Am 17. November wird er 60 – doch das ist kein Grund für Hubert von Goisern, innezuhalten. Der Alpenrocker lebt für seine Musik. Am 27. Juli spielt er an der Würzburger Festung Marienberg – das Konzert ist bereits ausverkauft. Im Interview spricht der Oberösterreicher über neue musikalische Erfahrungen, sein Verhältnis zur Religion und seine Guerillas.
Hubert von Goisern: Nach meiner Europatour, die einfach an Größe und Opulenz nicht mehr zu überbieten war, wollte ich, dass das Pendel in eine andere Richtung schlägt und ich etwas wirklich Gegensätzliches, etwas ganz Intimes und Persönliches mache.
Von Goisern: Zum einen sehe ich diese Institution des Wirtshaussaales als eine bedrohte Spezies. In meiner Jugend gab es davon noch viele, und die wurden für Bauerntheater, Schützenfeste, Tänze oder Hochzeiten genutzt. Doch inzwischen sind die meisten niedergerissen oder auch in Verkaufsläden umfunktioniert worden. Und das finde ich schade. Ich wollte eine Lanze dafür brechen und darauf hinweisen, dass es diese Veranstaltungsorte überhaupt gibt. Viele Musikerkollegen jammern darüber, dass keine Auftrittsmöglichkeiten für sie existieren, denn die normalen Veranstaltungsräume mit 500 oder gar 1000 Plätzen sind zu groß. Und die Wirtshaussäle, die es noch gibt, die liegen brach. Die meisten Wirte haben auch vergessen, dass in diesen Sälen mehr als ein Leichenschmaus oder eine Hochzeit stattfinden könnte – insofern hoffe ich, etwas entstaubt und ein paar Leute auf Ideen gebracht zu haben.
Von Goisern: Ich habe jetzt meine Idealbesetzung: Bass, Gitarre, Schlagzeug und das, was ich mache. Wir sind jetzt so etwas wie eine musikalische Guerilla-Einheit – wir können uns schnell in alle Richtungen bewegen und es richtig krachen lassen.
Von Goisern: In den Wirtshäusern oder kleinen Veranstaltungsorten stellst du dich mit deiner Gitarre hin, du singst und machst Musik und gibst den Leuten die Gelegenheit, dass sie dir zuschauen bei dem, was du tust. Und auf dieses Handgemachte kommen wir jetzt ein bisserl mehr zurück, denn das Elektronische ist doch ziemlich ausgereizt.
Von Goisern: Man sieht es doch auch an den Leuten, die reüssieren: Das sind die greifbaren Menschen und nicht die anonymen Plastik-Keyboard-Klänge. Die Tendenz ist offensichtlich, und ich bin da guter Dinge, dass sich das Ganze wieder normalisiert. Wie ich es im Übrigen auch gut finde, dass der Plattenmarkt zusammengebrochen ist.
Von Goisern: Ein Tonträger kann bestenfalls eine Erinnerung an etwas sein, doch in einem Konzert passiert Musik. Und diese Vergänglichkeit der Töne, eben auch der wunderbarsten Töne, ist doch ein Teil des Zaubers – und als Musiker wie auch als Zuhörer dieses gemeinsam erlebt zu haben, das macht doch die Einzigartigkeit aus.
Von Goisern: Früher hat man eine Platte oder CD produziert und ist dann auf Tour gegangen, um sie zu promoten – heute ist es umgekehrt: Du bringst einen Tonträger raus, um deine Tour zu promoten, denn dort kann man jetzt das Geld verdienen. Und das finde ich eigentlich normal, dass man mit dem Handwerk des Spielens und Musizierens sein Geld verdient.
Von Goisern: Das ist weniger eine Religion als religiöse Geschichten, auf die ich mich da beziehe. Ich finde es ganz wichtig, dass man nicht mit einem Gefühl von Omnipotenz durchs Leben geht, sondern eine gewisse Gelassenheit mit sich trägt. Und da kommt mir der Glaube zu Hilfe – und ich habe auch keine Scheu, eine Anrufung zu machen.
Von Goisern: Der klassische Heilige ist da der Heilige Antonius, der für das Wiederfinden von Verlorenem steht. Jeder kennt die Situation, dass man etwa einen Schlüssel sucht, und der ist einfach weg. Und irgendwann musst du loslassen, musst aufhören zu suchen und dich damit abfinden – was auch eine Art von finden ist –, dass es so ist.
Von Goisern: Dann kann man einfach das Suchen dem Heiligen Antonius übergeben – und wenn es möglich ist, dann sorgt er dafür, dass du den Schlüssel findest. Einfach, weil du losgelassen hast und dein Blick offen ist für andere Stellen – denn die Dinge können sich verbergen. Letztlich ist das mehr Psychologie als Glaube, aber es hat natürlich auch etwas mit glauben zu tun.
Von Goisern: Nein. Wobei meine Lieblingsheilige die Heilige Rita ist: Die habe ich auch erst entdeckt im Zuge meiner Kompositionen und Textarbeiten, als ich mich mit diesem Thema beschäftigt habe. Sie ist zuständig, das Unmögliche möglich zu machen – und das finde ich, ist das Optimale: Also, die sollte man sich merken (lacht).
Von Goisern: Ich glaube, das ist kein Widerspruch, sondern das eine bedingt das andere. Gerade diese aktuelle Lage: Vieles ist gruselig, die ganze Finanzmarktsituation ist so etwas von prekär, und wir haben es ja in den letzten beiden Jahren erlebt, auf welcher Kippe das stand, bevor es mit Ach und Krach gerettet worden ist.
Von Goisern: Und wir sehen die Entmündigung und Entmachtung der Politik, die sich einfach schulterzuckend den wirtschaftlichen Regeln unterwerfen muss, weil die offenbar global sind und die Politik immer nur eine regionale und nationale sein kann – und in solchen Situationen ein Stück Halt zu finden, einen Glauben, das finde ich nicht verkehrt.
Von Goisern: Religionen im Allgemeinen ermöglichen uns, ein Wir-Gefühl zu entwickeln. Weg vom Ich, hin zu einem Gefühl, eingebettet zu sein in ein Kollektiv: Das ist der Hauptgrund, warum Leute sich zusammenfinden und gemeinsam auf einer Wiese zu einem weißen Punkt beten, der irgendwo weit entfernt auf einer Leinwand zu sehen ist.
Von Goisern: Im Buddhismus gibt es das Bild vom kleinen und vom großen Fahrzeug – das kleine bringt dich zum Heil und zur Erleuchtung, das große bringt alle dorthin. Dieses Bild gefällt mir: Die Religion ist das Fahrzeug, aber nicht das Ziel. Es hat keinen Sinn, die Religion anzubeten: Ich glaube an Gott, aber ganz sicher nicht an die Kirche.