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Interview: Stromberg und die Rasierklinge Gottes
Das Gespräch führte Thomas Brandstetter
 |  aktualisiert: 11.12.2019 16:14 Uhr

Als Bernd Stromberg, größenwahnsinniger Bürotyrann und fiesester Chef der Welt, begeistert Christoph Maria Herbst seit 2004 in der vielfach preisgekrönten Comedyserie „Stromberg“ das Fernsehpublikum. Am 16. April liest er im Kino Cinemaxx in Würzburg aus dem Bestseller „Millionär“ des aus Schweinfurt stammenden Autors Tommy Jaud – als Stromberg. „Wir drehen gerade die vierte Staffel, ich laufe wieder mit dieser Strombergschen Vollmaske und dem Kinderschänderbart durch die Gegend und muss auch bei den Lesungen so aussehen, weil mich meine Maskenbildnerin sonst schlachten würde“, sagt Herbst, 43. Testen wir doch mal, wie spontan Stromberg, ähhh: Herbst ist: Wir gaben ihm Stichworte und wollten wissen, was ihm dazu in den Sinn kommt.

Schublade.

Herbst: Meine ist mit Brokat ausgestattet und befindet sich in einer Chippendale-Kommode. Schublade ist Fluch und Segen. Ich habe genügend Zeiten erlebt in meinem beruflichen Wirken und Streben und Strebenwollen vor allem, in denen ich überhaupt nicht wusste, wie Schublade geschrieben wird. Jetzt bin ich in einer, und jetzt sollte ich auch nicht das große Lamento anstimmen.

Priester.

Herbst: War lange Zeit ein Thema, bis mich die Fleischeslust entdeckte oder ich sie und ich meine erste Freundin hatte. Und dann musste ich mitkriegen, dass es dieses hässliche Wort gibt, das mit Z anfängt und ölibat aufhört, da dachte ich: Nööö, dann lassen wir das mal besser. Heute bin ich Laienpriester.

Glaube.

Herbst: Ich lebe ihn vielleicht nicht mehr so ganz im Sinne des Katechismus, dass ich jeden Sonntag in die Kirche gehe. Aber mein Glaube ist unerschütterlich. Er gehört zu den substanziellen Dingen in meinem Leben.

Joseph Ratzinger.

Herbst: Um den muss man sich keine Sorgen mehr machen. Die Rasierklinge Gottes, so hat man ihn ja bezeichnet, als er noch Chef der Heiligen Inquisition war. Ach nee, ich glaub' die hat einen anderen Namen heute.

Kondome.

Herbst (lacht): Da glaube ich weniger an den Pontifex Maximus und an die Heilige Katholische Kirche, wie es im Glaubensbekenntnis heißt. Mein Glaube hält sich sowieso nicht so fest an den weltlichen Institutionen, sondern befindet sich eher im transzendenten Bereich, und da halte ich mich lieber an den lieben Gott als an den lieben Kardinal Ratzinger.

Demut.

Herbst: Ein schöner Begriff, eine schöne Tugend, die heute leider nicht mehr wirklich gelebt wird. Mich hat das Leben damit versorgt. Bei mir geht Demut einher mit Dankbarkeit. Rückblickend bin ich für vieles, was ich im Leben in die Fresse gekriegt hab', dankbar, weil es alles irgendwo schon immer Sinn gemacht hat, auch wenn es sich mir in dem Moment, in dem ich es erlebt habe, nicht sofort erschlossen hat.

Schauspielschule.

Herbst: Die wollten mich nicht, die Säcke. Da ich diesen Beruf aber unbedingt wollte, habe ich mir gesagt: Muss es eben ohne Euch gehen. Und es ging ja auch ohne. Anfangs war das nicht ganz einfach, weil ich diesen psychologischen Knoten mit mir herumschleppte, keine Ausbildung zu haben. Als Schauspielanfänger, der sein erstes professionelles Engagement am Landestheater Dinslaken hatte, 1989, stand ich auf einmal mit Leuten auf der Bühne, die drei oder vier Jahre diesen Beruf richtig gelernt hatten – das knabberte an meinem Selbstbewusstsein. Als ich dann aber feststellte, dass ich die aus zwei Metern Entfernung nicht richtig verstand, weil sie so schlecht sprachen, lispelten oder ihren Dialekt nicht wegbekamen, da dachte ich mir manchmal: Mensch, was lernt man denn um Gottes willen auf so einer Schauspielschule?

Selbstzweifel.

Herbst: Immer wieder. Immer wieder gerne. Und sie bleiben hoffentlich auch: Wenn ich mir dessen, was ich tue, zu sicher bin, kann dabei nichts Gutes herauskommen. Das ist eine wichtige Flamme, die in einem brennen sollte, weil man sonst irgendwann in so einem Fahrwasser mit Scheuklappen landen würde, dass man zum Autisten würde.

Idealismus.

Herbst: Der kommt mir hoffentlich niemals abhanden. Deswegen spiele ich auch immer wieder gerne Theater, dafür muss man eine Menge Idealismus mitbringen. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit stand ich für 50 Euro auf irgendwelchen Off-Theaterbühnen, weil ich den Regisseur so klasse fand und das Ensemble so toll und das Stück so faszinierend. Ein Drehtag funktioniert ganz anders: Da kommt man hin, verdient einen Haufen Geld, ist wieder weg, nach mir die Sintflut. Theater ist ein sehr viel sinnlicheres Erleben. Da setzt man nicht nur so ein Fitzelchen ab, das von einem Cutter zusammengeschneidert wird, und zwei Jahre später ist dann Premiere und man erinnert sich kaum. Mich treibt's irgendwie an den Ort meiner ersten Untaten immer wieder zurück.

RTL-Dschungelshow.

Herbst: Ich hätte mal die Rolle von Dirk Bach übernehmen sollen oder die von Sonja Zietlow, ich weiß es gar nicht mehr. Das war bei der ersten Staffel, aber ich bin ja froh, dass man mir die Moderation antrug und nicht auch noch glaubte, ich würde mich mit diesen sogenannten Prominenten in den Dschungel selbst begeben. Aber ich kam schon ins Grübeln: Was hast Du jetzt falsch gemacht, dass Du diese Anfrage kriegst?

Quote.

Herbst: Mit Stromberg haben wir uns eine Position erarbeitet, die uns relativ freimacht vom Quotendruck. Wenn es nur nach der Quote ginge, dürfte es Stromberg seit Jahren nicht mehr geben. Für diesen langen Atem ist ProSieben nicht hoch genug zu loben. Ich bin sicher, dass bei jedem anderen Privatsender, vor allem bei dem einen, der mit R anfängt und L aufhört, nicht mal die erste Staffel zu Ende gezeigt worden wäre bei einer vergleichbaren Quote.

Millionär.

Herbst: Bin ich nicht. Vom „Vollidioten“ zum „Millionär“. Der dritte vom Thomas Mann unter den Popcorn-Belletristikern geschriebene Bestseller. Es gibt kaum Bücher, die sich besser zum Vorlesen eignen als zum Selberlesen wie die von Tommy Jaud.

Vorlesen.

Herbst: Die Urform von theatralem Geschehen, hat so etwas wahnsinnig Pures. Auf der Bühne zu sitzen und den Menschen was vorzulesen, wie es früher die Mama bei einem selbst gemacht hat, das zu kultivieren und sich in Hallen zu begeben, wo Hunderte Leute sitzen, die sich alle von mir über dieses Buch in den Schlaf schicken lassen, das hat was sehr Sinnliches.

Herbst in „Hui Buh – Das Schlossgespenst“.
| Herbst in „Hui Buh – Das Schlossgespenst“.
 
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