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Rottendorf
Interview mit Elke Heidenreich: Hätte Marcel Reich-Ranicki gegendert?
Woher kommt der Bücherwurm? Wie steht's um die Allianz Mensch-Buch? Was sind Kamelhaarmäntel-Männer? Fragen an Elke Heidenreich im Vorfeld ihrer Lesung bei MainLit.
Die Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Elke Heidenreich bei einer Diskussion im Jahr 2005. 
Foto: Oliver Berg, dpa | Die Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Elke Heidenreich bei einer Diskussion im Jahr 2005. 
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:48 Uhr

Elke Heidenreich, 79, ist Literaturkritikerin, Schriftstellerin, Kabarettistin, Moderatorin und Journalistin. Mit der Lesung "Männer in Kamelhaarmänteln" kommt sie im Rahmen des Literaturfestivals MainLit am Donnerstag, 13. Oktober, nach Gut Wöllried in Rottendorf. Die Veranstaltung um 19.30 Uhr, die ursprünglich in Dettelbach stattfinden sollte, ist laut Homepage fast ausverkauft.

Frage: Wenn ich noch kein Buch von Ihnen gelesen habe – mit welchem sollte ich anfangen und warum?

Elke Heidenreich: Was soll ich dazu als Autorin sagen? Sie müssten blättern, schauen – und dann, ja: vielleicht „Männer in Kamelhaarmänteln“, kurze Geschichten über Kleidung.

Was gibt es über Männer in Kamelhaarmänteln zu sagen?

Heidenreich: Das ist eine Geschichte im gleichnamigen Buch, in dem es um Kleider und Erinnerungen geht, mal komisch, mal traurig. Kleider machen ja was mit uns!

Elke Heidenreich
Foto: Elke Heidenreich | Elke Heidenreich
Wie viele Bücher wohnen bei Ihnen?

Heidenreich: Keine Ahnung. Im ganzen Haus verteilt einige Tausend, sie sind ja mein Leben, mein Beruf, meine Liebe, seit vielen Jahrzehnten – da kommt was zusammen!

Was passiert mit den Büchern, die keinen Platz bei Ihnen bekommen?

Heidenreich: Vielleicht erst ein paar Jahre auf Regalen im Keller, dann werden sie verschenkt, verteilt, verstreut…

Gibt es ein Buch, das Sie zweimal gelesen haben?

Heidenreich: Viele! Als Kind liest man ohnehin die Lieblingsbücher immer wieder. Und als Erwachsene immer wieder die Gedichtbände, auch manchmal Romane. "Die Wand" von Marlen Haushofer zum Beispiel. Und Kleist, immer wieder.

Wie viele Bücher haben Sie schätzungsweise schon gelesen?

Heidenreich: Ich habe nicht die geringste Ahnung, sowas zählt man doch nicht!

Wie groß ist die Bücher-Warteliste?

Heidenreich: Oh, da liegt immer ein Stapel, neues und altes, einiges muss aktuell sein, aber auf Spiegel online bespreche ich ja zum Beispiel immer wieder auch ältere Bücher. Heutzutage gerät alles, was nicht sofort beachtet wird, zu schnell in Vergessenheit, da steuere ich ein wenig dagegen.

Haben Sie ein „Buch der Bücher“?

Heidenreich: Definitiv nein, weil es mit den Jahren ja immer andere Vorlieben gibt. Aber Gedichtanthologien wie "Der große Conrady" sind immer dabei.

Was gab den Anstoß, selber zu schreiben – und wie viele Bücher gibt es inzwischen von Ihnen?

Heidenreich: Aus der Freude am Lesen kommt oft auch die Lust am Schreiben, und inzwischen bin ich, glaube ich, bei Nummer 35, das wäre mein neues Buch "Ihr glücklichen Augen". Darunter sind aber auch sehr viele Sachbücher.

Woher kommt eigentlich der Begriff Bücherwurm – und sehen Sie sich als einen solchen?

Heidenreich: Der Bücherwurm ist ein Käfer, der sich durch trockenes altes Papier, durch Bücher frisst und sie zerstört. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist das ein Spitzname für Vielleser, aber wir zerstören ja nicht!

Welches Buch lesen Sie gerade?

Heidenreich: „Flammen“ von Volker Hagedorn, eine Musikgeschichte aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Spannend und informativ.

Was kommt pro Monat an Büchern zusammen?

Heidenreich: Wie gesagt, der wahre Leser zählt nicht. Das tun nur Angeber.

Was verbinden Sie mit Franken?

Heidenreich: Jetzt spontan aus dem Hut – gute Weine, gute Würstchen, Nürnberg, meine Freundin Marion, Albrecht Dürer, Hans Sachs und das wunderbare Deckengemälde von Tiepolo in der Würzburger Residenz.

Der ursprünglich geplante Abend in Dettelbach war schnell ausverkauft – wie sehr freut Sie so etwas?

Heidenreich: Immer schön. Darum macht man‘s ja.

Sie leben von Ihrem Sprachgefühl – wie sehr beleidigt/verstört Sie dann die Gendersprache?

Heidenreich: Ich bin selbstverständlich für jede Art von Gleichberechtigung, aber die Sprache dafür derart mit Sprechpausen, Sternchen und überflüssigen Endungen zu verhunzen, finde ich übertrieben. Ich hoffe, das legt sich wieder.

"Wer wollte denn die Welt begreifen ohne die Erzähler?"
Elke Heidenreich
Machen Sie sich Sorgen um unsere Sprache?

Heidenreich: Aber nein. Sprache lebt, entwickelt und verändert sich, und alles muss man in der eigenen Lebenszeit ja auch nicht mitmachen.

Was hätte Marcel Reich-Raniki zu all dem gesagt?

Heidenreich: Er hätte niemals gegendert.

Warum haben Bücher Zukunft?

Heidenreich: Immerhin unterstellen Sie, dass sie eine haben. Ich glaube auch fest an die Allianz Mensch-Sessel-Lampe-Buch. Wie wollen wir denn die Welt begreifen ohne die Erzähler? Nur aus dem Fernsehen? Das erträgt doch auf Dauer niemand.

Elke Heidenreich: "Männer in Kamelhaarmänteln". Lesung beim Literaturfestival MainLit, Donnerstag, 13. Oktober , 19.30 Uhr, Gut Wöllried, Rottendorf. Fast ausverkauft, eventuelle Restkarten unter www.main-lit.de oder Tel. (0931) 372398.

 
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