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Interview mit Michael Quast: Wenn Pathos in die Hose geht
Michael Quast: Der Schauspieler über viele Rollen in vielen Dialekten – Zwei Silvestergalas in Schweinfurt
Das Gespräch führte Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 26.04.2023 19:11 Uhr

Glücklich ist, wer vergisst“: Unter diesem Motto gastieren Michael Quast und Sabine Fischmann an Silvester mit einem eigens für Schweinfurt zusammengestellten Galaprogramm im Theater der Stadt. Der Titel der beiden Vorstellungen um 15 und um 19 Uhr deutet auf die „Fledermaus“ hin, aber nicht nur. Quast und Fischmann waren zuletzt mit „Don Giovanni a trois“ in Schweinfurt zu Gast. Untertitel: Der komplette Wahnsinn für zwei Stimmen und ein Klavier. Die beiden bewältigen eine Vielzahl von Rollen, Stimmen, Dialekten, Geräuschen und sogar Choreografien gleichzeitig und bringen so mit minimalen materiellen, aber maximalen künstlerischen Mitteln großes Theater und große Oper auf die Bühne. Das ist immer umwerfend komisch, auch hochspannend und nicht selten nicht weniger anrührend als die Originalversion.

Frage: In Schweinfurt sind Sie vor allem bekannt aus Stücken, in denen Sie ganz viele Rollen gleichzeitig spielen, singen und tanzen. Sie spielen aber auch alle großen Moliere-Partien – langweilen Sie sich, wenn Sie nur eine Rolle spielen dürfen?

Michael Quast (lacht): Nein, durchaus nicht. Es ist sehr schön, eine große Rolle zu spielen, etwa bei Moliere. Auch eine kleine Rolle zu spielen, ist schön. Aber das hat sich so ergeben – ich bin einer von den Schauspielern, die sagen: Lass mich den Löwen auch spielen. Diese Sprünge sind eine besondere Herausforderung. Und es macht schon großen Spaß, mehrere Figuren unterscheidbar zu machen, so dass das Publikum die Illusion hat, es seien mehrere Personen auf der Bühne.

Der Titel Ihres Silvesterprogramms deutet auf Operette hin . . .

Quast: Auch. Wir machen eine Silvestergala, die wir extra dafür zusammenstellen.

Gibt es einen roten Faden?

Quast: Ich mache das ja zusammen mit der Kollegin Sabine Fischmann – die übrigens Fränkin ist, sie ist in Erlangen gebürtig und aufgewachsen. Wir bringen Ausschnitte aus gemeinsamen Programmen. Der rote Faden ist, dass wir alle berühmten Silvestergalas der Metropolen dieser Welt nach Schweinfurt holen. Das Publikum muss nicht mehr nach Paris fahren oder nach New York oder nach Wien. Wir spielen in Schweinfurt, was dort an Silvester gezeigt wird.

Sie stellen dann pantomimisch die Kugel am Times Square dar?

Quast (lacht): Da kommen Musicals vom Times Square, Operette aus Wien und große Oper aus Prag. Und es gibt auch was aus Coburg, glaube ich . . .

Die Komik entsteht bei Ihnen oft, wenn Pathos in die Hose geht. Operette will ja von vorneherein komisch sein – wo ist da Ihr Ansatz für Komik?

Quast: Wir sind ja keine Sänger im eigentlichen Sinne, obwohl Sabine Fischmann auch eine Gesangsausbildung hat. Wir gehen sehr schauspielerisch an die Rollen und loten mit einer gewissen Schamlosigkeit die Möglichkeiten der Figuren aus. Wir erlauben uns da eine ganz andere Drastik. Abgesehen davon ist es auch ein komischer Effekt, wenn wir so viele verschiedene Rollen in so vielen Dialekten spielen. Dass Pathos in Komik umschlägt, ist nur ein Aspekt von vielen.

Kurz gesagt: Sie dürfen die Sau rauslassen.

Quast: Schauspieler an einem Stadttheater dürften die Figuren nicht so extrem spielen, wie wir das machen. Da hieße es dann, das ist viel zu dick aufgetragen. Aber wenn man das sehr genau und technisch gut macht, und wenn es künstlerisches Niveau hat, dann ist das absolut legitim und von durchschlagender Wirkung.

Das heißt, auch Chargieren will gekonnt sein?

Quast: Allerdings! Ein guter Knattermime auf der Bühne ist was ganz Tolles. Es wird oft unterschätzt, wie schwer es ist, das richtig gut zu machen.

Der Don Giovanni in Ihrer Version ist ja keine Parodie. Die beklemmenden oder die anrührenden Momente kommen genauso stark rüber wie in der großen Oper. Kommt es dennoch vor, dass Sie missverstanden werden – etwa so: „Der macht sich über Schiller oder Mozart lustig?“

Quast: Fast nie. Da sind wir auch sehr froh drüber. Unsere Art zu arbeiten setzt voraus, dass wir die Stoffe sehr gut kennen und dass wir sie auch respektieren. Es ist überhaupt nicht unsere Absicht, uns über Mozart oder da Ponte lustig zu machen. Nein, wir müssen sie sehr ernst nehmen, und wir müssen gucken, was man aus den Figuren rauskitzeln kann. Das setzt voraus, dass man sich sehr intensiv damit auseinandersetzt. Und das kommt auch rüber und wird honoriert.

Versteht denn das Publikum immer alle Anspielungen, Verdrehungen und Querverbindungen?

Quast: Ich glaube nicht, dass das Publikum die Stücke immer gut genug kennt. Aber wir bemühen uns, es so zu machen, dass auch jemand, der die Stücke nicht kennt, kapieren kann, worum es geht und was für Figuren da auf der Bühne agieren. Ein sehr schöner Effekt ist dann, wenn Leute sagen, Mensch, das wusste ich gar nicht, das ist ja klasse, ich dachte, Oper ist langweilig – jetzt gucke ich's mir mal in der Oper an.

Sie haben jetzt auch mit Hans-Joachim Heist zusammengearbeitet, dem Choleriker Gernot Hassknecht aus der ZDF-„heute show“. Sie selbst sind kaum mehr im Fernsehen präsent – ist das Medium für Sie uninteressant geworden?

Quast: Das kann man so sagen. Fernsehen und Theater schließen sich immer mehr aus. Das Fernsehen wird immer hektischer und kurzfristiger, steht unter großem wirtschaftlichen Druck, und im Theater planen Sie sehr langfristig. Da braucht man die Chance, dass sich mit der Zeit etwas entwickelt. Vom Fernsehen kommt zum Beispiel eine Anfrage für den Frühling. Dann frage ich: für 2014? Nein, nein, 2013. Ja, da habe ich leider schon zu viele Termine. Und wenn man zu viele Sperrtermine hat, wird man sofort aussortiert. Bei meiner Fernsehagentin bin ich nur noch Karteileiche, weil ich immer absagen muss. Außerdem gibt es immer seltener Formate, die mich interessieren würden.

Stichwort Termine: Wie hat es ausgerechnet Schweinfurt geschafft, Sie für so einen prominenten Termin wie Silvester zu bekommen?

Quast: Die haben zur richtigen Zeit angefragt. Wir haben einen guten Kontakt zum Theater Schweinfurt und sind sehr gerne da. In diesem Jahr war Silvester noch frei, und es kam diese attraktive Anfrage rechtzeitig, bevor jemand anders gefragt hat. Wir alle auf der Bühne haben Familie, und da muss man sich die Zeit einteilen und gerade für die Feiertage gut planen. Aber in diesem Jahr hat es bei allen gepasst. Also hat Schweinfurt Glück, und wir haben auch Glück.

Karten: Tel. (0 97 21) 51 49 55 oder 5 1 0. Internet: www.theater-schweinfurt.de

 
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