Steven Spielberg (69) ist – nach Einspielergebnis – der erfolgreichste Film-Regisseur. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören „Der weiße Hai“, „E.T.“ „Schindlers Liste“ und die „Indiana Jones“-Reihe. Jetzt kommt „BFG“ in die Kinos.
Steven Spielberg: Als kleiner Junge hatte ich andauernd furchterregende Alpträume. Meine Eltern waren ratlos, was sie mit mir anstellen sollten. Sie brachten mich zum Arzt, der auch nicht wusste, wieso ich nachts schreiend aus dem Schlaf hochschreckte. Die einzig guten Träume waren die vom Fliegen. Aber sonst hat mich meine Fantasie verroht, ich konnte sie nicht kontrollieren. Es war nicht so, dass ich schizophren gewesen wäre, sondern meine Fantasie war so extrem ausgeprägt.
Spielberg: Meine Fantasie arbeitet immer noch auf Hochtouren! Nur habe ich zum Glück keine Alpträume mehr.
Spielberg: Als Kind war Walt Disney meine Inspiration. Damals kam gerade das Fernsehen auf, und meine Eltern hatten etwas dagegen, dass ich mir dort Programme wie die Polizeiserie „Dragnet“ ansah und schickten mich stattdessen in Disney-Filme. Was sie nicht ahnten, war, dass es in Disneys Animationsfilmen viel mehr Horror und Drama und Angst gab als in jeder Episode „Dragnet“. Meine Eltern haben mich zu Disney gebracht, und ich wurde traumatisiert. Zugleich wurde ich davon aber auch verzaubert und erleuchtet.
Spielberg: Ja, unbedingt! Ich glaube, es ist manchmal sehr gut, sich in einem Märchen zu verlieren, denn dafür sind Filme ja gemacht: Um eine Pause von der realen Welt zu haben. Um darin vielleicht eine neue Sicht auf die Welt zu finden, aus dem Kino zu kommen und eine geschärfte Vorstellungskraft zu haben. Und auch die Hoffnung gefunden zu haben, dass man seine eigenen Träume verwirklichen kann. Das kann einem in der heutigen Welt nicht schaden.
Spielberg: Zynismus. Er macht mir am meisten Angst. Ich meine damit den Zynismus im Sinne einer Infragestellung des anderen, nur weil man selbst dessen Motive nicht verstehen kann und ihn daher heruntermacht. Ich weiß schon, dass das vielleicht im Vergleich zu den großen Ängsten unserer Zeit, sei es Terrorismus, seien es Flüchtlingsbewegungen und all die sozialen Probleme, nach nicht viel klingt, aber für mich ist der Zynismus am Ende doch derjenige Faktor, der all diese Probleme nährt.
Spielberg: Das ist eine sehr gute Frage. Ich muss sagen, ich habe keinerlei Plan, was meine Karriere betrifft. Ich setze keine bewussten Kontrapunkte zu dem, was ich zuletzt gemacht habe. Ich treffe meine Entscheidungen nicht nach dem Motto: Zuerst einen Film für die ganze Familie, danach einen für eine bessere Gesellschaft. Alles, was ich für die Gesellschaft mache, das mache ich privat zusammen mit meiner Frau. Aber in meiner Kunst suche ich nicht nach einer Balance.
Sondern da geht es nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Was immer für eine Geschichte mir auf die Schultern klopft und zu mir sagt: Wie schlecht würdest du dich fühlen, wenn du mich nicht erzählst? Und dann erzähle ich sie.
Spielberg: Ja, das war wirklich hart. Das war schrecklich und fühlte sich wie ein Peitschenhieb an. Die Resultate waren großartig, aber der Weg dorthin war schwierig. Ich hatte sehr viel Herz in „Jurassic Park“ gesteckt, und als ich danach „Schindlers Liste“ drehte, konnte ich nicht einmal an die Saurier denken, musste aber tagtäglich digitale Dinosaurier zusammenschneiden. Und weil damals noch nie jemand einen Film gemacht hatte, in dem die Stars digital kreiert wurden, musste ich darauf besonders genaues Augenmerk legen.
Ich brauchte jeden Abend eine Stunde, um runterzukommen – und ich bin niemand, der meditiert oder so – aber ich musste wirklich eine Stunde rasten, um nicht zornig auf diese unschuldigen Mitarbeiter von ILM zu werden, die die Dinosaurier entwarfen und die auf mein Feedback und die Abnahme warteten. Zum ersten Mal in meinem Leben geriet ich in einen Zwiespalt. Ich musste mich um Dinosaurier kümmern, die mir plötzlich nichts mehr bedeuteten, während mir die Geschichte von „Schindlers Liste“ plötzlich alles in meinem Leben bedeutete. Ich musste beides unter einen Hut bekommen, und das Ganze mit dem Antlitz eines Gentleman. Es war hart, aber wir sind da durchgekommen.
Spielberg: Das Geheimnis ist, dass ich Kinder am Set nicht von oben herab behandle, sondern auf Augenhöhe. Ich nehme sie als vollwertige Menschen ernst. Ich erinnere mich an die Dreharbeiten zu „E.
T.“ (1982), als mir meine Drehbuchautorin Melissa Mathison zuflüsterte, ich solle mit Drew Barrymore nicht stehend sprechen, sondern mich zu ihr niederknien, um auf ihrem Körperniveau mit ihr zu sprechen. Diesen Ratschlag befolge ich seither immer wieder, wenn ich mit Kindern drehe. Alles muss auf einem Level stattfinden. Kinder wollen außerdem ohnehin nie wie Kinder behandelt werden, sondern wünschen sich nichts mehr, als endlich erwachsen zu sein, was man als Eltern ja überhaupt nicht will. Man muss Kinder respektieren und ihnen zuhören, denn sie haben großartige Ideen.
Spielberg: Zu wissen, wann es genug ist. Also wann man eine Szene im Kasten hat, wann sie von der geschriebenen Vorlage zum Leben erweckt wurde. Dann braucht es keine weitere Einstellung mehr zur Sicherheit. Das habe ich über die Jahrzehnte gelernt. Als ich jünger war, drehte ich oft 30 Takes von einem einzigen Close-up und saß dann etwas ratlos im Schneideraum. Heute bin ich viel effizienter geworden und gehe zur nächsten Szene, wenn ich spüre, dass ich habe, was ich brauche.
Spielberg: Meine Sekretärin gab mir damals diese Kurzgeschichte von Richard Matheson mit dem Titel „Duel“, die im „Playboy“ erschienen ist. Sie meinte, ich sollte mich darum bemühen, diesen Stoff zu verfilmen. Ich hatte damals gerade eine Folge von „Columbo“ mit Peter Falk gedreht und schnitt sie möglichst rasch zusammen, um damit bei einem Produzenten vorzusprechen, der mir daraufhin den Job gab. Für mich war der Film ein einzigartiger, unheimlicher Plot, sehr in der Tradition von Alfred Hitchcock. Ich dachte nicht, dass dieser Film für mich ein Karriere-Katapult werden würde. Aber „Duel“ eröffnete mir die Möglichkeit, meine Karriere als Kinofilmregisseur zu beginnen, denn davor hatte ich vier Jahre lang Fernsehen gemacht.