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SCHWEINFURT
Harmonie und Hölle im Museum Georg Schäfer
Museum Georg Schäfer: Dichtung und Freiheit prägten das Leben des Malers Joseph Anton Koch
Südländische Atmosphäre: Joseph Anton Koch malte Vietri am Golf von Salerno im Jahr 1795 (Aquarell- und Deckfarben über Bleistiftzeichnung).
Foto: Museum Georg Schäfer | Südländische Atmosphäre: Joseph Anton Koch malte Vietri am Golf von Salerno im Jahr 1795 (Aquarell- und Deckfarben über Bleistiftzeichnung).
Von unserem Redaktionsmitglied Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 12.03.2012 08:56 Uhr

Joseph Anton Koch muss ein faszinierender Mann gewesen sein. Man stelle sich den Sohn armer Tiroler Häuslersleute vor, der als Kind die Schafe hüten musste, wie er – seinen geliebten Dante rezitierend – durch Rom flaniert. In der italienischen Hauptstadt, in der er viele Jahre bis zu seinem Tod 1839 verbrachte, war Koch der geistvolle Mittelpunkt der Künstlerszene und verehrter Mentor für eine neue Künstlergeneration. Zwei große Themen prägten sein Schaffen: seine Liebe zur Dichtung, die für ihn die Mutter aller Künste war, und das Ideal der Freiheit, das er in der Natur, vor allem in den Schweizer Bergen, widergespiegelt sah. Eine Sonderausstellung im Schweinfurter Museum Georg Schäfer („Joseph Anton Koch in Rom, Zeichnungen aus dem Wiener Kupferstichkabinett“) zeigt 78 Zeichnungen und Radierungen: frühe und spätere Landschaften und Illustrationen zu Dantes Göttlicher Komödie sowie zu einer der bekanntesten literarischen Fälschungen, James Macphersons „Gesänge des Ossian“.

Die Ausstellung war 2011 in Wien und Rom zu sehen und wird in Schweinfurt ergänzt durch 17 Blätter aus dem Bestand des Museums Georg Schäfer. Nicht nur deswegen sieht die Wiener Kuratorin Cornelia Reiter in Schweinfurt einen idealen Ausstellungsort. Zwei Gemälde von Koch und mehrere Arbeiten seiner Schüler in der Dauerpräsentation ermöglichen interessante Vergleiche. Wie sehr Koch geschätzt wurde, zeigt ein Porträt von Johann Michael Wittmer. Kochs Schwiegersohn stellte den Schwiegervater gütig lächelnd dar. Seine Verehrung ging so weit, dass er nach Kochs Tod versuchte, am unvollendeten Dante-Zyklus weiterzuarbeiten. Die Ausstellung zeigt mehrere Beispiele. Eines führt in die Hölle – sie vor allem hat Koch interessiert –, genauer gesagt zur „Strafe der Diebe im Tal der Schlangen und Drachen“. Kochs Studie vom erbitterten Kampf der Diebe mit den übermächtigen Tieren ist impulsiv und kontrastreich. Wittmers Blatt zum selben Thema daneben bleibt blasse Nachahmung, wenn auch in technischer Perfektion.

Joseph Anton Koch kannte Dantes Epos wie kaum ein anderer. Sein Zyklus zum Inferno umfasst zwar mehr als 200 Blätter, vollenden konnte er ihn aber nicht. Das scheiterte an seiner finanzieller Situation, die Zeit seines Lebens angespannt war – trotz seiner Bekanntheit und Beliebtheit. Die Ausstellung zeigt einige der wichtigsten Blätter aus dem Zyklus, mit denen es Koch gelungen ist, den dramatischsten Moment der von Dante beschriebenen Höllenqualen herauszuarbeiten. Im 33. Gesang geht es um die Strafe für Graf Ugolino, den Hungertod. Koch zeigt den Unseligen und seine Söhne im Hungerturm in einer absoluten Ausnahmesituation. Eine Junge liegt bereits tot am Boden, die anderen winden sich im Schmerz, flehen den Vater an. Der beißt sich in seiner Verzweiflung in die eigene Hand. Kurz darauf wird er seine Kinder aufessen.

Nicht alle Blätter erschließen sich so schnell. Cornelia Reiter fordert die Besucher auf, mehrmals zu kommen. Jedes Mal könne man neue Details entdecken. Das Museum will dem Rechnung tragen und mit einer einmal gelösten Eintrittskarte mehrere Besuche ermöglichen. Museumschefin Sigrid Bertuleit denkt sogar daran, Lupen zu verteilen – was bei den kleinen Skizzen oder dichten Landschaftsaquarellen hilfreich wäre. Eines der Hauptwerke hatte Cornelia Reiter der Restauratorin des Wiener Kupferstichkabinetts geradezu abringen müssen – das Aquarell „Vietri am Golf von Salerno“ von 1795.

Koch fand in Italien, gerade in der Gegend um Rom, den Idealtyp von Landschaft. Die harmonischen Berge und Hügel, die sich windenden Wasserläufe und kleinen Städtchen sahen für ihn schon wie Kompositionen aus, denen er nur noch „etwelche Geschichten beimischen“ musste. Die Skizzen, die er von seinen Kunstwanderungen mit ins Atelier brachte, dienten ihm als Grundlage für die Aquarelle und Gemälde, in denen er seine Idee von Landschaft illustrierte. Mythologische oder religiöse Szenen sollten die Natur veredeln. Die Figuren blieben der Landschaft aber immer untergeordnet.

Koch hat das Thema Landschaft schon sehr früh entdeckt. Nach seiner Flucht aus der Stuttgarter Carlsschule 1791 – seine Ideale der Französischen Revolution vertrugen sich nicht mit den Maximen der Schule – zog er über Straßburg in die Schweiz. Die Landschaft dort faszinierte ihn, in den Wasserfällen sah er Metaphern für sein Lebensthema Freiheit. Zahlreiche Naturstudien entstanden. Auch als Koch längst in Rom lebte, griff er auf diese Motive zurück und entwarf Schweizer Gebirgslandschaften. 1839 starb Joseph Anton Koch im Alter von 71 Jahren in Rom. Die Ausstellung zeigt auch, wie sehr er Künstler wie Ferdinand Olivier oder Ludwig Richter prägte.

Joseph Anton Koch in Rom, Zeichnungen aus dem Wiener Kupferstichkabinett, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, bis 6. Mai. Di bis So 10 bis 17 Uhr, Do bis 21 Uhr.

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