfte wird in der Inszenierung von witzig-ironischen Konversationen, vor allem zwischen Albin und Georges, bedient. Wenn Ingo Pfeiffer mit leicht zitternder Mannesstimme, im luxuriösen Glitzerkleid und mit Damenperücke, sein „Ich bin, was ich bin“ anstimmt, dann spürt man auch etwas vom Leben hinter der Fassade, von der Angst als alternder Mensch – egal ob schwul oder nicht – nicht mehr geliebt, als Travestiekünstler nicht mehr geachtet zu werden.

Aber es sind nur wenige Augenblicke, in denen die Tragik hinter der Komik hervorschimmert. Schließlich befinden wir uns in einer turbulenten Komödie, die erst etwas dahinplätschert und dann dem Chaos zustrebt, bevor die Seelenreinigung eintritt.

In der Phase der Katharsis wird sich der Salon (Bühnenbild: Robert Pflanz) tatsächlich in eine farbenfrohe Showbühne (Kostüme: Daniela Zepper) verwandeln, in der gerade der Sommernachtstraum von einer bunten Republik gelebt wird, in der jeder nach seiner Fasson selig werden kann. Das Volk jubelt.

Auf der Freilichtbühne bis 29. Juli. Kartentelefon Tel. (0 97 35) 235. www.theater-massbach.de

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Maßbach
Siggi Seuß
CSU
Diskriminierung
Meininger Theater
Schwule
Susanne Pfeiffer
Travestiekünstler
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen