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"Ich wollte wissen, was da abgeht"
Würzburg "Heute würde ich es nicht mehr machen." Winfried Bonengel weiß offensichtlich zu viel. Zu tief sind mittlerweile die Einblicke des 42-jährigen Regisseurs in die rechtsradikale Neonazi-Szene. An diesem Donnerstag läuft sein Film "Führer Ex" im Würzburger CC Kino an.
Von unserem Mitarbeiter Achim Schollenberger
 |  aktualisiert: 17.10.2017 19:57 Uhr
Bonengel wirkt keineswegs wie ein ängstlicher Mensch. Doch die Auseinandersetzung mit der brisanten Problematik macht eben auch vor dem Innersten eines Menschen nicht halt, und die Erfahrungen, die er bei seiner Arbeit, dem Filmemachen und durch seinen Hauptdarsteller, den Aussteiger aus der Szene, Ingo Hasselbach, gemacht hat, prägen und lassen manche Dinge rückblickend in einem anderen Licht erscheinen.

"Ich war einfach neugierig", er-zählt Winfried Bonengel bei der Präsentation seines Filmes "Führer Ex" im Würzburger CC Kino. Ich bin da in Ostberlin losmarschiert und sah die seltsamen Neonazis rumstehen. Ich wollte wissen, was da abgeht."

Doch wie kommt ein 1960 in Werneck geborener, in Schnackenwerth und Schweinfurt aufgewachsener Filmemacher nach Ostberlin? Erst mal führt Bonengels Weg zum Theologiestudium nach Würzburg. Für zwei Semester. Danach Jura, Philosophie, Romanistik, Theaterwissenschaft, ein bisschen Theater, alles mögliche in Würzburg, München und erster Zwischenstop Berlin. Am Ende ist er in Paris an der Filmhochschule. "In Deutschland bin ich ja bei allen Filmhochschulen abgelehnt worden." Von Paris geht es nach Lyon, Erfahrung sammeln als Regieassistent beim französischen Fernsehen. Zwei Jahre lang. In Berlin fällt die Mauer. Kurz danach kommt Bonengel von Paris nach Ostberlin. "Und dann sehe ich da irgendwelche junge Nazis. Ich hatte noch nie in meinem Leben Nazis gesehen. Das Thema hat mich interessiert. Ich bin einfach bei denen reinmarschiert und hab gefragt, ob ich den Ingo Hasselbach sprechen kann. Ich hatte den Namen aus der Presse gehört." Doch der will nicht so recht. "Ich hab mich dann da so rumgetrieben. Heute würde ich sowas nicht mehr machen, weil ich ein eher ängstlicher Typ bin, aber damals hatte ich keine Angst. Das haben die gemerkt, und manche haben mich sofort gehasst, weil ich ihnen erklärt habe, das es Müll ist, was sie machen." Irgendwann klappt es dann doch, Hasselbach akzeptiert ihn, erzählt, Bonengel hört zu. Es entstehen Filme zum Thema Rechtsextremismus. 1991 "Wir sind wieder da". Zwei Jahre später entschließt sich Hasselbach für den Ausstieg, verlässt die Szene. Bonengel dokumentiert "Ein Neonazi steigt aus" und sein anderer Film "Beruf Neonazi" erregt in über 32 Ländern Aufmerksamkeit.

Gemeinsam mit Hasselbach schreibt er das Buch "Die Abrechnung". "Ich war der einzige Mensch, zu dem Hasselbach Vertrauen hatte, ich hab ihn auch mit anderen Leuten zusammengebracht. Da hat er gemerkt, dass es auch eine Perspektive außerhalb der Gruppe gibt. Die war ja wie eine Sekte. Ich hab ihm eine Tür aufgemacht und er ist dann rausmarschiert."

Doch Aussteiger werden massiv bedroht. Ingo Hasselbach muss sich heute noch verstecken. Hasselbachs Mutter bekam von der rechten Szene eine Buchbombe geschickt, die nur durch Zufall nicht explodierte.

Wenn man es heute nicht mehr machen würde, warum kommt dann der Film erst jetzt? "Ich wollte ihn ja schon vor zehn Jahren machen, aber damals hatte ich kein Drehbuch und kein Geld", erzählt Winfried Bonengel. "Fünf Jahre bin ich mit dem Buch rumgerannt, aber erst jetzt ist mit Produzent Laurens Straub einer angesprungen."

Und was kommt? Winfried Bon-engel besinnt sich auf seine Wurzeln. Er steckt mittendrin in seinem neuesten Projekt. Es soll ein Schweinfurter Roadmovie werden, so a là Bonnie & Clyde.

 
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