Groß ist die erste Erleichterung beim Hören von Joseph Roths dramatisiertem Roman "Hiob" im Großen Haus des Mainfranken Theaters in Würzburg, denn keiner spricht mit Akzent. Hätte ja sein können, wäre schlimm gewesen.
So ist Sigrid Herzogs Inszenierung wenigstens nicht peinlich. Sie zeigt holzschnittartig mäßig interessante Figuren. Sie spiegelt die gesprochenen Wörter in genau entsprechenden Gesten: Wenn Vater und Tochter ein rundes Gesicht erwähnen, malen sie sich gegenseitig voreinander mehrmals Kreise in der Luft. Und wenn aus einem Brief vorgelesen wird ("Mac wird euch zehn Dollar geben"), dann überreicht Mac der Familie im selben Moment zehn Dollar.
Was die Theatermacher vielleicht bewegt hat
Diese permanente Überdeutlichkeit steigert das Schablonenhafte, zu dem auch die Sprechkultur wesentlich beiträgt: meist so unbewegt wie bei einer ersten Leseprobe. Es ist, als hätten sich die Würzburger Theatermacher gesagt: Jetzt spielen wir einmal so eindeutig, dass auch theaterferne Kreise uns verstehen und dann vielleicht öfter kommen.
Das Premierenpublikum am Samstag erklatschte sich zwei Vorhänge, bis die Technik das Saallicht anschaltete, als wolle man den Kollegen auf der Bühne bedeuten: So doll wart ihr auch nicht. Aber der Reihe nach.
Was es mit zehn Dollar auf sich hatte
Ein gottergebener, armer kleiner Tora-Lehrer im Russland des frühen 20. Jahrhunderts verweigert seinem epileptischen Sohn – auch aus religiösen Gründen – die medizinische Hilfe, will aber bei ihm bleiben, als sich die Möglichkeit zur Ausreise in die USA bietet (Macs zehn Dollar). Er lässt Menuchim, seinen Jüngsten, trotzdem im Stich, während sein Ältester in die Armee des Zaren eintritt.
In der zweiten und etwas besseren Hälfte dieses langen Abends stirbt seine Frau in Amerika vor Gram, nachdem ihr mittlerer und mit-emigrierter Sohn im Ersten Weltkrieg fiel. Die promiskuitive Tochter verfällt dem Wahnsinn.
Als Hiob schließlich der Kragen platzte
Aber: Hinter den Kulissen genas derweil Menuchim, machte als Musiker eine Welttournee und enthüllt sich in New York seinem Vater. Der hatte, echt Hiob, die meisten Angriffe des Lebens als Gottesprüfungen von sich abprallen lassen, bis es ihm kurz vor dem Finale doch reicht. Er verflucht den grausamen Gott: "Der Teufel ist gütiger als Gott." Menuchims wunderbares Erscheinen bekehrt den engstirnigen Vater wieder zum Glauben.
Das Mainfranken Theater hatte einige Schwierigkeiten zu überwinden. Joseph Roths 1930 erschienener Roman ist literarisch eher mager. Koen Tachelets Dramatisierung für Johan Simons an den Münchner Kammerspielen wirkt, als habe sich der Stückmacher zum Ziel gesetzt: Wie kann ich "Hiob" in weniger als 700 Hauptsätzen nachstellen lassen?
Blick zurück auf die Uraufführung
Zur Uraufführung 2008 ließ Simons seine Schauspieler mit einer eigenartigen Melange aus Herz und Hirn den Figuren annähern. Das rückte den gar einfachen Textaufbau, die bloße Aneinanderreihung von Lebensstationen in den Hintergrund der Aufmerksamkeit.
Man kann das in einem zweistündigen Youtube-Video nachvollziehen, muss es aber nicht, denn einen richtigen Renner konnte schon Simons nicht aus dem Stoff fabrizieren. Wie viel weniger dann erst die psychologisch desinteressierte Würzburger Regie.
Deren Hiobsfigur machte sich nie so interessant, dass man sie hätte verstehen wollen. Sie faszinierte nicht einmal durch die Enge ihrer religiösen Weltsicht. Es fiel sogar schwer, sich über sie zu ärgern.
Da ist es ein Wunder, dass den Schauspielern kein Überdruss anzumerken war. Es versuchten, ihren Rollen so viel Leben wie möglich zu geben: die Gäste Otto Kukla und Fanny Krausz, Bettina Hauenschild, Bastian Beyer, Martin Liema, Cedric von Borries, Hannes Berg, Georg Zeies und Matthias Fuchs.