Die Franzosen nennen ihn liebevoll Bébel – Jean-Paul Belmondo, Charakterdarsteller und Actionheld, der so charmant grinsen kann. Ob „Außer Atem“, „Die Millionen eines Gehetzten“ oder „Der Profi“ – in den 60er bis 80er Jahren reichte allein der Name Belmondo, um die Kinos zu füllen. Frankreichs Spitzenregisseure rissen sich um ihn. Am Dienstag, 9. April, wird der Superstar 80 Jahre alt.
In Neuilly-sur-Seine kommt Belmondo 1933 zur Welt. Der Vater ist Bildhauer, die Mutter Tänzerin. Der junge Jean-Paul, ein schwieriger, aufmüpfiger Schüler, begeistert sich fürs Boxen, bestreitet Kämpfe. Mit 16 erkrankt er an Tuberkulose. Schluss mit Boxen, ein neues Ziel, ein neuer Traum: Schauspieler werden. Belmondo schafft die Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule, lernt mit Jean-Claude Brialy und Annie Girardot. Und bekommt den Spitznamen Bébel. Mit seinen herben Zügen, der breiten Nase, der lässigen Haltung, dem berühmten Lächeln ist er unverwechselbar. Knallhart und komödiantisch zugleich, sinnlich, bisweilen naiv. Ein gefühlvoller Draufgänger, Gegenpol zum klassisch schönen, „eiskalten“ Alain Delon, dem anderen Superstar dieser Generation.
An der Seite von Alain Delon
Beide Talente starten ihre Karriere 1958 im selben Film, der Krimikomödie „Sei schön und halt den Mund“. Zwölf Jahre später stehen sie im Gangsterepos „Borsalino“ erneut zusammen vor der Kamera. Belmondo ist 26, als er mit Jean-Luc Godards „Außer Atem“ zum Star wird. Es ist der Beginn der Nouvelle Vague, die das französische Kino jener Zeit mit ihrer unkonventionellen Filmsprache prägt. „Außer Atem“ erzählt von dem Autodieb Michel, der einen Polizisten erschießt, nach Paris flieht und mit einer Studentin (Jean Seberg) anbandelt, die ihn verrät. Belmondo porträtiert diesen Michel illusionslos und zynisch, als modernen Antihelden. Godard ist begeistert und engagiert den Jungstar auch für die Komödie „Eine Frau ist eine Frau“ und für „Elf Uhr nachts“.
Das Komödiantische, gepaart mit Action, macht Belmondo sichtlich Spaß, etwa wenn er in „Cartouche der Bandit“ (1961) den berühmten Räuber spielt oder in Philippe de Brocas „Le Magnifique“ (1973) einen unbedeutenden Autor mimt, der sich im Frust in wilde Actionszenen hineinträumt. Belmondo sei außergewöhnlich, könne einfach alles, urteilt Film-Noir-Regisseur Jean-Pierre Melville. Er setzt Belmondo in seinen legendären Gangster- und Abenteuerfilmen ein, in „Der Teufel mit der weißen Weste“ (1962) und „Die Millionen eines Gehetzten“ (1963). Auch Claude Chabrol („Schritte ohne Spur“), Henri Verneuil („100 000 Dollar unter der Sonne“) und François Truffaut schätzen Belmondos sensible, unbekümmerte Darstellung. Seine Helden leiden, kämpfen, siegen, lieben. In Truffauts „Das Geheimnis der falschen Braut“ verliebt er sich in Catherine Deneuve, in Godards „Elf Uhr nachts“ in Anna Karina.
Bei Frauen kommt der durchtrainierte Schauspieler auch im richtigen Leben gut an. Er heiratet früh, wird dreimal Vater – und bald geschieden. Berühmt sind seine Beziehungen und Affären mit Filmpartnerinnen, etwa mit Ursula Andress oder Laura Antonelli. Ab Ende der 70er Jahre konzentriert sich Belmondo auf Filme, die ganz auf ihn als Actionheld zugeschnitten sind, Thriller wie „Angst über der Stadt“ (1975), „Der Windhund“ (1979) oder „Der Profi“ (1981). Wie gewohnt macht er die Stunts selbst, katapultiert sich etwa in „Der Profi“ von einem Hubschrauber aus durch eine Fensterscheibe in eine Wohnung hinein.
Als Belmondo sich bei Dreharbeiten zu „Der Boss“ (1985) verletzt, hört er mit dem Actionkino auf. Er besinnt sich auf seine schauspielerischen Anfänge, spielt wieder Theater und legt sich eine eigene Spielstätte zu, das „Théâtre des Variétés“ in Paris. „Schauspielen muss man lernen“, meint er. „Es ist nicht allzu schwer, aber man muss es lernen.“ Nach einem Schlaganfall 2001 kämpft er sich in die Normalität zurück, übt laufen, sprechen. 2002 heiratet Belmondo erneut, seine langjährige Lebenspartnerin Nathalie Tardivel, wird noch mal Vater. 2008 wird diese Ehe geschieden.
Sein Traum, noch einmal das Kommando „Action!“ zu hören, erfüllt sich 2008. In „Ein Mann und sein Hund“ spielt er einen alten Mann, der mit seinem kleinen Hund obdachlos umherzieht. Belmondo ist markant mit seinen weißen Haaren, den mächtigen schwarzen Augenbrauen, seinem Lächeln: ein wenig wehmütig, aber unverkennbar noch Bébel.