
Wenn man seinen Namen hört, weiß man nicht unbedingt, mit wem man es zu tun hat. Wenn man das Gesicht sieht, fällt der Groschen sofort. Seit einem halben Jahrhundert ist Jörg Pleva leidenschaftlicher Schauspieler, Regisseur und Theaterautor. Vor allem aber hat der 70-Jährige eins: eine Wahnsinnsstimme. Die hat Hollywoodregisseur Stanley Kubrick einst so beeindruckt, dass er ihn als Synchronsprecher gleich für drei seiner Filme engagierte (siehe graue Infobox). Am 5. März steht Pleva als „lustiger Witwer“ auf der Bühne des Theaters der Stadt Schweinfurt. Ein Gespräch über Synchronisationen für Hollywood und warum Lüge das Geheimnis der Schauspielkunst ist.
Jörg Pleva: Keine Ahnung. Das weiß ich auch nicht. Aber er war total begeistert. Ich habe drei Filme von ihm synchronisiert, unter anderem „Uhrwerk Orange“, und sollte auch in einem seiner Filme mitspielen, aber das habe ich abgelehnt.
Pleva: Weil ich meinen Beruf eigentlich nicht in einer Fremdsprache ausübe. Ich kann zwar einigermaßen Englisch sprechen, aber ich kann nicht in Englisch denken. In meinem Beruf geht für mich aber viel über das Denken und nicht über das Auswendiglernen. Da hatte ich Schwierigkeiten und habe mir gedacht: Was soll ich denn im Ausland? Ich bin ganz zufrieden, dass das nicht stattgefunden hat. Ich wollte meine eigene Kompanie aufmachen und Moliere spielen, ich hatte andere Interessen, als international zu spielen.
Pleva: Das Wahnsinnige war, dass ich viel Geld dabei verdient habe. Da wurde richtig bezahlt. Und Kubrick hat jeden Abend alles abgehört. Alles wurde sehr genau gemacht. Als ihm das Wort „home“ nicht gefallen hat, obwohl es so im Drehbuch stand, bin ich extra von München nach Berlin geflogen, um statt „home“ „zu Hause“ zu sagen. So viel Geld war da. Das finde ich außergewöhnlich. Wir haben in Berlin auf einem Gelände auch draußen synchronisiert, das gibt es eigentlich nicht. Normalerweise macht man das in Kabinen, die dann für innen und für außen geschaltet werden. Das war eine schöne Synchronisation – die normalerweise nicht sehr schön ist.
Pleva: Das ist reines Tempo: schnell, schnell, schnell, schnell, schnell. Ich habe irgendwann noch einmal eine Synchronisation gemacht. Dann habe ich es eingestellt, weil es wirklich eine anstrengende Arbeit ist. So eine Heidenarbeit! Das muss nicht sein. Von morgens bis abends im Dunkelraum zu sein und ganz präzise zu sprechen. Das ist nicht meine Sache, so präzise zu sein.
Pleva: Ein bisschen zu improvisieren! Ich kann zum Beispiel auch kein Instrument spielen, obwohl meine ganze Familie aus Pianisten und so weiter besteht. Aber ich habe das nie lernen können, weil ich hektisch werde, wenn ich nach Takt arbeiten muss. Ich muss nach meinem inneren Gefühl arbeiten. Nur so geht's für mich.
Pleva: Das ist mir zu anstrengend geworden. Das geht von morgens bis abends, und ich bin den ganzen Tag unter Strom, weil jede Einstellung wie eine Premiere ist. Da habe ich mir gesagt: So, jetzt ist Schluss. Seitdem mache ich nur noch Theater. Da habe ich mehr Freiraum. Das gehört nämlich dazu. Ich muss auf einen Partner reagieren, und der Partner kann auch nicht immer nur genau das Gleiche machen. Der verändert sich, und ich kann mich entsprechend verändern. Das sind feine Änderungen, die der normale Zuschauer gar nicht mitbekommt.
Pleva: Ich habe oft darüber nachgedacht, wie man jemandem die Schauspielerei erklären könnte – und kam auf die Idee, dass die Schauspielerei Lügen ist. Etwas anderes tue ich nicht. Ich lüge – und die Zuschauer sind bereit zu sagen: „Der lügt, aber der macht das super. Ich habe es ihm fast geglaubt.“ Zu meinem Sohn, der auch Schauspieler ist, habe ich gesagt: „Ich brauche dir keinen Unterricht zu geben. Wenn du mich anlügst und ich dir glaube, war es gut.“ So haben wir uns jahrelang angelogen, und er hat mich am Schluss unglaublich oft verblüfft. Dadurch hat er die Schauspielerei im Grunde begriffen.
Pleva: Die Schwierigkeit ist, dass man so viel Text lernen muss. Ich improvisiere, indem ich nicht den Text, sondern den Inhalt lerne. Dann sehe ich mir das Textbuch an. Auf der Bühne passiert es mir kaum einmal, dass ich hänge, weil ich immer weiß, was an Information geliefert werden muss. Eine große Kunst ist auch, Pausen zu setzen. Wenn ich eine Information habe, die ein bisschen schwerer ist, kann ich nicht einfach weitergehen, sondern muss dem Zuschauer Zeit geben, sie aufzunehmen.
Pleva: Die Rolle habe ich damals innerhalb von einer Woche übernommen. Der Regisseur Wolfgang Spier, der die Rolle in Hamburg spielen wollte, wurde krank. Ich hatte bis dahin nie Boulevard gespielt, dachte mir aber: Du hast jetzt ziemlich viel gemacht, da kannst du auch mal ein Boulevardstück übernehmen, mal sehen, wo es dich hintreibt. Ich war zugegebenermaßen etwas unsicher – obwohl ich gerne improvisiere, und genau das kam mir dann zupass. Das Stück war ein großer Erfolg. Es wurde dann in Berlin gespielt, und Spier konnte immer noch nicht, und so ging es weiter. Dann habe ich es in Düsseldorf gespielt, das hat mich richtig verfolgt. Was ich sonst spiele, ist intelligent und schwer, das große Theater. „Der lustige Witwer“ ist einfach eine Komödie, die Leute lachen sich kaputt. Das macht mir sehr viel Spaß. Es ist mal eine ganz andere Art, Theater zu machen.
Pleva: Absolut. Ich bin ein reiner Stadtmensch. Auf dem Land mache ich Urlaub. Aber ich könnte nicht auf dem Land leben.
Pleva: Vielleicht, weil ich immer in der Stadt war. Ich kann mir gar nicht vorstellen, auf dem Land zu leben. Dazu habe ich nicht die Fantasie.
Pleva: Nein, der würde sich bedanken. Wenn es mir furchtbar ginge, würde er mich natürlich aufnehmen. Wir lieben uns sehr. Aber ohne, dass es wichtig wäre, würde ich es nie machen – und er würde es nie wollen. Aber ich nehme immer das nächste Hotel.
Jörg Pleva
Der Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor, geboren am 23. Juni 1942 in Stuttgart, stand in rund 140 Film- und Fernsehproduktionen vor der Kamera, darunter auch in diversen Serien. Sein vielleicht größter Erfolg war die Rolle des Bernhard Lotz in Tom Toelles und Wolfgang Menges Satire „Das Millionenspiel“ (1970). Seine Stimme wurde bekannt durch die Synchronisation der Hauptdarsteller dreier Stanley-Kubrick-Filme: Malcolm McDowell in „Uhrwerk Orange“ (1971), Ryan O'Neal in „Barry Lyndon“ (1975) sowie Jack Nicholson in „Shining“ (1980). Im Kino war er zuletzt 1992 in dem Kinderfilm „TKKG – Ein Fall für Drachenauge“ zu sehen. Zuletzt konzentrierte sich Pleva auf die Theaterbühne. Bei rund 20 Aufführungen führte er Regie, bearbeitete mit Vorliebe Stücke von Moliere und schrieb Drehbücher. 1997 gründete er die Hamburger Schauspielkompanie „Adhoc“, um Moliere-Stücke zu vermarkten. Am Theater der Stadt Schweinfurt ist Pleva am 5. März 2013 (14.30 Uhr) in dem Boulevard-Stück „Der lustige Witwer“ zu sehen. Karten unter Tel. (0 97 21) 51 - 49 55 oder 51-0.