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Rottendorf
Interview: Herr Bahro, wie fühlt es sich an, seit 30 Jahren den Fiesling der Nation zu spielen?
Als Bösewicht Jo Gerner ist Wolfgang Bahro Fernsehzuschauern seit Jahren ein Begriff. Wie er im wirklichen Leben tickt, kann das Publikum beim Literaturfestival MainLit am Montag live erleben.
Schauspieler Wolfgang Bahro liest am Montag, 11. Juli, beim Festival MainLit.
Foto: Harry Schnitger | Schauspieler Wolfgang Bahro liest am Montag, 11. Juli, beim Festival MainLit.
Katharina Muth
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:05 Uhr

Wolfgang Bahro verkörpert seit fast 30 Jahren den Fiesling Jo Gerner in der RTL-Vorabendserie "Gute Zeiten,  schlechte Zeiten" (GZSZ). Jetzt hat der Schauspieler aus Berlin seine Memoiren geschrieben. Am Montag, 11. Juli, um 19.30 Uhr stellt er das Buch mit dem Titel "Immer wieder Gerner" beim Literaturfestival MainLit auf Gut Wöllried in Rottendorf (Lkr. Würzburg) vor. Die Redaktion hat mit dem 61-Jährigen gesprochen.

Herr Bahro, Sie spielen jetzt seit fast drei Jahrzehnten Dr. Hans-Joachim Gerner, den Bösewicht aus der Daily Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Wie fühlt es sich an, immer der Fiesling zu sein?

Wolfgang Bahro: Im Augenblick fühlt es sich ganz nett an und ich vermisse ihn etwas. Seit er mit seiner neuen Frau verheiratet ist, mit Yvonne Bode, die von Gisa Zach gespielt wird, ist Gerner weitaus moderater geworden und von dem alten, fiesen Gerner ziemlich weit entfernt.

Ist Gerner in den letzten Jahren milder geworden oder haben einfach die Situationen zugenommen, in denen er auch mal menschliche und sympathische Züge zeigen kann?

Bahro: Menschliche Gefühle hat er schon vorher gezeigt, allerdings ist er jetzt vorsichtiger, was bestimmte Sachen angeht, weil er genau weiß, dass er mit Yvonne eine Frau hat, die ganz andere Moralvorstellungen hat.

Wie viel vom Fiesling Jo Gerner steckt denn in Wolfgang Bahro?

Bahro: Ich würde Hans-Joachim Gerner nicht als Fiesling bezeichnen. Ich würde ihn als einen bewussten und cleveren Geschäftsmann beschreiben, der sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Manchmal sind die Methoden, die er anwendet, etwas problematisch, aber ich würde nicht sagen, dass er in der Form fies ist. Er ist nicht jemand, der Spaß daran hat, Menschen zu quälen oder zu demütigen. Ich habe mich sogar einmal, als so eine Szene geschrieben wurde, wo meine damalige Lebenspartnerin gedemütigt werden sollte, geweigert, diese zu spielen, weil - wie gesagt - Gerner ist kein Sadist. Was ich mit ihm gemein habe? Außer der Kinderliebe und dem Familiensinn ist da nicht viel. Ich wünschte, ich hätte mehr von ihm, gerade was das Geschäftliche angeht und das Juristische, das würde ich auch gerne so beherrschen wie er.

"Ich glaube, er würde niemanden töten."
Wolfgang Bahro über Jo Gerner
Hat selbst der Bösewicht der Nation irgendwo eine Schmerzgrenze, was es angeht Böses zu tun?

Bahro: Ich glaube, er würde niemals jemanden töten. Er würde zulassen, dass jemand getötet wird. Das hatten wir so in der Serie schon mal. Da denkt er: Wo gehobelt wird, da fallen Späne.

Wäre Dr. Gerner eine so erfolgreiche Figur, die sich über Jahre im TV hält, wenn er nicht so böse wäre, wie er ist?

Bahro: Ich denke mal, er hat sich so lange da gehalten, weil er das alles mit einem Augenzwinkern macht. Letztendlich können die Leute immer nachvollziehen, warum er es macht. 

Welche Tat Gerners war für Sie persönlich die böseste?

Bahro: Die schlimmste Tat fand ich, als er vor Jahren seine Tochter Johanna hat entführen lassen, um seiner Lebensgefährtin - damals Katrin Flemming (Ulrike Frank) - weiszumachen, dass das Kind entführt worden ist. Die war schon ziemlich grenzwertig, diese Geschichte.

Glauben Sie an Karma und was müsste Dr. Gerner zustoßen, um alle seine Missetaten auszugleichen?

Bahro: Ich persönlich glaube nicht an Karma, aber um Gerners Missetaten wieder gutzumachen, müsste er mindestens noch einmal 30 Jahre in der Serie bleiben.

Dr. Gerner kommt in der Serie immer recht glimpflich davon. In der Realität sehe das vermutlich anders aus. Wie viele Jahre schätzen Sie, müsste Gerner hinter Gittern?

Bahro: Ein paar Rechtsanwälte haben das mal ausgerechnet und da kamen dann - glaube ich - so 200 Jahre Gefängnis raus. Aber, wer weiß? Vielleicht hat er ja noch die Möglichkeit, viel Gutes zu tun. Er ist immerhin ein einflussreicher, wohlhabender Geschäftsmann. Er hat jetzt ein Institut gegründet, das geholfen hat, eine Augenkrankheit zu heilen. Insofern ist er auf dem besten Wege wieder ein guter Mensch zu werden und seine Taten der letzten Jahre wieder gutzumachen.

Ihr Gesicht ist nach fast 30 Jahren unweigerlich mit der Serienfigur verbunden. Passiert es Ihnen auch mal, dass Menschen Ihnen eher skeptisch gegenübertreten oder gar misstrauen, weil sie in der Serie den Fiesling verkörpern?

Bahro: Nee, das ist mir noch nie passiert. Im Gegenteil! Selbst wenn sie mich für Jo Gerner persönlich halten, dann sind sie mir gegenüber nicht skeptisch oder zurückhaltend, dann kommen sie eher her und begrüßen mich, wie jemanden, den man tagtäglich trifft, wie einen Nachbarn. Auch Bundespräsident Steinmeier begrüßte mich einmal ganz überschwänglich auf einem Empfang und unterhielt sich freundlich mit mir und ich merkte: Der weiß überhaupt nicht, wer ich bin! Und als wir uns dann mal im jüdischen Theater getroffen haben, meinte er: "Meine Tochter guckt immer die Serie." Deshalb kam ich ihm so bekannt vor.

Sind Sie auch schon mal offen angefeindet worden, weil Dr. Gerner etwas gemacht hat, was den Zuschauerinnen und Zuschauern nicht gefallen hat?

Bahro: Nee. Aber mich haben öfter mal ältere Damen angesprochen, die dann sagten: "Herr Dr. Gerner, was Sie da mit der Katrin Flemming machen - können Sie nicht ein bisschen netter zu ihr sein?" Sowas. Aber das war wirklich das Äußerste. Ansonsten waren die Leute eher positiv.

"Pass mal auf Teufel, eine Hand wäscht die andere."
Wolfgang Bahro über Jo Gerner in der Hölle
Kommt Jo Gerner nach seinem Ableben in die Hölle oder hat dann der Teufel Angst um seinen Posten?

Bahro: Sollte es so etwas wie die Hölle geben, dann könnte ich mir vorstellen, dass Gerner als cleverer Geschäftsmann sagt: "Pass mal auf, Teufel, eine Hand wäscht die andere. Ich gebe dir ein paar Tipps, wie du trotz mieser Sachen, die du machen willst, doch noch die Oberhand gewinnst und dafür muss ich nicht im Höllenfeuer schmoren, sondern kann mir den Champagner reinziehen." Auf jeden Fall wird Jo Gerner, beziehungsweise werde ich demnächst auch wirklich in "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal den Teufel geben.

Karten für die Lesung mit Wolfgang Bahro gibt es unter www.main-lit.de und bei den bekannten Vorverkaufsstellen.

 
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