Malweiber wurden sie verächtlich genannt. Sie galten als Dilettantinnen. Frauen hatten um 1900 in der bildenden Kunst einen schweren Stand, eine professionelle Ausbildung an einer Akademie wurde ihnen damals noch verwehrt – selbst wenn die Begabung offensichtlich war. Wer als Frau dennoch mitmischen wollte in einer von Männern dominierten Welt, musste sein Glück in privaten Malschulen und Künstlerinnenvereinigungen oder später in den neuen Kunstgewerbeschulen versuchen – in der Hoffnung, von dort aus die Aufmerksamkeit auf sich und seine Arbeiten zu lenken.
Einige mutige Kunsthändler und Galeristen wagten es allerdings, Werke von Frauen der Öffentlichkeit vorzustellen. Und die Berliner Secession konnte schon aus ihrer ureigensten Auffassung heraus Frauen den Beitritt und die Möglichkeit, auszustellen, eigentlich nicht verwehren. Es schafften jedoch auch in dieser Künstlergruppe, die gegen den starren und konservativ ausgerichteten Akademiebetrieb rebellierte, nur wenige. Das Museum „Schlösschen im Hofgarten“ in Wertheim widmet sich seit vielen Jahren der Kunst der Berliner Secession (siehe graue Infobox rechts), der Kunst von Max Liebermann, Walter Leistikow, Max Slevogt, Franz Scarbina, Lesser Ury oder Otto Modersohn. In der aktuellen Sonderausstellung „Sie sind keine Randnotiz!“ rücken nun erstmals „Käthe Kollwitz und ihre Kolleginnen in der Berliner Secession“ – so der Untertitel der spannenden Schau – in den Blickpunkt.
Gezeigt werden neben Arbeiten von Kollwitz die von weiteren acht, heute eher unbekannteren Künstlerinnen, die bei den großen Ausstellungen der Künstlergruppe vertreten waren: Dora Hitz, Sabine Lepsius, Julie Wolfthorn, Ernestine Schultze-Naumburg, Clara Siewert, Maria Slavona, Hedwig Weiss und Charlotte Berend(-Corinth). Die Begrenzung der Wertheimer Präsentation auf den Zeitraum von 1898 bis 1913 orientiert sich an der Ära Liebermanns von seiner Zeit als erster Präsident der Berliner Secession bis zu seinem Austritt.
Käthe Kollwitz (1867 – 1945) ist eine der wenigen berühmten Ausnahmen. Sie war bereits zu Lebzeiten als Künstlerin anerkannt. Früh wurde sie von ihrem Vater gefördert. Er war ungewöhnlich aufgeschlossen für eine künstlerische Laufbahn seiner Tochter, deshalb war seine Enttäuschung groß, als sie sich früh verlobte. Eine Eheschließung bedeutete das Aus. Das Leben als Ehefrau und Mutter galt als unvereinbar mit dem einer Künstlerin. „Du hast nun gewählt. Beides wirst du schwerlich vereinigen können. So sei das, was du gewählt hast, ganz!“
An diese Worte ihres Vaters erinnerte sich Kollwitz noch Jahre später. Sie hatte es dennoch geschafft, nicht als Malerin, sondern vor allem wegen ihrer sozialkritischen Grafiken. 1989 feierte sie mit ihren Radierungen aus dem Zyklus „Die Weber“ auf der traditionellen „Großen Berliner Kunstausstellung“ einen ersten Erfolg. Max Liebermann forderte für sie die „Goldene Medaille“. Kaiser Wilhelm II., für den die modernen Strömungen „Rinnsteinkunst“ waren, verweigerte Kollwitz jedoch die Auszeichnung. Geschadet hat es ihr in ihren Kreisen nicht.
Charlotte Berend (1880 – 1967) nutzte es nur wenig, mit einem als fortschrittlich geltenden Maler verheiratet zu sein. Lovis Corinth, ihr Lehrer und über 20 Jahre älter als Charlotte, erwartete von ihr, dass sie sich ihm unterordnete, als Ehefrau und als Künstlerin. Gönnerhaft soll er sie aufgefordert haben, doch ein Werk bei der Secession einzureichen. Ein Stillleben schlug er vor. „Also Damen-Malerei“, dachte seine Frau und hielt das Gespräch in ihren Erinnerungen „Mein Leben mit Lovis Corinth“ fest. Sein Verdienst war es, ihr zu erläutern, dass ein Stillleben keine Damen-Malerei zu sein hätte, wenn es gut gelungen sei. 1906 reichte sie ein heute verschollenes Gemälde mit einem Motiv ein, das sie tagtäglich beschäftigte: „Mütterlichkeit“ beziehungsweise „Die Mütter“ hieß es. Corinth berichtete ihr von den Reaktionen. „Hast kolossalen Erfolg bei der Jury. Slevogt ist weg davon. Liebermann auch, jetzt weiß er es auch. Also hurrah.“ Berend konnte weitere Bilder bei der Berliner Secession zeigen, die Versorgung der Kinder und ihres Mannes hinderten sie jedoch häufig am Malen. Letztlich musste sie sich ein Leben lang immer wieder neu motivieren.
Sabine Graef (1864 – 1942) wollte Künstlerin sein, keine Ehefrau. Sie heiratete dennoch und bekam vier Kinder. In einem trügerischen Anflug von Unabhängigkeit versprach sie ihrem künftigen Mann, dem Maler Reinhold Lepsius, vor der Hochzeit, für den Unterhalt der Familie zu sorgen und ihm den Rücken frei zu halten.
Sie war überzeugt davon, dass ihr dieses Kunststück mit ihrer Kunst gelingen würde. Es kostete sie viel Kraft und forderte von ihr etliche Entbehrungen. Jahre später schrieb Sabine Lepsius resigniert in ihr Tagebuch: „Ich war nur zum Geldverdienen auf der Welt. Schade um meine Gaben.“ Sie starb am 22. November 1942, nach jüngsten Erkenntnissen in Würzburg.
Das „Schlösschen im Hofgarten“ in Wertheim zeigt bis 4. November „Käthe Kollwitz und ihre Kolleginnen in der Berliner Secession“. Geöffnet Mi. bis Sa. 14 - 17, So. und Feiertag 12 - 18 Uhr. www.schloesschen-wertheim.de
Berliner Secession
Die Vereinigung Berliner Secession wurde am 2. Mai 1898 von Künstlern aus Protest gegen die von Kaiser Wilhelm II. propagierte Kunstauffassung sowie gegen den akademischen Kunstbetrieb gegründet. Der Monarch bevorzugte historisierende Monumentalkunst. Initiator der Secession (lateinisch: Abspaltung) war der Maler Walter Leistikow. Ihm schlossen sich unter anderem Künstler wie Max Liebermann und Lovis Corinth, Max Slevogt und Otto Modersohn an. Zu den Gründungsmitgliedern zählten auch vier Frauen: Dora Hitz, Julie Wolf- thorn, Sabine Lepsius und Ernestine Schutze-Naumburg. Vor der Berliner wurden in München (ab 1892) und in Wien (ab 1897) Secessionen gegründet. Beide bestehen im Gegensatz zur Berliner Gruppe bis heute. Text: cj