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Im Museum Georg Schäfer: Zu schön, um wahr zu sein
Museum Georg SchäferDie neue Ausstellung „Schön und Hässlich“ zeigt Meisterwerke ebenso wie Schwulst, Kitsch und sogar Trash.
„Die Frau des Künstlers“ von Adalbert Begas, 1884. Für die Ausstellung in Schweinfurt wurde ein Troll ins Bild montiert.
Foto: Alle FOTOs (3) Museum Georg Schäfer | „Die Frau des Künstlers“ von Adalbert Begas, 1884. Für die Ausstellung in Schweinfurt wurde ein Troll ins Bild montiert.
Von unserem Redaktionsmitglied Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 30.08.2009 16:33 Uhr

Die vielleicht drastischste Definition für Kitsch hat Milan Kundera in „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ geliefert: Kitsch ist die Negation der Scheiße. Das Zitat fehlt in der neuen Ausstellung im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt. Aber es würde passen. „Schön und Hässlich“ lautet das Thema, mit besonderer Betonung auf dem und. Denn das eine ohne das andere sei nicht denkbar, sagt Museumsleiterin Sigrid Bertuleit. Also kombiniert sie „100 Meisterwerke & wunderliche Schöpfungen“, so der Untertitel, und konfrontiert den Besucher mit der unmittelbaren Nachbarschaft von Qualität, Schwulst und sogar Trash.

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Sehr schnell wird klar, wie schmal der Grenzstreifen zwischen Kunst und Kitsch sein kann, wie fließend die Übergänge zwischen schön und hässlich. Da gibt es Bilder, die schön sind, obwohl sie etwas Hässliches darstellen. Und solche, die sich so verzweifelt bemühen, schön zu sein, dass sie eigentlich schon wieder hässlich sind. Gute Bilder, die man doch ungern schön nennen würde, und nicht ganz so gute Bilder, die trotzdem irgendwie schön sind.

Die Ausstellung erteilt dem Besucher das Mandat, selbst zu entscheiden, wenn er denn möchte. Hilfestellung gibt es jede Menge, an Theorien zur Ästhetik mangelt es im 18. und 19. Jahrhundert nicht. Beispiele sind immer wieder in den Bildtexten zitiert. Hatte Rembrandt im 17. Jahrhundert noch die These vertreten, dass „in der Natur alles wundervoll ist, wenn man's nur gehörig mit intensiver Hingabe anschaut“, so hat 1754 ein William Hogarth versucht, Schönheit anhand eines ausgetüftelten Regelwerks zu objektivieren.

Hundert Jahre später sind sozusagen alle denkbaren Standpunkte im Umlauf. Klassizisten entwerfen Ideallandschaften, während ihre Intimfeinde, die Veduten-Maler, nach der Wirklichkeit malen – dies freilich auch mit einem gehören Maß an Stilisierung. Die Nazarener stellen Jesus als schönstmöglichen Menschen dar, weil sie glauben, dass sich die Seele im Aussehen eines Menschen widerspiegelt – ein Standpunkt, der nicht gerade von Menschenkenntnis kündet.

Aber es geht nicht wirklich um Realismus. Die Floskel „zu schön, um wahr zu sein“ drängt sich immer wieder auf, eben weil die Wahrheit immer wieder in einem Zuviel an Schönheit gesucht wird. Die Forderung, dass Kunst an sich und ihre Motive schön zu sein haben, hält sich dennoch bis weit ins 20. Jahrhundert, noch Max Liebermann muss sich einen „Hässlichkeitsapostel“ schimpfen lassen, weil er immer wieder Motive als bildwürdig befindet, die nicht in den Kanon der Gefälligkeit passen. Sein „Alter Lotse“ jedenfalls ist ein Bild voll Würde und Respekt. Bertuleit hat ihn direkt neben Nikolaus Gysis „Hose flickenden Junggesellen“ gehängt, ein betuliches Bild, dessen „tröstliche Alltagspoesie“ (Bildtext) nicht mehr allzu weit von röhrenden Hirschen (auch solche sind zu sehen), Zigeunerinnen, betenden Händen und kauernden Hasen entfernt ist.

Es sind die ständigen Perspektivwechsel, die den Betrachter auf Trab halten. Neben wuchtigen goldenen Stühlen und einer stämmigen Prunkschale, Leihgaben des Graf-Luxburg-Museums Schloss Aschach, konfrontiert die Ausstellung Unikate mit Massenware. Spitzwegs „Gratulant“ ist ein ernstzunehmendes Kunstwerk. Das Motiv als industriell gefertigtes Gipsrelief für übers Sofa aber ist der reine Kitsch. Kaulbachs „Musizierender Mönch“ inmitten pausbackiger, einfältiger Kinder passt da wunderbar dazu, die Hummel-Figuren nebenan erst recht.

Hans Makarts bonbonfarbener Venus haben freundlichere Kritiker vor allem dekorative Qualität attestiert. Die unfreundlichen sprechen von verharmlosender Nachahmung mythologischer Stoffe nach dem Vorbild der großen Italiener. Gleich daneben, auf goldener Konsole: Barbie. Ganz recht, die Puppe, in der Generationen fortschrittlicher Eltern das plastikgewordene rückschrittliche Frauenbild sahen. Barbie heißt übrigens mit vollem Namen Barbara Millicent Roberts. Auch dies ein kleiner Lerneffekt der Ausstellung.

Manchmal schaffen die Gegenüberstellungen verblüffende Bezüge: Troll Doll, ein Anfang der 1960er Jahre aufgetauchtes Plastikpüppchen mit bunten Haaren, entpuppt sich als Wiedergänger des Trolls in Carl Blechens „Dämonischer Landschaft“ um 1826. Troll Doll ist allerdings trotz anbiedernder Knuffigkeit kein bisschen subversiver als Barbie.

Doch es geht auch anders: Gegenüber von Adalbert Begas' in jeder Hinsicht üppigem Bildnis seiner Frau hängt Hugo von Habermanns Salome – eine hysterische Furie, der die Lust am Töten wild aus den Augen leuchtet. Überhaupt Frauenbildnisse: Natürlich muss sich die Ausstellung auch mit den Themen Schönheitsideal, Mode und Geschmack befassen. Sie tut das – im Gegensatz zu einigen Objekten – erfreulich unaufdringlich. Der Betrachter kann den sattsam bekannten Wandel von der weiblich gerundeten allegorischen Schönheit etwa aus der Feder eines Moritz von Schwind zur zeitgenössischen androgynen Katalogkreatur nachvollziehen, ohne sich belehrt zu fühlen.

Schnell wird er sich widerstreitender Gefühle bewusst. Gewohnheitsmäßig eingestellt auf erhabene Erbauung, muss er umdenken: Hier muss er selbst in Frage stellen, entscheiden, was zur Vertiefung taugt, was zur Erheiterung, was zur Befremdung.

„Die Ausfahrt“ von einem unbekannten deutschen Maler, um 1840.
| „Die Ausfahrt“ von einem unbekannten deutschen Maler, um 1840.
„Salomé“ von Hugo von Habermann, 1897.
| „Salomé“ von Hugo von Habermann, 1897.
 
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