Die wichtigste Botschaft beim bislang bestbesuchten Hafensommer-Konzert? Nicht der Hinweis von Sänger Marcus Wiebusch, dass man nur Lammbock, den „besten Film über Würzburg“ gucken müsse, um alles zu wissen, was man über Würzburg wissen müsse. Auch nicht der Hinweis von Bassist Reimer Bustorff, dass man sitzenbleiben oder aufstehen könne auf der Hafentreppe vor dem Kulturspeicher. „Könnt ihr machen wie ihr wollt.“ Die Band tue das ja auch: „Es gibt kein Konzept, außer, dass es kein Konzept gibt.“ Nein, die dogmatischste Botschaft von Kettcar, der undogmatischen Indie-Rock-Band aus Hamburg: „Humanismus ist nicht verhandelbar."
Gegen Homophobie, gegen die negativen Seiten der Digitalisierung - für das Menschenretten
Heiß ist’s am 39-Grad-Freitagabend . Gut 1000 ziemlich textsichere Zuhörer feiern „Kettcar“ trotzdem, erst sitzend, am Ende stehend. Denn: Humanismus ist nicht verhandelbar. Die fünf Hamburger spielen gegen Homophobie im Fußball an, singen Hymnen auf Digitalisierungverlierer. Und halten – im starken wie beklemmenden Song „Sommer `89“ – ein Plädoyer dafür, Löcher in Zäune zu schneiden und Menschen durch Grenzen zu retten.
Beklemmend auch deshalb, weil es wieder so aktuell ist. „Helfen ist Selbstverständlichkeit“, sagt Marcus Wiebusch, wohl im Wissen, dass es so sein müsste und doch nicht ist. „Wie beknackt ist es, solche Ansagen zu machen für ein Publikum, das sowieso der selben Meinung ist?“ Reimer Bustorff, vor 18 Jahren Mitbegründer von Kettcar und dem alterativen Plattenlabel „Grand Hotel von Cleef“, wird im Laufe der zwei Stunden die humanistische Botschaft auf seine Art wiederholen: „Carola Rackete – ich sage ja dazu! Es gibt noch Hoffnung!“
Kein Bock auf das Gebaren der großen Plattenfirmen
Die alternative Label hatten die Kettcar-Fahrer übrigens gegründet, weil sie sich nicht vom Gebaren großer Plattenfirmen gängeln und bei einem fertigen Ein-Strophen-Song nicht zu einem zweiten Refrain und einer zweiten Strophe zwingen lassen wollten. Die haben sie jetzt, 18 Jahre später geschrieben. „Und in 18 Jahren schreiben wir dann vielleicht einen zweiten Refrain.“
Man kann die Musik von Kettcar einfach nur wegen des entspannten Gitarren-Rocks mögen. Sinnhafter wird es, wenn man auch wegen der Texte hinhört. Falls man das Geschnodder im dichten Gitarren-Keyboard-Schlagzeug-Treiben nicht ausreichend versteht: Album kaufen und Songbook-Lesen lohnt. Bei Kettcar gibt es noch immer Stoff für Utopisten und fürs Herz. Aber jetzt eindeutiger, politischer. Mit mehr Haltung.
Bleibt die eher unpolitische Schlussbotschaft für die tanzende Menge: "Wenn du das Radio ausmachst, wird die Musik auch nicht besser". Und wenn man beim Hafensommer ins Konzert geht, wird gute Musik auch nicht schlechter.