Als ginge es um traditionelle „Stubenmusi“, tritt das Herbert Pixner Projekt mit Ziehharmonika, Gitarre, Harfe und Kontrabass auf. Dann folgt die Überraschung: Die Band macht eine Art von Musik, die in keine Schublade passt. Emotional, fetzig, nachdenklich, irgendwo zwischen Gypsy-Jazz, Blues, Rock, Weltmusik und Volkstümlichem. Pixner, 1975 in Meran geboren, verkündete das musikalische Credo im Booklet der CD „Na und?!“: „Wir nehmen es halt etwas lockerer.“ Am 22. September kommt das Herbert Pixner Projekt ins Würzburger Congress Centrum (CCW). Die neue Scheibe „Lost Elysion“ erscheint am 27. Juli. Herbert Pixner prägt den Sound durch seine diatonische Harmonika. Er greift aber auch gerne zu Klarinette, Saxofon oder Trompete.
Na und?!
Herbert Pixner: Das ist der Titel eines unserer Alben, das jetzt, glaub' ich, sieben Jahre auf dem Buckel hat. Es ist das erste Album, bei dem Gitarrist Manuel Randi dabei war. Mittlerweile ist viel passiert und wir haben uns weiterentwickelt.
Wie weiterentwickelt: weg von der Volksmusik?
Pixner: Auf jeden Fall. Wir haben uns ja schon bei „Na und?!“ weit von der alpinen Volksmusik wegentwickelt. Wir holen uns auch weiterhin Anleihen aus der Volksmusik, haben aber mittlerweile unseren eigenen unverkennbarer Stil entwickelt.
Volksmusik
Pixner: Ein Genre, mit dem wir aufgewachsen sind und das uns natürlich zum Teil auch geprägt hat. Der Begriff Volksmusik ist leider sehr . . . (überlegt) . . . ja: sehr kommerziell ausgeschlachtet worden. Die meisten Menschen verbinden halt immer noch Volksmusik mit Hansi Hinterseer und so weiter (lacht).
Playback
Pixner: Playback gibt's bei uns nicht. Damit können wir nichts anfangen. Wir sind Handwerker, die auf der Bühne ihre Arbeit machen. Wenn mal irgendeine Fernsehstation unbedingt mit Playback arbeiten muss, dann muss man sich womöglich beugen. Aber nur ungern.
Heimat
Pixner: Das ist ein weiter Begriff. Heimat ist da, wo man zu Hause ist und sich wohlfühlt. Das kann auf der ganzen Welt sein.
Ihre Heimat
Pixner: Meine Heimat ist zur Zeit in Tirol – ich lebe in Innsbruck – und dort fühle ich mich wohl, dort habe ich meine Familie, mein Umfeld. Das ist meine Heimat. Mit allen Facetten.
Berge
Pixner: Berge sind ein sehr wichtiges Thema für mich. Ich bin in Südtirol auf einem Bergbauernhof aufgewachsen und war viele Sommer als Senner oder Hirte auf einer Alm. Das Hochgebirge hat mich sehr geprägt und spielt auch immer noch stark in die Musik rein.
Grenzenlosigkeit
Pixner: Das ist auch ein sehr dehnbarer Begriff. In gewissen Bereichen ist eine Grenze sehr hilfreich: Wo ist die Grenze zum schlechten Geschmack? Wo zu Respektlosigkeit, zu Empathielosigkeit? Hier ziehe ich schon meine Grenzen. Was physische Grenzen betrifft, mag ich's lieber offen. Bei der Musik grenze ich mich nicht gerne ab oder besser gesagt: Ich lasse mich diesbezüglich nicht gerne eingrenzen.
Notenpapier
Pixner: Hat's bei uns noch nie gegeben. Die Stücke entstehen zum Großteil am Instrument. Wenn man auf Tour ist, hat man immer wieder kleine Ideen, die man zum Beispiel aufs Handy spielen kann. Diese Ideen nehme ich dann her, wenn ich ein bisserl Zeit habe und arbeite sie aus. Bevor wir ins Studio gehen, finden wir uns für ein paar Tage zusammen und arbeiten dann auch in der Gruppe daran. Es ist meist so, dass ich schon ziemlich fertige Stücke mitbringe. Die Arrangements entstehen dann in der Gruppe.
Kann's sein, dass es dann im Studio wieder anders klingt?
Pixner: Es ist bei der Aufnahme immer anders und es klingt dann auch im Konzert immer anders. Ein Großteil der Stücke ist improvisatorisch angelegt. Dadurch wirkt es immer frisch und immer neu. Das hilft uns auch sehr, wenn wir auf Tour sind. Wir haben zuletzt um die 150 Konzerte pro Jahr gespielt – und es bleibt für uns trotzdem spannend, wenn wir auf die Bühne gehen: Wie improvisieren wir? Wie spielen wir uns die Positionen zu? Spielt man immer dasselbe runter, wird's zur Routine und es besteht die Gefahr, dass die Musik irgendwie zu einem Job wird.
Gesang
Pixner: Wir haben uns hin und wieder auch Gedanken gemacht, Texte zu schreiben. Aber unser Stil sind Instrumentalkompositionen und dabei wollen wir bleiben. Wir erzählen trotzdem Geschichten und Erlebnisse, aber wir erzählen sie mit Musik. Das Publikum kann sich dann quasi selbst den Film im Kopf dazu machen. Wir sind im heutigen Musikbusiness eine der wenigen Gruppen, die es ohne Gesang schaffen, größere Häuser zu füllen und die Leute zu berühren. Da sind wir schon a bissl stolz drauf.
Vail/Colorado
Pixner: Ah, ja (lacht). Das ist auch schon lange her. In meiner Studienzeit, über den Jahrtausendwechsel, war ich derart abgebrannt, dass ich einen Job brauchte. Zufällig hat sich ergeben, dass man in Vail einen Barmusiker brauchte. Da bin ich dann hingefahren und habe Musik gemacht. Das war eine sehr spannende, lustige Zeit. Es hat mich auch musikalisch geprägt. Ich hatte natürlich Kontakt zu anderen Musikern und wir haben dann abends in Lokalen oft Sessions gespielt. Nach dieser halbjährigen Abstinenz habe ich dann zu Hause das Studium am Konservatorium hingeschmissen. Das hat sich so entwickelt. Und wer weiß, wozu es gut war.
Musikalische Einflüsse
Pixner: Ich war viel unterwegs und habe mich allen Einflüssen geöffnet. Ich bin froh, dass ich so viele verschiedene Erfahrungen gemacht habe – sei es auf der Alm, als Handwerker oder Musikant. Und es gab natürlich auch etliche Liebesgeschichten (lacht). Ich war nie nur Musikstudent und Musiklehrer.
Diatonische Harmonika
Pixner: Zu der Zeit, als ich es mir selbst beigebracht habe – ich war da 16 – war dieses Instrument relativ uncool, und Volksmusik eigentlich eher out. Mich hat der Klang des Instruments fasziniert und auch die Einfachheit der Diatonik. Man kann zum Beispiel nicht alle Tonarten spielen. Aber mit dieser Einfachheit zurechtzukommen und die Stücke entsprechend einzurichten – gerade das reizt mich.
Multimediale Bühnenshow
Pixner: Heuer haben wir uns was ganz Besonderes einfallen lassen. Das Konzept der letzten 15 Jahre war ja eigentlich ein ganz minimalistisches. Vier Stühle auf der Bühne und sonst nichts. Aber gerade auf dem neuen Album „Lost Elysion“ sind Stücke dabei, die man wunderbar auch visuell umsetzen kann. Es wird dann teilweise die Musik zum bewegten Bild gespielt. Wir werden diese Experimente freilich nicht bei allen Stücken machen. Allerdings werden wir bei der „Electrifying-Tour“ ganz bewusst die Lichtstimmungen zu unserer Musik abstimmen. Die Säle werden ja immer größer. Man muss den Leuten in Reihe 100, die da vorne nur mehr vier Punkte sehen, auch was bieten, damit es die Eintrittskarte wert ist, sozusagen. Sonst kann man sich ja auch gleich die Playlist auf Spotify reinlegen. (lacht)
Spitfire
Pixner: Jaaa. Ich bin ein großer Oldtimer-Fan. Mein erster Oldtimer war ein Triumph Spitfire – ich besitze ihn immer noch – Diesem kleinen englischen Roadster ist das Stück gewidmet. Der läuft so dahin wie diese Musik, man hört förmlich die Ventile klappern . . . (Pixners Begeisterung kommt deutlich durch den Telefonhörer).