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SCHWEINFURT
Interview: Der Tatort-Kommissar mit der Fliege
Karl-Heinz von Hassel: Bekannt ist er vor allem als „Tatort“-Fahnder Brinkmann. Doch die Karriere des Schauspielers, der auch ein Vollblut-Theatermann ist, ist breit gefächert. Jetzt kommt er nach Schweinfurt.
Markenzeichen Fliege: „Eigentlich war das sogar eine Komikerfigur“, sagt Karl-Heinz von Hassel über seinen „Tatort“-Kommissar Brinkmann.
Foto: WDR, Krause-Burger / Horst Ossinger, dpa | Markenzeichen Fliege: „Eigentlich war das sogar eine Komikerfigur“, sagt Karl-Heinz von Hassel über seinen „Tatort“-Kommissar Brinkmann.
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 21.12.2015 13:54 Uhr
frage: Ihre Karriere dauert schon mehr als 50 Jahre. Sie haben große Rollen im Theater gespielt, haben mit Fassbinder Filme gedreht. Dennoch identifizieren Sie die meisten Leute mit dem „Tatort“-Kommissar Brinkmann. Stört Sie das?

Von Hassel: Nein. Ich würde es auch nicht identifizieren nennen. Aber die Menschen, die mir auf der Straße begegnen oder am Bahnhof, kennen mich schon noch – obwohl ich den Brinkmann seit über 13 Jahren nicht mehr spiele. Die Zuschauer haben die Figur gemocht. Das merke ich an den Reaktionen. Vielleicht wird sie heute sogar positiver wahrgenommen als damals, als ich noch auf Kritiken guckte. Da wurde ich als arg steif, sogar humorlos skizziert. Aber das war gar nicht so.

Das Steife war ja Teil der Rolle.

Von Hassel: Ja, klar, das war eine Figur! Eigentlich war das sogar eine Komikerfigur. Ein ähnliches Kostüm gab's auch schon in Hitchcocks „Bei Anruf Mord“. Ich hab' das ein bisschen verwendet. Wir haben die Anzüge ein bisschen größer gemacht und das Ganze ein wenig lockerer genommen. Im Grunde war es ein Kostüm wie am Theater.

Und immer mit Fliege. Die ist fast legendär.

Von Hassel: Klar. Die Fliege hat ja mehrere Bedeutungen. Man kann an einen Kellner denken oder einen Diener. Die Diener im Bundestag haben heute immer noch Fliege, glaube ich. Ein Polizist ist ja auch ein Diener – und zwar an der Gesellschaft, nicht?

Es hat sich viel getan. In Ihrer „Tatort“-Zeit gab es eine überschaubare Zahl an Kommissaren, Jetzt ist es nahezu unübersichtlich geworden.

Von Hassel: Offen gesagt: Ich hab' da große Lücken. Was ich zu kritisieren habe – ohne dass ich jetzt ein konkretes Beispiel wüsste – ist oft die Durchschaubarkeit der Fälle. Da wird eine Art Bildgeschichte erzählt oder eine andere interessante Geschichte. Ich frage mich dann, ob das etwa neue Dramaturgie ist. Jedenfalls finde ich manches dann nicht so unterhaltsam.

Sie gucken also schon ab und zu eine Folge?

Von Hassel: Klar. So neugierig bin ich schon.

Verlassen wir den „Tatort“. Gibt es eine Rolle, die Sie unbedingt noch spielen möchten?

Von Hassel: Jede Rolle, die vor einem liegt, spielt man gerne und beißt sich dran die Zähne aus. Die Figur unterwandert einem die Träume. Welche Rolle das ist, ist mir ziemlich egal. Es ist mir auch egal, ob es eine große ist oder eine kleinere. Manche Figur kann man besser spielen, manche schlechter. Es gibt keinen Schauspieler, der absichtlich schlecht ist.

Das will ich doch hoffen!

Von Hassel: Man braucht auch Glück bei einer Figur. Manchmal glückt eben was nicht. Ist mir auch schon passiert.

Bisher hat noch jeder Schauspieler, den ich danach gefragt habe, ähnlich wie Sie geantwortet: „Die nächste Rolle ist immer die beste.“

Von Hassel: Das ist auch so. Das ist keine Ausrede. Klar, wenn Sie auf mein Geburtsdatum gucken, könnte ich sagen, ich würde gerne König Lear spielen. Aber es gibt doch auch so viele neue Stücke! Für einen Theatermenschen geht's darum, Theater zu spielen.

Sie werden in Schweinfurt in der Komödie „Golden Girls“ zu sehen sein. Da geht's ums Alter. Ist Ironie eine gute Möglichkeit, damit umzugehen?

Von Hassel: Es ist im Grunde eine Wohngemeinschaft für Alte, aber davon wird nicht geredet. Geredet wird von Vergangenheit, von Macken, die die Figuren immer noch haben. Das Stück war ja ursprünglich eine Fernsehserie. Die Autoren haben für die Bühne den Text aus vielen Folgen zusammengesucht – und das haben sie sehr klug gemacht. Die Figuren charakterisieren sich gegenseitig. Das scheint die Zuschauer zu amüsieren. Es kommt alles leicht daher, ohne oberflächlich zu sein. Die Kolleginnen spielen das auch wunderbar differenziert. Es macht Spaß, ihnen zuzuhören, während man auf den Auftritt wartet.Es gibt kleine Bösartigkeiten, kleine Spitzen, aber im Grunde alles mit einer gewissen Sympathie. Großartige soziale Probleme kommen nicht vor. Man kann sich da aber leicht vertun, wenn man das als Schauspieler nicht ernst nimmt und glaubt, das sei schnell abgeliefert. Das ist es nicht.

Ich glaube, dass es generell nicht leicht ist, gut Komödie zu spielen.

Von Hassel: Das ist wahr. Es ist schwierig. Ich hatte Nachholbedarf für das, was leichter daherkommt – körperlich, wie dialogisch. Für mich war es eine große Bereicherung, dass ich Helmuth Fuschl kennengelernt habe. Mit dem habe ich in den letzten zehn Jahren schon mehrere Inszenierungen gespielt, er hat auch die „Golden Girls“ inszeniert. Wir beide – er ist Österreicher, ich Hamburger – sind da bisher gemeinsam eine Strecke gegangen, die für uns beide sehr schön gewesen ist.

Sie sind sechs Wochen mit „Golden Girls“ auf Tour. Eine Herausforderung?

Von Hassel: Eigentlich nicht. An manchen Tagen ist es anstrengend, weil man 300, 400 Kilometer überbrücken muss. Aber durch die Vorstellung und durch die Zuschauer vergisst man das sofort. Es ist ein bisschen so wie Zirkus. Von einer Stadt in die andere. Und das ist wunderbar.

Immer wieder eine andere Bühne, auf der Sie sich womöglich anders bewegen müssen . . .

Von Hassel: Ja, schon. Aber erstens hat man das ja schon ein paar Mal erlebt. Zweitens sind kleine Änderungen ja gerade das Reizvolle am Theaterspielen: Nichts ist standardisiert. Ich erinnere mich noch an den Tag, als wir die Premiere von „Lilli Marlen“ hatten, das ist schon 30 Jahre her. Da hat mir Peter Zadek auf die Schulter geklopft und gesagt hat, er fand das „tooolll“ – er hat immer so ein rollendes „toll“ gesagt. An diesem Abend hab' ich mich entschieden, nicht mehr zu saufen. Geraucht hatte ich da schon seit zehn Jahren nicht mehr. Ich wollte vermeiden, was mir organisch schadet. Denn eine vernünftige Ernährung und eine vernünftige Lebensweise braucht man für diesen Beruf. Man könnte das auch ganz altmodisch sagen: Ein bisschen Disziplin ist nicht schlecht. Jedenfalls: Solange mein Gehirn das alles mitmacht und solange ich das koordinieren kann, werd' ich Theater spielen.

Karl-Heinz von Hassel

Der Hamburger, geboren am 8. Februar 1939, absolvierte eine Kaufmannsausbildung und nahm gleichzeitig Schauspielunterricht. Theaterengagements folgten, seit 1966 ist Karl-Heinz von Hassel im Fernsehen präsent. Unter der Regie von Rainer Werner Fassbinder wirkte er in Kinofilmen mit.

Als Kommissar Brinkmann ermittelte von Hassel zwischen 1985 und 2001 in Frankfurt. Insgesamt spielte er den „Tatort“-Fahnder mit der Fliege 28 Mal.

In Schweinfurt ist von Hassel am 3. März in der Komödie „Golden Girls“ unter anderem neben Anita Kupsch und Victoria Brahms zu sehen. Die Vorstellung ist ausverkauft.

Golden Girls: Karl-Heinz von Hassel mit Viktoria Brams (links) und Anita Kupsch.
| Golden Girls: Karl-Heinz von Hassel mit Viktoria Brams (links) und Anita Kupsch.
 
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