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Heinz Strunk und der Tod
Kultautor: Das Hamburger Multitalent tourt mal wieder durch Deutschland. Im Interview verrät Heinz Strunk, warum Rente für ihn kein Thema ist, dass er Kafka bewundert und Motivationstrainer verachtet.
Heinz Strunk: „Jeder Versuch, Dinge zu tun, die vermeintlich erfolgsträchtig sind, klappt sowieso nicht.“
Foto: dpa | Heinz Strunk: „Jeder Versuch, Dinge zu tun, die vermeintlich erfolgsträchtig sind, klappt sowieso nicht.“
rmi
 |  aktualisiert: 07.01.2016 14:54 Uhr

Heinz Strunk, kultisch verehrter Bestsellerautor („Fleisch ist mein Gemüse“), zudem Schauspieler und Musiker (Fraktus), ist nun auch Experte geworden – Experte für alles. Seine Kolumnen für das Satire-Magazin „Titanic“ sind soeben in überarbeiteter Form in dem Buch „Das Strunk-Prinzip“ erschienen. Herausgekommen ist eine überdrehte Satire auf Wirtschaftsweise, Börsengurus, Psychologen und andere Autoritäten. Mit dem daraus entstandenen Bühnenprogramm gastiert Heinz Strunk, 1962 als Mathias Halfpape in Hamburg geboren, am 24. Februar in Würzburg (Kellerperle) und am 10. März in Erlangen (E-Werk).

Frage: Herr Strunk, in Ihrer satirischen Kolumne „Das Strunk-Prinzip“ vermitteln Sie Wissen zu allen möglichen Themen. Was prädestiniert Sie zum Experten für alles?

Heinz Strunk: Das ist Lebenserfahrung, eine gute Beobachtungsgabe, überlegene Bildung und eine spezielle Sicht auf die Dinge, die außer mir in dieser Form niemand hat. Es ist tatsächlich eine spezielle Disposition meines Kopfes.

Vertrauen Sie auf Experten? Haben Sie gar schon mal auf den falschen Experten gesetzt?

Strunk: Zum Glück nicht. Ich gehöre nicht zu den armen Schweinen, die ernsthaft an diese ganze Ratgeberseuche, an Therapeuten oder Glücksformeln glauben. Die Ästhetik meines Buches ist den Büchern des furchtbaren Jürgen Höller nachempfunden. Dieser Motivationstrainer hat hier in Hamburg gerade zwei Seminare im CCH gehalten, beide waren tatsächlich ausverkauft. Ein Ticket kostete 240 Euro. Da werden einem dann diese unendlichen Banalitäten um die Ohren gehauen und so verkauft, als wäre es der Stein der Weisen. Das stammt ja alles aus Amerika. Dort behaupten die Freikirchen, jeder kann alles, wenn er nur will. Das ist eine unendlich dämliche und unzutreffende Annahme. Die Leute, die zu Jürgen Höllers Seminaren gehen, glauben, es würde auch bei ihnen zur Chefetage reichen, was es natürlich nicht tut.

Wie motivieren Sie sich selber?

Strunk: Ich halte mich an einen relativ einfachen Satz, der nicht mal von mir stammt: „Amateure warten auf Inspiration, Profis setzen sich hin und arbeiten.“ Getreu diesem Motto verfahre ich schon immer. Ob ich Erfolg hatte oder nicht, hat mich gar nicht so sehr interessiert. Jeder Versuch, Dinge zu tun, die vermeintlich erfolgsträchtig sind, klappt sowieso nicht. Was aus welchen Gründen Erfolg hat, ist bis heute ein Rätsel. Bei meinem Roman „Fleisch ist mein Gemüse“ glaubte keiner, dass solch ein abseitiges Thema mehr als ein paar tausend Leute interessiert.

Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Fan-Star-Phänomen. Wie haben Sie für den Text „Fans – zwischen Psychose und Wahn“ recherchiert?

Strunk: Gar nicht. Ich setze mich immer hin und schreibe mir ganz viele Themen auf, zu denen ich etwas machen könnte, und dann ploppt das so auf.

Von welchen Erfahrungen mit Fans können Sie berichten?

Strunk: Ich habe bisher kaum solche Erfahrungen gemacht. Ich selber vermeide den Begriff „Fan“, wenn es um mich geht. Ich spreche eher von Sympathisanten. In der Regel sind das Leute, die klüger sind als der durchschnittliche DJ-Ötzi-Fan. Die benehmen sich auch entsprechend. Das ist alles sehr auf Augenhöhe. „Fan“ passt eher zu Boybands oder zu Helene Fischer. Zu irgendwelchem Boulevard-Schranzentum. Fans sind immer sehr unkritisch und überhöhen das Objekt der Anbetung fast schon auf religiöse Art. Das finde ich zum Kotzen. Ich verstehe das schon, und Teenies soll das auch gestattet sein, aber in meinem Fall ist das Unfug. Ich habe auch schon bei diversen Leuten mitgespielt, die Fans hatten. Die stehen dann halt mit offenem Mund da und können es nicht fassen, dass man ein Mensch ist, der mit ihnen redet. Das ist so ein starkes Gefälle, das hält man kaum aus.

Gibt es Gestalten, die Sie selbst vorbehaltlos verehren?

Strunk: Es kommt immer auf den Bereich an, ich bin ja in verschiedenen Segmenten tätig. Literarisch ist das in Deutschland ganz klar Botho Strauß, international Denis Johnson, J. M. Coetzee sowie die großen nordamerikanischen Erzähler. Mein einsames, unerreichtes Vorbild ist Kafka. Was Live-Qualitäten angeht, ist mein Vorbild hier in Deutschland Helge Schneider. Es gibt für mich keinen besseren. Helge ist einfach unerreicht.

Die Heinz Strunk Show 2015 verspricht 360 Grad Entertainment. Wollen Sie jetzt den Platz von Familienunterhalter Thomas Gottschalk einnehmen?

Strunk: Familienunterhaltung ist es nicht ganz, aber unterhalten soll meine Kunst auf jeden Fall, egal, wie speziell sie ist. Die Leute, die zu meinen Veranstaltungen kommen, wissen in etwa, was sie erwartet. Ich habe ein überschaubares, aber ein sehr eingeschworenes und cooles Publikum. Das sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass der Altersdurchschnitt erfreulich niedrig ist. Das ist bei einem über 50-Jährigen ein gutes Zeichen. Zu Comedians kommen häufig Leute ab 60. Wenn mir das widerfahren würde, würde ich den Betrieb einstellen.

Ihre Vorstellung vom letzten Abschnitt des Lebens ist deprimierend: „Abgestoßen. Aussortiert. Weggesperrt. Verarmt. Krank. Unnütz.“ Was tun Sie, damit Sie selbst nicht so traurig enden?

Strunk: Was soll man da tun? Das Thema Rente spielt für jemanden wie mich gar keine Rolle. Ich würde mir natürlich wünschen, falls ich das biblische Alter von 70 Jahren erreiche, dass ich dann nicht noch arbeiten muss. Aber in meinem Lebensplan ist nicht vorgesehen, mich irgendwann zurückzuziehen. Die Regelung, von einem Tag auf den anderen aus dem Erwerbsleben gezogen zu werden, finde ich unmenschlich. Ich verfüge über ein einigermaßen gesundes Netz an sozialen Bindungen. Vor Einsamkeit habe ich gar keine Angst, vor Krankheit eigentlich auch nicht. Wenn sie kommt, dann habe ich Pech gehabt. Aber ich bin guter Dinge, dass ich relativ lange davon verschont bleiben werde. Was mir Sorgen bereiten würde, wäre ein zunehmender Bedeutungsverlust.

Im letzten Text des Buches beschäftigen Sie sich mit dem Tod. Welches Verhältnis haben Sie zum ihm?

Strunk: Ja, schwierig. Ich habe gerade ein sehr schönes Buch gelesen, „Religion ohne Gott“. Es beschäftigt sich mit dem sogenannten religiösen Atheismus. Ich glaube, es ist eine deutliche Erleichterung, wenn man glaubt, dass nach dem Tod noch etwas Besseres kommt als hier zu Lebzeiten.

Und daran glauben Sie?

Strunk: Leider nicht. Ansonsten hat Karl Lagerfeld mal gesagt, sein Lebensmotto sei „Vor mir war nichts und nach mir ist auch nichts“. Das ist subjektiv eine absolut richtige Erkenntnis.

Verstehen Sie Ihr Buch als Gesellschaftskritik?

Strunk: Nur bedingt. Da sind sicher auch ein paar satirisch überhöhte Wahrheiten drin, aber eigentlich ist das Ganze ein schöner Quatsch. Ich wollte der Sprache mal so richtig freien Lauf lassen. Die Idee, diese Kolumnen in ein Buch zu packen, ist mir erst sehr spät gekommen. Die Aufmachung suggeriert etwas ganz anderes als tatsächlich drinsteht. Es ist ja gar kein Ratgeber. Mich regt es wirklich auf, wie diese „Experten“ arme Leute ausnehmen und verarschen. Eigentlich gehört das verboten. Aber die Leute gehen ja freiwillig zu den Seminaren und lassen sich dort Binsenweisheiten um die Ohren hauen. Das sind ja bloß Kalendersprüche.

Heinz Strunk: Das Strunk-Prinzip (rororo, 240 Seiten, 12,90 Euro)

Buch-Cover.
Foto: rororo | Buch-Cover.
 
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