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MÜNCHEN
Heinrich Harrer und die Grenzen der Leistungsfähigkeit
Lebenslange Freundschaft: Heinrich Harrer und der Dalai Lama, eine Aufnahme aus dem Jahr 2002.
Foto: Tristar, RTR | Lebenslange Freundschaft: Heinrich Harrer und der Dalai Lama, eine Aufnahme aus dem Jahr 2002.
epd
 |  aktualisiert: 03.07.2012 19:45 Uhr

Als Lämmergeier über Berge und Täler gleiten, in Sekunden einen Gipfel erreichen, statt Stunden oder Tage zu klettern – das hätte sich Heinrich Harrer (1912 - 2006) als Leben nach dem Tod gut vorstellen können. Doch wahrscheinlich hätte ihm dabei bald die sportliche Herausforderung gefehlt. Die Suche nach den Grenzen der Leistungsfähigkeit, gepaart mit Entdeckungsdrang und Abenteuerlust prägten das Leben des österreichischen Extrembergsteigers, Forschungsreisenden und Autors. Vor 100 Jahren, am 6. Juli 1912, wurde er in Hüttenberg in Kärnten geboren.

Die meisten Menschen haben heute wahrscheinlich Brad Pitt vor Augen, wenn der Name Heinrich Harrer fällt: Der Hollywoodstar spielte 1997 die Hauptrolle in der Verfilmung von Harrers Erfahrungsbericht „Sieben Jahre in Tibet“. Die Zeit in dem Himalaya-Staat Ende der 1940er Jahre – damals eines der verschlossensten Länder der Welt – und seine lebenslange Freundschaft mit dem Dalai Lama haben Harrers Leben am stärksten beeinflusst.

Die berüchtigte Eiger-Nordwand

Weltberühmt wurde er schon 1938, als er mit drei weiteren Männern zum ersten Mal die berüchtigte Nordwand des Schweizer Eiger durchstieg. Schon als Jugendlicher begann Harrer in seiner Kärntner Heimat mit dem Bergsteigen und entdeckte gleichzeitig sein Interesse für die Natur. Von 1932 bis 1938 studierte er in Graz Sport und Geografie, um Lehrer zu werden. Zu dieser Zeit verdiente er sein Geld bereits als Bergführer und Skilehrer, er gehörte zu den besten Skiläufern Österreichs.

Doch durch die Lektüre zahlreicher Expeditionsberichte, vor allem des schwedischen Asienforschers Sven Hedin, reifte in ihm der Wunsch, die letzten „weißen Flecken“ auf der Weltkarte zu suchen und zu erforschen. Vor allem der Himalaya mit seinen unbestiegenen Achttausendern war zu der Zeit das Wunschziel vieler Bergsteiger. Um an einer Himalaya-Expedition teilnehmen zu können, musste Harrer aber zunächst auf sich aufmerksam machen, wie er 2002 in seiner Autobiografie „Mein Leben“ schrieb. Deshalb entschied er sich, im Juli 1938 den Durchstieg der Eiger-Nordwand zu wagen.

Zu diesem Zeitpunkt war Österreich durch den „Anschluss“ bereits Teil von Hitler-Deutschland geworden. Nach der Eiger-Bezwingung wurden Harrer und seine drei deutschen und österreichischen Kameraden von Adolf Hitler empfangen. Harrers Verhältnis zum Nationalsozialismus ist bis heute umstritten. 1997 wurde bekannt, dass er Mitglied der NSDAP, der SA und der SS gewesen war.

Er begründete dies später mit seinem Wunsch nach Handlungsfreiheit und danach, seine „alpinistischen Träume“ verwirklichen zu können: „Meine leidenschaftliche Liebe zu den Bergen hatte mich nach dem Erfolg am Eiger in die Nähe dieser unheilvollen Politik gebracht.“ Tatsächlich konnte er sich nun seinen Traum erfüllen und wurde 1939 Mitglied einer Nanga-Parbat-Expedition der Himalaya-Stiftung München. In Indien wurden die Männer vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überrascht und in ein britisches Internierungslager gebracht. Im April 1944 gelang Harrer die Flucht – weniger wegen schlechter Behandlung als wegen seines Wunsches, nach Tibet zu gelangen, diesem „geheimnisvollen Land auf dem Dach der Welt“.

Fast zwei Jahre brauchten er und der deutsche Expeditionsleiter Peter Aufschnaiter, um durch den Himalaya bis in Tibets Hauptstadt Lhasa zu kommen. Fußmärsche in über 5000 Metern Höhe, zweistellige Minusgrade – und trotzdem schrieb Harrer später über diese Zeit: „Ich genoss die Situation, das pure Abenteuer. Ich hatte das Gefühl, endlich genauso zu leben, wie ich es mir schon immer gewünscht hatte.“

1950 flüchtete Harrer aus Tibet

In Lhasa wurden die Männer aufgenommen und bekamen einen Platz in der tibetischen Gesellschaft. Aufschnaiter arbeitete als Landwirtschaftsingenieur, Harrer übersetzte Bücher und zeichnete Landkarten. Schließlich wurde er zum väterlichen Freund des Dalai Lama, für den er unter anderem ein Kino baute. Als die chinesische Armee im Oktober 1950 in Tibet einmarschierte, verließ Harrer das Land und nahm „Abschied von einem erfüllten Leben“.

1952 gelangte er zurück nach Europa, wo er zum ersten Mal seinen zwölfjährigen Sohn sah. Seine Erlebnisse hielt er in dem Buch „Sieben Jahre in Tibet“ fest, das ein Welterfolg wurde. Bis zu seinem Tod am 7. Januar 2006 unternahm Harrer gut zwei Dutzend Erstbesteigungen und Forschungsexpeditionen in Asien, Afrika und Südamerika. Den Dalai Lama traf Harrer noch mehrfach wieder, wurde sogar von ihm in seinem österreichischen Heimatort besucht.

„Sieben Jahre in Tibet“: Brad Pitt (links) spielte 1997 die Hauptrolle in der Verfilmung von Heinrich Harrers Erfahrungsbericht.
| „Sieben Jahre in Tibet“: Brad Pitt (links) spielte 1997 die Hauptrolle in der Verfilmung von Heinrich Harrers Erfahrungsbericht.
 
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