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WÜRZBURG
H.P.Lovecraft: Der Alpträumer
H. P. Lovecraft: Der Horror-Autor ist bis heute Kult. Er schrieb sich Psychosen von der Seele. Seine Schreckensszenarien treffen auch aktuelle Befindlichkeiten, meint der Filmemacher Sascha Alexander Renninger.
Stuart Gordons „Dagon“ nach Lovecraft ist beim Würzburger Filmwochenende zu sehen.
Foto: Filmaxinternational | Stuart Gordons „Dagon“ nach Lovecraft ist beim Würzburger Filmwochenende zu sehen.
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:08 Uhr

Der Vater verlor den Verstand – womöglich als Folge einer Syphilis. Die Mutter – auch sie starb, geisteskrank, in einer Klinik – fand den Knaben hässlich und steckte ihn in Mädchenkleider. Die Schule konnte der Junge zunächst nicht regelmäßig besuchen – psychische Probleme. Auch als Erwachsener fasste er nie Fuß im Leben. Die Ehe scheiterte.

Der Mann verlegt sich aufs Schreiben. Er verfasst Horrorgeschichten und fantastische Erzählungen mit Science-Fiction-Elementen. Was wie das Klischee aus einem mäßigen Künstlerroman klingt, ist die Kurzbiografie von Howard Philipps Lovecraft (1890 bis 1937), dem sein Leben, glaubt man seinen Aufzeichnungen, nicht wirklich Spaß gemacht hat: Es sei „so still, so ereignislos und so unauffällig verlaufen, dass es zu Papier gebracht, bestenfalls erbärmlich glanzlos und fade erscheinen muss“, schrieb er und betitelte das Ganze – es sind nur ein paar Blätter – mit „Einige Anmerkungen zu einer Null“.

Einfluss auf Stephen King

Dass das Leben nicht gut zu ihm war, fand der in Providence im US-Ostküstenstaat Rhode Island geborene Spross einer englischen Einwandererfamilie unfair. Er schlug auf seine Weise zurück, indem er Monster erfand und außerirdische Kreaturen, die die Menschheit plagen. Seine bekannteste Schöpfung ist Cthulhu, ein annähernd humanoides Wesen mit Flügeln auf dem Rücken und Tentakeln im Bart.

Der Durchbruch als Autor gelang H. P. Lovecraft nicht. Seine Werke – gut 60 Stück kürzere Prosa sowie Gedichte – seien in „Pulp-Magazinen veröffentlicht worden“, sagt Sebastian Goll, der zusammen mit Tanja Feuerpfeil eine Lovecraft-Retrospektive für das Würzburger Filmwochenende (siehe Kasten) zusammengestellt hat. „Pulp“ lässt sich mit „Schund“ übersetzen, was Einiges über die Wertschätzung aussagt, die Zeitgenossen dem Autor entgegenbrachten.

Heute ist H. P. Lovecraft Kult. Selbst von Edgar Allan Poe beeinflusst, sei er einer der einflussreichsten Autoren im Bereich der fantastischen und der Horrorliteratur, so Feuerpfeil. „Er hat etwa ,Psycho‘-Autor Robert Bloch beeinflusst oder Stephen King.“ Erfolgsautor Michel Houellebecq („Elementarteilchen“) stellte Lovecraft 1991 ins Zentrum seines Essays „Gegen die Welt, gegen das Leben“.

Staubkorn im Universum

Und immer wieder wird Lovecraft verfilmt. Die Retrospektive des Filmwochenendes präsentiert Lang- und Kurzfilme, die zwischen 1963 und 2017 entstanden.

Die Anziehungskraft des Lovecraft-Universums ist offenbar ungebrochen: „Es werden in den letzten Jahren sogar mehr Filme gedreht“, so Tanja Feuerpfeil. Und das Rollenspiel „Call of Cthulhu“ erfreue sich seit den 80er Jahren großer Beliebtheit, sagen Feuerpfeil und Goll, beide selbst „Cthulhu“-Spieler.

Dass Lovecrafts Geschichten noch heute „Befindlichkeiten treffen“, glaubt auch Sascha Alexander Renninger. Der 44-Jährige hat bislang zwei Erzählungen des US-Autors verfilmt, ein dritter Film soll folgen. „Lovecraft spricht Ängste an, die noch aktuell sind“, so der gebürtige Würzburger. „Lovecraft sieht den Menschen als einsames Staubkorn im Universum“, sagt Renninger. Der Autor lieferte seine Helden, die fast immer Opfer sind, bösen, oft unerklärbaren Mächten aus. Es ist fast wie bei seinem Zeitgenossen Franz Kafka – nur nicht ganz auf dessen literarischem Niveau.

Fremdenfeind und Rassist

Gefühle von Hilflosigkeit und Einsamkeit – plagen die nicht jeden mal? H. P. Lovecraft goss sie in die Form schauriger Geschichten. „Natürlich geht es dabei immer auch um den Spaß am Gruseln“, so Renninger. Lovecraft, der schon als Kind mit Homers heroischen Epen und den magischen Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“ in Berührung kam, hat mit seiner Schriftstellerei auch eigene Dämonen bekämpft. „Er ist ein sehr persönlicher Schriftsteller“, findet Renninger. „Hinter den Geschichten stecken echte, starke Ängste.“ Auch echte Alpträume, die Lovecraft in ein Heft notierte, das neben seinem Bett lag – und er hatte viel zu notieren.

Sascha Alexander Renningers Kurzfilm „Fragment 1890“, der beim Filmwochenende uraufgeführt wird, basiert auf solch einem Traum. So faszinierend das Werk sein mag – die Person Lovecraft macht Probleme: Spätestens im Schmelztiegel von New York, wo er zeitweise wohnte, wurde er zum Fremdenfeind und Rassisten, der die Schuld für seine Erfolglosigkeit bei Einwanderern suchte. Das kann man aus der labilen Psyche und den irrationalen Ängsten des Autors erklären oder aus der Zeit heraus – Rassismus war in der weißen Bevölkerung verbreitet. Entschuldigen kann man es nicht.

Filmwochenende Würzburg

Die 44. Auflage des Internationalen Filmwochenendes findet vom 25. bis 28. Januar statt. Festivalorte sind das Central auf dem Bürgerbräugelände – gut mit der Straßenbahn zu erreichen – und das fünf Minuten Fußweg entfernte Vogel Convention Center VCC. Vorgeführt werden rund 50 aktuelle Spiel- und Dokumentarfilme sowie 20 Kurzfilme von Regisseuren aus der ganzen Welt. Rund 15 Filmemacher werden zum Festival kommen.

Die Retrospektive „Magischer Glanz und bedrückende Verwerfung. Widerschein von 100 Jahren Revolution – im Kino“ zeigt das Verhältnis von Kino und Revolution in einer Filmreihe.

H. P. Lovecraft ist die zweite Sonderreihe gewidmet. Gezeigt werden vier Langfilme: „Dagon“, „The Haunted Palace – Die Folterkammer des Hexenjägers“, „Re-Animator“ und „Die Farbe“ (Regisseur Huan Vu wird den Film vorstellen). Dazu gibt es einen Kurzfilmblock, bei dem „Shadow of the Unnamable“ zu sehen ist und, als Uraufführung, „Fragment 1890“ des gebürtigen Würzburgers Sascha Alexander Renninger, der zum Festival kommen will. Eine Weltpremiere ist mit dem Film „Perfect Silence“ angekündigt. Autor und Regisseur ist Thomas Heinemann, der viele Jahre am Würzburger „Theater am Neunerplatz“ agierte und mit dem Würzburger Kabarettisten Frank-Markus Barwasser – alias Erwin Pelzig – den preisgekrönten Film „Vorne ist verdammt weit weg“ drehte. In „Perfect Silence“ geht es um die aus der gleichnamigen Comedy-Serie bekannte Figur des Angelo Sommerfeld, gespielt vom Würzburger Martin Maria Eschenbach.

Als Stargast wird die österreichische Schauspielerin Nina Proll, bekannt aus der TV-Serie „Vorstadtweiber“, erwartet. Sie spielt die Hauptrolle im Film „Anna Fucking Molnar“, der beim Festival gezeigt wird.

Sonderveranstaltungen wie eine Stummfilm-Matinee mit der Musik von Küs- pert & Kollegen oder zwei Audio-Light-Art-Shows mit Live-Musik ergänzen das Programm.

Weitere Infos: www.filmwochenende.de

„Shadow of the Unnamable“ von Sascha Alexander Renninger
Foto: Film-Ini | „Shadow of the Unnamable“ von Sascha Alexander Renninger
H. P. Lovecraft
Foto: Film-Ini | H. P. Lovecraft
 
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