Peter Ensikat mochte die vielen Rätsel in den Illustrationen seines Bruders Klaus Ensikat. Vor 20 Jahren beschrieb der Autor, Schauspieler und Kabarettist dessen faszinierende Illustrationen mit den Worten: „Ich mag die freundliche Ausführlichkeit in seinen Menschenbildern und die manchmal böse Hinterhältigkeit, die sich beim zweiten Hinsehen offenbart.“
Dieses zweite Hinsehen lohnt in der Volkacher Galerie „mari jo“ in Volkach. Dort ist die Ausstellung „Von ,Faust‘ zu ,Kain und Abel‘ – die faszinierenden Bildwelten des Illustrators Klaus Ensikat“ zu sehen. Sie findet anlässlich des 80. Geburtstags des Berliners statt.
Der Grafiker meinte bei der Eröffnung jedoch: „Meine Zeichnungen sind Reproduktionsvorlagen.“ Sie seien deshalb für Ausstellungen nicht geeignet. Glauben sollte man dem Künstler allerdings nicht.
Goethes „Osterspaziergang“
Die Galeristen Bernhard-Joseph und Ruth-Maria Weber zeigen in Kooperation mit der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, die ebenfalls in Volkach beheimatet ist, eine Auswahl aus Ensikats umfangreichen Werk. Und die emeritierte Erfurter Professorin für Literarische Erziehung/Kinder- und Jugendliteratur, Karin Richter, hat bei ihrer Einführung an die Zitate von Klaus Ensikat erinnert.
Ein Besuch der Präsentation wird zu einer Entdeckungsreise. Die filigranen, fein gestrichelten Federzeichnungen sind eine Einladung zum genauen Hinsehen. Nur dann fallen die Details ins Auge, sei es in den Illustrationen zu Goethes „Faust“ oder zu dessen Gedicht „Osterspaziergang“ (beide Kindermann Verlag) zu Erwin Strittmachers „Ponyweihnacht“ (Aufbau Verlag) oder zum Alten und Neuen Testament (Tulipan Verlag). Es sind gezeichnete Geschichten beziehungsweise in Bilder übersetzte Gedichte – und trotz der literarischen Vorlage völlig eigenständige bildkünstlerische Werke.
Klaus Ensikat begann 1951 eine Ausbildung als Gebrauchswerber (Schaufenstergestalter). Nach dem Studium an der Fachschule für Angewandte Kunst in Berlin-Schöneweide arbeitete er als Werbegrafiker bei der DEWAG, der Deutschen Werbe- und Anzeigengesellschaft, ein SED-Parteibetrieb zu DDR-Zeiten. 1965 wechselte er ins freiberufliche Künstlerdasein. Bis 2002 lehrte er an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg. 2010 wurde Klaus Ensikat mit dem Großen Preis der Volkacher Akademie ausgezeichnet – und nun mit einer Ausstellung geehrt. Sie führt das Thema „Visuelles Erzählen“ der Jahrestagung der Akademie, die in der vergangenen Woche stattfand, noch bis zum 19. Mai anschaulich fort.
Seinen Weg vom Schaufenstergestalter zum preisgekrönten Bilderbuchkünstler bezeichnete Klaus Ensikat einst gegenüber dieser Redaktion als Zufall. „Ich glaube, ich habe nichts anderes gekonnt als zeichnen.
“ Sein 2013 gestorbener Bruder Peter Ensikat hat es so formuliert: „Wer außer ihm vermag heute noch alle Hässlichkeiten dieser Welt so schön zu zeichnen, dass man arglos hinschaut und im ersten Moment ausrufen möcht: Wie schön! Und dann erst entdeckt man, was er da so hinterhältig schön gezeichnet hat.“
Die Ausstellung in der Galerie „mari jo“ in Volkach ist bis 19. Mai zu sehen: Do. bis Fr. 14 bis 18, Sa. 11 bis 17 Uhr. Internet: www.galeriemarijo.de