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SCHWEINFURT
Im Schweinfurter Theater: Ein Wiedersehen mit Walter Plathe
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 13.12.2013 17:38 Uhr

„Es gibt zu wenig neue gute Stücke“ ist meist die Antwort von Theatermachern auf die Frage nach dem Warum einer Romanbearbeitung für die Bühne. Oder, zur Einstimmung auf Berliner Sprachkunst: „Kann dit immer jut jehn?“ Autor Peter Lund hat für die Berliner Theater am Kurfürstendamm aus Hans Falladas Roman „Der eiserne Gustav“ ein tragikomisches Volkstheaterstück gemacht, vor allem, um Publikumsliebling Walter Plathe eine weitere Paraderolle zu offerieren. Plathe ist der Berliner Pferdedroschken-Unternehmer Gustav Hackendahl, der mit eisernem Willen und Sturheit einen verzweifelt-vergeblichen Kampf gegen den unaufhaltsamen Zeitwandel führt – gegen die Konkurrenz der motorisierten Taxis.

Kann eine solche Roman-Adaption gut gehen, kann man in zwei Theaterstunden den sozialkritischen Beobachtungen des in aller Zerbrechlichkeit unbestechlichen Chronisten und Seismografen Hans Fallada (1893-1947) gerecht werden?

Für Fallada-Verehrer mag das eher unbefriedigend bleiben, auch durch die wenig dramatische, arg in Richtung Boulevard und Comedy schielende Regie von Martin Woelffer. Was er der Schauspielerin Anja Pahl (ausgezeichnet als Trudi Gudde) als Lebedame Tinette zumutet, ist schlicht primitiv.

Mit eiserner Hand

Für die große Walter-Plathe-Gemeinde aber ist der Abend im Schweinfurter Theater ein willkommenes Live-Wiedersehen mit ihrem TV-Landarzt Dr. Teschner, mit ihrem „Zille“, ihrem „Schwejk“. „Ich liebe Typen, mit denen sich die Leute identifizieren können“, sagt Plathe, und so gehören dem alten Polterkopf Gustav schnell alle Sympathien. Am Schluss feiert das Publikum ihn und das sehr gute Ensemble mit Bravorufen und langem Beifall.

Erzählt wird die wahre Geschichte des Pferdedroschken-Unternehmers und Patriarchen Gustav Hackendahl (Plathe), der mit eiserner Hand nicht bloß seine Kutscher und Pferde, sondern auch seine Frau (voller Güte und Duldsamkeit Dagmar Biener) und seine Kinder Heinz (Björn Harras), Erich (Felix Maximilian) und Eva (Magdalena Steinlein) herumkommandiert und kujoniert.

Nur gesprochen wird von Sohn Otto, der bereits im Krieg ist, und von Tochter Sophie, die sich von der Familie fernhält. In ihrer Treue zum Kaiser, im Leid des Krieges und der Inflation zerbricht die Familie. Im ersten Drittel ist Plathe der tyrannische Patriarch, der seinen fast erwachsenen Sohn mit der Reitpeitsche verprügelt, seine Frau unflätig beschimpft. Doch mit der Zeit, mit den Schicksalsschlägen entwickelt er aus dieser Härte eine Nachdenklichkeit, Resignation, ja Verzweiflung, gegen die er mit aller Kraft anzukämpfen versucht.

Als all seine Kinder vor ihm geflohen sind, sitzt er allein in der leeren Wohnung: „Haut doch alle ab.“ Anrührend das Zusammentreffen von Erich und Heinz mit ihrem Vater in einer Kneipe. Mit versteinerter Miene hört sich der Alte ihre Vorwürfe an. Trotzdem bittet er den inzwischen kriminell gewordenen Erich: „Junge, komm wieder bei uns zu Hause“. In einer anderen Szene macht sich seine Frau Sorgen um ihre Kinder, starrt still vor sich hin. Plathe/Hackendahl brummelt liebevoll: „Dein Gesicht und 'ne Schrippe – und janz Berlin ist satt.“ Doch auch er muss letztlich zugeben: „Unsere Kinder sind uns gründlich misslungen.“ Ob er ahnt, warum? Die legendäre Fahrt des „Eisernen Gustav“ im September 1928 mit seinem Einspänner von Berlin nach Paris und zurück wird zwischen den Szenen als Radioreportage erzählt – Gustav Hackendahls (in Wirklichkeit hieß er Gustav Hartmann) letzter Protest gegen den Niedergang des Droschkengewerbes.

„Der eiserne Gustav“ nach Hans Fallada ist im Theater Schweinfurt noch heute, Samstag, 14.12., und morgen, Sonntag, 15.12., jeweils um 19.30 Uhr zu sehen

Karten unter Tel. (0 9721) 51 49 55.

 
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