Sie hatte „schon alle Funktionen im Theater außer Intendantin und Klofrau, und ich weiß nicht, was besser ist“. Am 23. Oktober 1967 feierte Gwendolyn vom Ambesser ihre erste Premiere als Schauspielerin. Es folgten in fünf Jahrzehnten sehr viele Rollen. Und seit knapp 20 Jahren ist sie „fest und ganz“ am Würzburger Privattheater Chambinzky, als Oberspielleiterin, wie sie mit etwas Ironie formuliert, weil das Haus ja doch recht klein ist.
Ihre Debüt-Rolle machte es der 1949 in München geborenen Mimin nicht eben leicht. Sie war die stumme Katrin in Bert Brechts „Mutter Courage“ am Stadttheater Aachen. Als 18-jährige Anfängerin, frisch direkt von der Schauspielschule, war sie noch empfänglich für Sticheleien: „Du machst es dir leicht, so ganz ohne Text!“, spielt sie heute gern noch einmal ihre Widersacher des Jahres 1967 nach.
Damals spielte aber auch das Düsseldorfer Schauspielensemble eine „Courage“, Ambesser las in Kritiken über die dortige Katrin und sah: Man kann ja auch als Stumme scheitern! In Aachen spielte sie noch in Jean Anouilhs „Antigone“ und im Weihnachtsmärchen, dann begannen neue Turbulenzen. Der Intendant wechselte und übernahm das Mädchen nicht, auch weil sie „ein Prominentenkind“ sei.
Das Promikind-Problem
Auf der Bühne stand sie nämlich schon mit drei Jahren, allerdings fürs Publikum unsichtbar auf der Seitenbühne. Und sie war dort lediglich abgestellt worden. Ihre Eltern hatten keinen Aufpasser für sie gefunden und mussten beide selbst spielen: Inge von Oesterreich-Ambesser und Axel von Ambesser, damals bei den Münchner Kammerspielen. Axel von Ambesser (1910 bis 1988) war einer der bekanntesten Schauspieler, Autoren und Filmregisseure der Nachkriegszeit („Kohlhiesels Töchter“).
Wenn das Würzburger Chambinzky heute „Charleys Tante“ auf den Spielplan setzt, ist das kein Griff in die Klamottenkiste, sondern lässt das Publikum einem Stück Theatergeschichte beiwohnen. Denn natürlich inszeniert Gwendolyn von Ambesser Papas Version der Komödie. Kurz: Gwendolyn von Ambesser stammt aus einem Künstlerkreis, zu dem Fröbe, Moser, Rühmann und Kollegen gehörten.
Das half ihr aber auch nicht. Weil sie in Aachen fast täglich spielen musste, fand sie lange keinen Termin, um für die nächste Spielzeit, in der sie ohne Engagement dastehen würde, vorzusprechen. Beworben hatte sie sich in Wuppertal. Als sie dann hätte anreisen können, fand die Intendanz dort, sie habe sich zu lange geziert – der Prominentenkind-Malus.
Aber der Chef des Hamburger Thalia-Theaters hatte sie mittlerweile erlebt und lud sie in den Norden. Da stellte sie die Weichen dann vollends selbst. Wie denn kurz darauf der Sprung zum Fernsehen gelungen sei, will man von der Bühnenjubilarin natürlich wissen. Und gern erzählt von Ambesser, dass sie in Hamburg bei einem Stück sehr spontan für eine erkrankte Kollegin eingesprungen sei und also plötzlich eine Doppelrolle erfüllt habe.
Das habe einer älteren Mitspielerin offenbar imponiert, und die habe sie bald auch für TV-Produktionen vorschlagen. Man kann sich vorstellen, dass von Ambesser schon als junge Frau eine ebenso patente Person abgab wie die Kollegin an ihrer Seite, Inge Meysel.
Und jetzt das Chambinzky
Außer Intendanz und Klofrau fehlten damals noch ein paar andere Rollen am Theater. Leitende Dramaturgin wurde sie später, in Wittenberg, einem Dreispartenhaus. So dass sie im Lauf ihrer Karriere also auch im Opern- und im Ballettbetrieb mitarbeitete. Aber vorher: Drehbuchautorin. Eins ihrer Bücher kam sogar in die Filmförderung, nur wollte der Regisseur Percy Adlon nicht zugreifen.
Er nahm Gwendolyn von Ambesser stattdessen als Zuarbeiterin für seinen Film „Zuckerbaby“ an seine Seite, und diese Rolle wuchs sich zur regelrechten Co-Autorschaft aus.
„Dabei habe ich viel gelernt“, blickt sie heute in ihrer antiquitätengespickten Leistenstraßenwohnung zurück. Ganz wichtige Erfahrungen hatte sie in der Zwischenzeit, den 1970er Jahren, immer wieder als Assistentin ihres Vaters gemacht, der als freischaffender Theatermacher viel für Tourneen produzierte. Regie, Bühnenbild, Kostüm – in vielen Fragen arbeiteten Vater und Tochter zusammen. So etwas bildet.
Und ihre Rolle als Promikind? „Die Leute waren immer sehr interessiert“, fasst sie zusammen. Viele hätten von der Debütantin erwartet, dass sie schon so gut spielt wie ihr Vater nach 40 Jahren Theatererfahrung. Und mit tragischen Rollen habe sie manchen überrascht: „Aber Ihr Vater war doch immer der Bonvivant“, mimt sie verblüffte Zuschauer, denen sie geantwortet habe: „Ja, und meine Mutter war Penthesilea!“ Unterm Strich findet sie: „Ich habe mich gut durchgebissen, obwohl ich immer anders als der gängige Typ war.“
Nach Würzburg kam sie über Freunde. Die spielten im Chambinzky „Omelette surprise“, ein Stück ihres Vaters. Das schaute sie sich an, Theaterleiter Rainer Binz besuchte hingegen seinerseits Inszenierungen von ihr, und aus dem Austausch wurde ein festes künstlerisches Verhältnis. Dass das fast ausschließlich auf Komödien basiert, ist für die Allrounderin eine ernste Sache: „Damit kann man den Menschen unterschwellig viel mehr klarmachen als mit einem ernsten Stück. Und grade Boulevard-Komödien erfordern mehr Präzision als Tragödien.“ Dann gibt es noch einen dritten Grund: „Außerdem ist Lachen gesund.“