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MÜNCHEN
Janosch wird 85: Vom Grauen ins Paradies
Janosch wird 85: Seine Kindheit war geprägt von Alkoholexzessen des Vaters und Prügeln durch die Mutter. Als Zeichner und Autor entwarf Janosch später den Gegenentwurf – eine friedliche, fröhliche, kunterbunte Welt.
Janosch wird 85       -  _
Foto: A3923/_Angelika Warmuth (dpa)
dpa
 |  aktualisiert: 10.02.2024 21:28 Uhr

Tiger und Bär suchen das Land ihrer Träume. Als sie eine köstlich duftende Bananenkiste finden, steht ihr Sehnsuchtsziel fest: Es ist Panama. Fröhlich brechen die beiden Freunde auf, nur um am Ende zu merken, dass das Glück stets da war – in ihrem Häuschen am Fluss. „Jeder lebte schon immer im Paradies, hat es nur nicht gewusst“, kommentierte der Schriftsteller und Maler Janosch mal sein berühmtes Kinderbuch „Oh wie schön ist Panama“.

Eine friedliche, fröhliche Welt hat er darin geschaffen. Im Kontrast dazu stehen seine Werke für Erwachsene, die Einblicke in eine harte Kindheit geben. Eines ist allen Büchern gemeinsam: der Humor, die kräftige Sprache und die treffenden, wunderschönen Bilder, mit denen Janosch seine Werke illustriert. Am Freitag (11. März) wird der Autor und Künstler 85 Jahre alt.

Janoschs Kindheit im oberschlesischen Bergarbeiterort Zabrze (früher Hindenburg) im heutigen Polen war geprägt von ständigen Alkoholexzessen des Vaters und von einer Mutter, die aus Frust gnadenlos auf ihren Sohn einprügelte. Gleichzeitig verstieg sich der Vater im Größenwahn und tobte, wenn sein Sprössling die Hoffnungen nicht erfüllte. Und die Mutter putzte ihn fein heraus und machte ihn in der Schule zum Gespött. „Die ersten Jahre meines Lebens waren die totale Zerstörung meiner Person“, sagte Janosch, der eigentlich Horst Eckert heißt, mal der „Süddeutschen Zeitung“.

Als grauenhaft empfand er auch die streng katholische Erziehung, die ihn mit Ängsten vor Fegefeuer und Sünde peinigte. Dann die „Quälerei der Hitlerjugend“, wie er es beschreibt, der Zweite Weltkrieg, 1946 die Aussiedlung und der Neubeginn in Oldenburg. Vieles floss in seine Werke ein, etwa in „Cholonek oder der liebe Gott aus Lehm“. Mal knallhart, dann aber auch wieder wehmütig schildert er die Erlebnisse in der grauen Arbeitersiedlung, wo er seine Kindheit verbrachte.

Schöne Erinnerungen waren kostbar – etwa die an zwei Weihnachtsfeste. Der Vater war aus dem Krieg zurück, die Familie hatte alles verloren. Aber es gab Geschenke: Mais mit Rosinen und im Jahr darauf einen Mantel. „Das war ein wahres Geschenk – ich könnte heute noch vor Freude heulen“, sagte Janosch einmal der „Frankfurter Rundschau“. Vielleicht sind es gerade diese Erfahrungen, die Janoschs Bücher so besonders machen. Ein Gegenentwurf zu seinem wirklichen Leben, das er später lange Zeit mit Alkohol aus seinem Kopf zu verdrängen suchte.

Sein selbstgeschaffenes Paradies auf dem Papier war bunt und naiv, bevölkert mit skurrilen Wesen, die sich gegen Obrigkeiten, Anmaßungen und Ungerechtes wehren – aber nicht mit Gewalt, sondern verschmitzt und mutig, mit Verstand und Herz. „Bei Janosch werden die zu Helden, die sonst niemand beachtet“, schreibt „Zeit“-Redakteuer Tillmann Prüfer im Nachwort zum Buch „Herr Wondrak rettet die Welt, juchhe!“ Es vereint Janoschs wöchentliche Kolumnen im „Zeit“-Magazin, in denen sein Alter Ego Wondrak seit 2013 das Zeitgeschehen kommentiert. Sein privates Paradies hat Janosch vor mehr als 30 Jahren gefunden: auf der spanischen Kanaren-Insel Teneriffa, wo er mit seiner Frau Ines lebt.

Sein Lieblingsplatz: „Immer Hängematte“, berichtete er seiner Biografin Angela Bajorek.

Der Titel ihres unlängst erschienenen Buches ist ein Zitat, das man auch Janoschs Lebensphilosophie nennen könnte: „Wer fast nichts braucht, hat alles.“ Genügsam, liebevoll und hilfsbereit sein und das Glück im Kleinen finden – Werte, die sich durch viele seiner Werke ziehen. Trotzdem sind seine Figuren keine tugendhaften Musterschüler. Sie sind auch launisch, frech und anarchisch wild. Sie nehmen sich und die Welt nicht so ernst, halten es wie die kleinen Schweinchen und „tunken unser Bein in die Tomatensoße ein“.

Das Schönste an ihnen allen ist ihr Humor, wie in „Der Frosch ist ein Großmaul“. Alles will er besser können als Schnuddel: schön sein, weitspringen und das Maul öffnen. So weit reißt der Frosch den Schlund auf, bis er sich schließlich selbst verschluckt. „Weg für immer“, schreibt Janosch, und Schnuddel merkt schadenfroh an: „Siehste, das kommt davon.“

Immer wieder gibt es aber auch Wehmut, wie in „Der alte Mann und der Bär“. In der Weihnachtsgeschichte verschieben fromme Kirchgänger ihre milden Gaben an die Armen auf morgen. „Aber als sie am nächsten Tag kamen, waren der Bär und der Vogel nicht mehr da. Ein Engel hatte sie geholt. Zu den Sternen getragen.“ Dabei bräuchte es nicht viel, um jemanden glücklich zu machen, ist Janosch überzeugt. Seine Figuren schwelgen in einfachen Genüssen: geschmorte Morchelpilze in pikanter Pfeffertunke, Waldbeerenkompott mit Honig, fabelhafte Bouillon mit Kartoffeln und Mohrrüben aus dem Garten oder Springforelle mit Mandelkernsoße, Kartöffelchen und Semmelbröseln.

Auch in anderer Hinsicht hat Bescheidenheit Vorteile, vor allem, wenn es um moderne Medien geht, können sie das Leben doch so viel ärmer machen. Das findet zumindest Janosch in einer Zeichnung für das „Zeit“-Magazin: „Herr Janosch, was wäre eigentlich gewesen, hätten Tiger und Bär Smartphones gehabt? „Sie hätten Panama einfach gegoogelt und wären im Übrigen am Tisch sitzen geblieben.“

Janosch in Zitaten

„Wenn man einen Freund hat“, sagte der kleine Bär, „der Pilze finden kann, braucht man sich vor nichts zu fürchten. Nicht wahr Tiger?“

(Aus „Oh wie schön ist Panama“) „Was gehört zum perfekten Fernsehabend dazu? Man braucht jemanden, mit dem man sich vor den Fernseher setzen kann. Und wenn man genau den Richtigen hat, braucht man eigentlich gar keinen Fernseher mehr.“(Janosch in seinem Buch „Herr Wondrak rettet die Welt, juchhe!“) „Denn die Sonne scheint, ich ärgere mich über gar nichts, was will ich mehr!“ (Aus der Geschichte „Komm nach Iglau, Krokodil“ aus der Anthologie „Vielleicht ist auch alles Unsinn, was ich sage!“) „Wir sprechen nicht sehr viel, haben aber eine unglaublich tiefe, telepathische Verbindung. Ich gebe den Hunger per Gedankenübertragung zu ihr rüber. Wenn sie zum Beispiel einkaufen geht, bitte ich sie telepathisch, Käse mitzubringen. Das klappt immer.“ (Janosch über die Beziehung zu seiner späteren Ehefrau Ines in einem Interview mit der Illustrierten „Gala“ 2003) „Mein Lieblingswein ist der rote. Habe ich aber keinen, kommt es zu keiner Trauer, dann trinke ich weißen.

Habe ich keinen weißen, trinke ich Wasser. Habe ich auch kein Wasser, vergesse ich den Durst. Das sind so die Kunststücke meiner Seligkeit.“(Janosch im Buch „Von dem Glück, als Herr Janosch überlebt zu haben“) „,O Bär', sagte der Tiger, ,ist das Leben nicht unheimlich schön, sag! ,Ja', sagte der kleine Bär, ,ganz unheimlich und schön.' Und da hatten sie verdammt ziemlich recht.“ (Aus „Post für den Tiger“) „Meine Lieblingsjahreszeit ist die Zeit der Ewigkeit nach dem Leben. Immer Sonne und kein Gott in der Nähe.“ „Da ich ein Sünder und Ketzer bin, wird Gottvater mir noch eine lange Lebenszeit schenken, damit ich wieder in den heiligen Schoß der Kirche zurückkomme.“

(Janosch in der Biografie von Angela Bajorek, „Wer fast nichts braucht, hat alles“) „Dass ich hier ewig so sitzen kann und die Sintflut erst kommt, wenn ich ganz weg bin. Also NACH meiner Himmelfahrt.“ (Janosch über seinen Geburtstagswunsch zum 85.) dpa

 
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