Die Geschwister Hänsel und Gretel haben kein leichtes Leben. Ihre Mutter behandelt sie ruppig, der Vater trinkt schon mal einen über den Durst und kümmert sich wenig um seine Kinder. Um so inniger sind die Geschwister füreinander da, ihre Liebe gibt ihnen einen schützenden Rahmen, der sie überleben lässt. Engelbert Humperdincks hochromantische Oper „Hänsel und Gretel“ steht bei der Jungen Oper Schloss Weikersheim in diesem Jahr auf dem Programm. Im Schlosshof gab es eine stimmungsvolle, wenn auch wetterbedingt leider nicht vollständige Premiere.
Auf den ersten Blick mutet die Inszenierung der Geschichte von Liebe und Transzendenz, von Traum und Wirklichkeit sehr realistisch an. Diamana Lateva hat ein natürliches Bühnenbild geschaffen, eine Art Dünenlandschaft aus wehenden Gräsern, die einen duftigen Hintergrund schafft. Gerade die Schlichtheit gibt der Fantasie des Zuschauers freien Raum, die unwirklichen Sequenzen fügen sich nahtlos in den Handlungsstrang ein.
Traumsequenzen
Das jugendlich frische Sängerensemble überzeugte rundweg. Tahnee Niboro nahm für sich ein mit strahlender, gut sitzender Höhe und bezauberndem Spiel. Vero Millers (Hänsel) androgyner Charme setzte dazu einen Kontrapunkt. Ula Drescher verkörperte glaubhaft die ruppige und lieblose Mutter. Präsent und überaus spielfreudig gab Yannick Debus den verantwortungslosen Vater. In einem berührenden Auftritt sang das Sandmännchen (Janina Staub) die Kinder in den Schlaf.
Geschickt ging Regisseurin Corinna Tetzel mit der Darstellung der Traumsequenzen im Stück um. Zart umschleierte Wesen gesellten sich als Gestalt gewordene Gedanken und Träume zu den realen Figuren, machten aus der Geschichte ein wahrhaftes Märchen.
Das Bundesjugendorchester in Wagnerbesetzung unter Leitung von Patrick Lange spielte hochkonzentriert, mit frischem Schwung und immer durchhörbar. So schuf es die klangliche Verbindung zwischen Traum und Wirklichkeit.
Kurz vor Ende der Traumpantomime im zweiten Akt fielen die ersten Tropfen, fluchtartig verließen die Musiker den Orchestergraben, um ihre Instrumente in Sicherheit zu bringen. Die Veranstaltungsleitung brach wegen dauerhaften Regens die Aufführung schließlich ganz ab, die entscheidenden Szenen mit Hexe und Knusperhaus blieben daher bei der Premiere ungespielt.
Bis 6. August gibt es aber noch reichlich Gelegenheit, die tolle Aufführung in voller Länge und bei hoffentlich lauen Temperaturen zu genießen.
Weitere Aufführungen: 29., 30. Juli, 1., 2., 4., 5. und 6. August