Im Dunkeln tanzt sie über die Bühne. Weicht den Lichtkegeln der Scheinwerfer scheinbar zufällig aus. Doch eine Silbe ihres Gesangs genügt, um sie zu erkennen. Die Stimme von Judith Holofernes ist unverwechselbar.
In Cowboy-Stiefeln, Blümchenkleid und schwarzen Netzstrümpfen wippt sie beim Hafensommer-Konzert in Würzburg im Takt der Musik. Einen graublauen Hoodie hat sich die 37-Jährige übergeworfen. Uneitel. Unaufgesetzt. Unkompliziert.
So wie ihre Show. Holofernes ist gekommen, um zu singen. Kein großes Getue lenkt davon ab. Nur sie, ihre fünfköpfige Band und die Gitarre – besser gesagt die Gitarren. Drei hat sie dabei, außerdem eine Ukulele und eine Mandola. Holofernes macht Tanzmusik. Eigentlich. Beim ersten Song, „Lose Kanone“, wippen die Beine der rund 300 Gäste jedoch nur vereinzelt. „Das ist ein Tanzkonzert“, ruft sie den Menschen auf den Plastikstühlen zu. Auch wenn sie wisse, dass man manche Konzerte lieber im Sitzen höre. „Ich kann auch gut im Sitzen tanzen.“
Sitzdisco ist erlaubt. Doch viele wollen sich bewegen. Schnell füllt sich der Bereich vor der Bühne. Kinder springen wild umher. Frauen in Filztuniken tanzen neben Hipstern in Röhrenjeans und Hemd. Einzelne Wir-sind-Helden-T-Shirts blitzen in der Menge hervor.
Doch die Band, deren Sängerin Holofernes zwölf Jahre war, pausiert derzeit. Die Sängerin ist solo unterwegs, und Helden-Stücke stehen dabei nicht auf dem Programm. Stattdessen stellt Holofernes ihr aktuelles Soloalbum, „Ein leichtes Schwert“, vor. Ihrem Stil bleibt die gebürtige Berlinerin darauf treu: pointierte Texte kombiniert mit schnellem Gesang. Aber Holofernes ist reifer geworden, das merkt man ihren Texten an. Im Titel „Pechmarie“ etwa beschreibt die zweifache Mutter die Herausforderungen des Eltern-Daseins.
Daneben wagt sich Holofernes in fremde Gefilde – im wahrsten Sinne. Sie covert Songs auf – wie sollte es anders sein – Deutsch. So wird aus Lyle Lovetts „If I had a boat“ kurzerhand „Hätte ich ein Boot“. Holofernes ist Fan der deutschen Sprache. Auch wenn sie nicht dafür bekannt ist, sich in enge Formen pressen zu lassen. Die knappe Aussage Elvis Costellos „I hope you’re happy now“ heißt bei Holofernes „Ich will, dass du weißt, dass ich will, dass du glücklich bist“.
Das Spiel mit der deutschen Sprache beherrscht Holofernes perfekt. Ihre Texte sind Poesie mit einem Augenzwinkern. Witz und Wortgewalt attestiert sie im Song „John Irving“ verschiedenen Schriftstellern. Beides gilt auch für sie. Zeilen wie „Ich mach' heute nichts, das etwas nutzt“ oder „Ich gründe eine Müßig-Gang“ aus dem Lied „Nichtsnutz“ beweisen es.
Nach eineinhalb Stunden, zwei Zugaben und unzähligen Gitarrenwechseln hat Holofernes nahezu all ihre Lieder gesungen. Arm in Arm mit ihrer Band geht sie von der Bühne. Uneitel. Unaufgesetzt. Unkompliziert.