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Interview mit Friedrich von Thun: Aus Freude an Weihnachten
Friedrich von Thun: Das Bedürfnis des Publikums nach Zerstreuung findet der beliebte Schauspieler legitim. Ein Gespräch über die Kunst der Komödie, das Mittelalter und kitschige Geschichtlein zum Fest.
Friedrich von Thun: „Ich finde, es gibt zu viele – ich sag' jetzt mal – kitschige Gedichtlein.“
Foto: Cinetext | Friedrich von Thun: „Ich finde, es gibt zu viele – ich sag' jetzt mal – kitschige Gedichtlein.“
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 16.11.2015 15:55 Uhr
Frage: Sie sind im Fernsehen sehr präsent, spielen auch rein unterhaltende Sachen, Pilcher zum Beispiel. Geht es Ihnen dabei darum, das Bedürfnis nach einer heilen Welt zu bedienen?

Friedrich Von Thun: Man muss die Relation sehen: Ich hab' etwa 200 Filme gemacht, davon zwei Pilchers . . .

. . . das war nicht als Vorwurf gemeint. . .

Von Thun: Sagen wir so: Ich suche mir die Stoffe nach der Machbarkeit aus. Es geht darum, dass ich mir vorstellen kann, eine Figur gerne zu spielen, dass ich ihr was abgewinnen kann. Manchmal sind das unterhaltende Rollen. Ich spiele aber auch sehr viele problematische Figuren. Doch oft bleibt das, was der Zuschauer in mir sehen will, eher hängen als das, was ich wirklich alles auf der Palette habe. Im Übrigen halte ich das Bedürfnis nach Unterhaltung und Zerstreuung für absolut legitim. Gute Unterhaltung ist handwerklich auch nicht so ganz einfach zu machen. Manchmal gelingt's besser, manchmal nicht so gut. Komödiantische Rollen machen mir großen Spaß – dass es nicht meine Sehnsucht ist, nur Unterhaltsames zu spielen, ist wieder was anderes.

Ich glaube ja, die sogenannte Leichte Muse wird speziell in Deutschland unterschätzt.

Von Thun: Ja, die Tendenz ist schon ein bisschen da: je trister, desto kunstvoller. Das ist schade. Es hat auch eine andere Zeit gegeben, als Curt Goetz an den großen Staatstheatern gespielt wurde oder Labiche-Komödien an den Münchner Kammerspielen. Das ist so ein bisschen in Verzug gekommen. Warum, weiß ich nicht. Man muss sich bei den Komödien aber schon auch um Niveau bemühen. Das versuche ich zumindest immer.

Sie haben seinerzeit bei Axel von Ambesser angefangen. Der hat ein paar wirklich wunderbare Komödien geschrieben und inszeniert.

Von Thun: Boah! Das war mein erster Regisseur. Meine Güte, das ist alles so lange her . . . Ambesser hat einen unglaublichen Humor draufgehabt. Der hat am Burgtheater inszeniert, Nestroy und so weiter! Unglaublich war das. Da hat ein Hamburger Nestroy in Wien inszeniert, mit Hans Moser.

Blick in die Zukunft: Am 5. und 6. Januar sind Sie in „Die Pilgerin“ im ZDF zu sehen.

Von Thun: Das ist eine Mittelalter-Geschichte, ein Zweiteiler, ein – wie sagt man neuzeitlich? – Fantasy-Adventure. Regisseur ist Philipp Kadelbach, der auch „Unsere Mütter, unsere Väter“ gemacht hat.

Mittelalter ist gerade sehr beliebt bei den Leuten. Als sei eine Sehnsucht nach einer einfacheren, besseren Zeit da . . .

Von Thun: Aber die wird da nicht bedient. In der „Pilgerin“ ist das Mittelalter sehr schmutzig, sehr trist. Man meint geradezu, das verdorbene Fleisch oder die Fische am Markt zu riechen. Philipp Kadelbach hat andere Vorstellungen von dieser Zeit. Mittelalter ist, glaub' ich, überhaupt keine Sehnsucht für Zuschauer.

Ich glaube schon, dass es diese Tendenz gibt. Fantasy-Spiele zum Beispiel basieren meist auf einer Welt, die wie das Mittelalter strukturiert ist.

Von Thun: Dieses Fernsehspiel ist so wie diese Fantasy-Spiele am Computer – hat mir jedenfalls jemand gesagt. Es ist sehr düster, die Menschen sind sehr extrem gezeichnet. Das ist faszinierend. Ich spiele da aber nur eine kleine Rolle. Ich hab' das gemacht, weil ich Kadelbach kennen lernen wollte.

Auf der Pressemappe sind Sie aber ziemlich prominent abgebildet.

Von Thun (lacht): Ich weiß auch nicht warum. Ist halt so. Aber wenn Sie über die Zukunft schreiben, dann schreiben Sie doch auch über den 16. Dezember: Da kommt „Beste Bescherung“, ein wirklich sehr schräger, sehr lustiger Film von Rainer Kaufmann. Ich spiele wieder, wie schon bei „In den besten Familien“, den Schraubenfabrikanten Karl Maillinger und Sophie von Kessel eine meiner Töchter. Diesmal geht es um ein Krippenspiel, das, aus einer Tradition heraus, die Familie aufführen muss, in der eine Frau schwanger ist. Und eine meiner Filmtöchter ist eben schwanger. Es ist eine wunderbare Weihnachtskomödie.

Weihnachten ist auch das Thema Ihrer Lesung bei den Würzburger Bachtagen. Mit Weihnachtslesungen waren Sie schon mehrfach in der Region. Das scheint Ihnen zu gefallen.

von Thun: Mir macht das eine große Freude, vor allem in Kombination mit schöner Musik. Überhaupt habe ich Weihnachten als Fest sehr gern. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich ständig über den Stress beschweren. Ich finde, das kann man sich ja einteilen – meistens macht man sich den Stress ohnehin selbst. Weihnachten ist ein schöner Anlass, in Erinnerungen und Geschichten zu kramen.

Geht es Ihnen darum, die Zuhörer aus der Alltagswelt in eine friedlichere Welt zu entführen?

von Thun: Jemand, der zu so einer Lesung kommt, hat diese Sehnsucht nach Erinnerungen, nach Ausatmen und Nachdenken, und das versuche ich zu begleiten mit Texten, die mir richtig erscheinen. Das sind aber nicht nur altmodische Texte, die aus einer Zauberwelt zu kommen scheinen. Ich versuche auch, das Weihnachtsfest mit modernen Texten zu begleiten. Ich finde, es gibt zu viele – ich sag' jetzt mal – kitschige Gedichtlein, wo alle „Kindlein“ heißen. So etwas suche ich zu vermeiden.

Was genau werden Sie lesen?

Von Thun: Ich lass' mich ein bisschen inspirieren. Das geht von Hermann Hesse über Ludwig Thoma bis Oscar Wilde. Die Lagerlöf mag ich auch sehr gern. Ich hab' so eine Mappe mit Geschichten. Dann schau' ich, in welcher Stimmung man sich gerade befindet, und versuche, eine passende Kombination zu finden. Das lass' ich immer ein bisschen offen.

Das heißt, Sie reagieren an dem Abend auf die Stimmung und aufs Publikum?

Von Thun: Ja. Ich finde das sehr aufregend.

Friedrich von Thun und seine Lesung in Würzburg

Geboren am 30. Juni 1942 im böhmisch-mährischen Kwassitz als Friedrich Ernst Peter Paul Maria Thun-Hohenstein, adelshistorisch Graf von Thun und Hohenstein. Nach dem Krieg zog die Familie nach Österreich, Friedrich von Thun ging im steiermärkischen Seckau aufs Gymnasium. Nach dem Abitur studierte er Germanistik und Theaterwissenschaften in München und nahm Schauspielunterricht. Axel von Ambesser gab ihm 1962 eine Filmrolle in „Kohlhiesls Töchter“. Er verhalf dem jungen Kollegen auch an die renommierten Münchner Kammerspiele.

Zwischen „Lausbubengeschichten“ und „Der Stellvertreter“, zwischen „Tatort“ und „Traumschiff“ ist Friedrich von Thun seit Jahrzehnten in Film und Fernsehen präsent. In der TV-Serie „Die Verbrechen des Professor Capellari“ spielte er die Titelrolle. Sohn Max von Thun ist ebenfalls ein bekannter Schauspieler.

Am 1. Dezember liest Friedrich von Thun bei den Würzburger Bachtagen Texte zur Weihnacht. Dazu gibt es Musik. Karten: Tel. (09 31) 37 23 98

 
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