
Frage: Warum haben Sie sich eine dreijährige Auszeit vom Rampenlicht genommen?
Clueso: Wir hatten nach dem Album „An und für sich“ ziemlich viele Auftritte. Währenddessen habe ich schon immer wieder ein paar Skizzen für neue Songs geschrieben, Melodien gesammelt. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass ich überhaupt nicht zum Ausarbeiten komme. Mich hat es verdammt traurig gemacht, keine Zeit mehr für meine Leidenschaft zu haben. Deshalb habe ich mir die Öffentlichkeitssperre gegeben.
Clueso: Ich bin viel in Erfurt rumgehangen, hab' Geschichten aufgeschnappt. Zwischendrin habe ich mit meinem Opa ein privates Album aufgenommen – einfach so, um unsere gemeinsame Musik mal festzuhalten. Auf Reisen habe ich Songs geschrieben und viel übers Mixen gelernt. Dann kamen plötzlich die ersten Lieder von „Stadtrandlichter“ auf und haben nach einem geilen Bandpopalbum geschrien. Ich habe sofort gemerkt, dass ich alles andere liegen lassen muss. Dabei hat mir die Öffentlichkeitssperre sehr geholfen, weil ich niemandem Rechenschaft ablegen musste, wie lange ich an etwas rummache.
Clueso: Ich mache meistens so einen kleinen Verbrauchertest bei ihnen. Da spiel' ich das Zeug dann vor und jeder pickt sich sein Lieblingsstück raus. Allerdings gehen die Meinungen oft weit auseinander. Meinem Papa gefallen immer die ganzen Energie-Nummern, der ist ein Rolling-Stones- und Beatles-Fan. Meine Mutter steht eher auf die chilligeren Sachen, und mein Bruder findet die experimentellen Geschichten geil.
Clueso: Da durfte ausnahmsweise keiner mitreden. Ich hatte eine Matheaufgabe für mich zu lösen, wollte das Mixen und Rekorden unter einen Hut bringen. Ich habe sehr lange daran rumgemacht, und da war es manchmal schwer, an mich heranzukommen. Ich hatte eine Vision und brauchte kaum jemand um mich herum. Außer eben meine WG (Clueso wohnt mit fünf Freunden in einer Wohngemeinschaft, Anm. d. Red.), die ja zwangsläufig mit meiner Musik konfrontiert ist.
Clueso: Eigentlich fällt es mir leicht, weil man einfach viel schneller und ehrlicher schreiben kann. Bei vielen meiner Freunde hat es in den Familien nach der Wende geknallt, weil sie sich umstrukturieren mussten. Da war eine große Angst im Spiel. Ich lasse einiges Privates in meinen Songs, erzähle dafür in Interviews nicht so viel.
Clueso: Ich wollte einfach wieder das Verspielte haben, den Groove zum Vorschein bringen. Das Elektronische ist bei mir eine Affinität zu modernen Geschichten, die ich aber gar nicht ausgearbeitet erzählen möchte. Mir gefällt einfach nur die Klangfarbe gut.
Clueso: Ja, natürlich. Ich komme ja aus dem Hip-Hop und habe mich viel mit Sprachgesang beschäftigt. So was wie die Kraftklub-Jungs machen würde ich mir auch zutrauen: irgendeine Rockgeschichte verbunden mit einer Art Sprachgesang. Aber die Sehnsucht ist jetzt nicht so groß. Noch habe ich viele andere Ideen, die in meinem Kopf hängen.
Clueso: Damit meine ich nicht den Typen, sondern das gemeinschaftliche Projekt Clueso. Es gibt keine Marketingfirmen, sondern ich sitze dauernd mit einer Gruppe von Leuten an einem Tisch. Wir überlegen uns etwas und probieren das aus. Die Marke ist authentisch, weil sich alle damit identifizieren. Um das zu schützen, machen wir nicht jeden Scheiß mit. Wir suchen uns aus, was wir machen wollen, und haben es nicht eilig dabei. Alle, die bei der Marke Clueso mitarbeiten, wollen mit der Musik alt werden. Deshalb passen wir so schön auf unser Baby auf.
Clueso: Nein, eigentlich nicht. Wir haben schon immer viel selbst gemacht, auch „Four Music“ hat uns nie reingeredet. Ich fand schon immer, dass die geilsten Sachen aus dem Umfeld kommen, daher auch die Idee mit dem eigenen Label. Das macht uns jetzt zwar mehr Arbeit, gibt aber auch viel Freiheit.
Clueso: Im Entstehungsprozess mache ich das auch nicht. Klar hat man es als Künstler leichter, sein Album zu verkaufen, wenn eine Nummer dauernd gespielt wird. Aber unsere Herangehensweise ist eine ganz andere als bei den typischen Hit-Produzenten a la Modern Talking. Wir machen keinen berechenbaren Pop. Ich hätte beispielsweise nie gedacht, dass mein Song „Gewinner“ so gut funktioniert. Der hat einen Refrain, den beim ersten Hören keiner kapiert oder mitsingen kann. Aber es ist ein Song, der eine Emotion auslöst, weil er eine Fernbeziehung beschreibt. Da habe ich dann Bock, dass das Lied bekannt wird, weil ich Bock auf diese Nummer habe.
Clueso: Ich habe meinen eigenen kleinen Bereich, ein Minitrakt mit Katzentürchen. Da kann ich frei rein und raus (lacht). Nein, so einen extremen Rückzugsort brauche ich nicht. Mir ist es nur wichtig, dass ich auspennen kann, wenn ich lange unterwegs war. Sonst spiele ich Playstation, schaue Serien, gehe ins Kino oder in die Sauna. Mache einfach das, was andere auch machen, wenn sie frei haben. Man hat tausend Pläne, aber rennt nur in Unterhose rum (lacht). Ich hab' mal von Harald Juhnke so ein Zitat gehört: „Der Sinn vom Glücklichsein ist, keine Termine und leicht einen sitzen haben.“ Das hab' ich mir mal übers Bett gehängt.
Clueso: Nö, überhaupt nicht. Ich verurteile niemanden, der sich in so eine Sendung setzt. Max Herre ist ein Freund von mir, und wir haben darüber gesprochen. Er ist einfach gerne Produzent. Sein Herz klopft, wenn er talentierte Leute entdecken kann. Für mich ist es nichts. Ich musste meine Musik lange verteidigen. Besonders vor meinen Eltern, die immer gesagt haben: „Geh doch mal dahin und dorthin.“
Clueso: Damals gab es so etwas noch nicht, aber dafür irgendwelche wilden Talentwettbewerbe. Später meinten dann auch meine Onkel und Tanten, dass ich zu so Castings gehen soll. Ich habe immer nur gesagt: „Leute, ich mach' so 'ne Musik nicht.“ Ich würde ja echt gerne mal ein Plakat sehen, wo alle Castingshowteilnehmer mit Mini-Bildern abgebildet sind. Das müssen ja unfassbar viele Leute sein. Diese Shows sind ja ein riesengroßes Kunstprojekt.
Clueso: Ja, ich möchte auf keinen Fall eine dieser Briefmarken sein.
Thomas Hübner
Geboren wurde Thomas Hübner am 9. April 1980 in Erfurt. Nach der Schule begann er eine Friseurlehre, die er 1998 abbrach. Der Name Clueso ist angelehnt an die Figur des Inspektor Clouseau aus Blake Edwards' Film „Der rosarote Panther“. Cluesos erstes Album, „Text und Ton“, erschien 2001. Nach „Gute Musik“ (2004), „Weit weg“ (2006), „So sehr dabei“ (2008) und „An und für sich (2011) stürmte „Stadtrandlichter“ Platz eins der deutschen Charts. text: mro