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BERLIN
Guggenheim-Lab: Crepes-Eisen und ferngesteuerte Windelwechsler
Karbon und Stahl: Guggenheim Lab in Berlin.
Foto: dpa | Karbon und Stahl: Guggenheim Lab in Berlin.
dpa
 |  aktualisiert: 05.11.2015 20:43 Uhr

„Fatales Signal“, „Herber Schlag“, „Vertane Chance“ – die Aufregung war groß, als die amerikanische Guggenheim Stiftung im März ihr reisendes Forschungslabor im Berliner Szenekiez Kreuzberg aus Angst vor Gewalt absagte. Am Freitag (15. Juni) öffnet das BMW Guggenheim Lab nun mit dreiwöchiger Verspätung im ruhigeren Prenzlauer Berg. Und alles sieht danach aus, als könnte das ambitionierte Kulturprojekt in deutscher Ordentlichkeit über die Bühne gehen.

Keine Aufrufe, keine Parolen an der früheren Brauerei Pfefferberg, in deren efeuberanktem Innenhof das Labor jetzt steht. Auch die Proteste im Internet sind weitgehend verstummt. „Es scheint, als habe sich die Kritik im Sande verlaufen. Wir hoffen, dass das so bleibt“, sagt Bezirksstadtrat Torsten Kühne. Und Polizeisprecher Thomas Neuendorf versichert, man habe ein eng mit den Veranstaltern abgestimmtes Sicherheitskonzept: „Die Polizei wird das Lab schützen.“

Die Guggenheim Stiftung hat sich nach Angaben der verantwortlichen Kuratorin Maria Nicanor bewusst bemüht, die Kritiker in die Gestaltung einzubinden. „Sie haben sogar einzelne Programmpunkte mitgestaltet“, sagte die Kunsthistorikerin. „In Berlin reagiert man, stellt Fragen, diskutiert – alles, worum es im Lab gehen soll, hat in diesem Sinne schon lange vor der Eröffnung begonnen.“

Sechs Wochen lang werden in dem Labor – einer luftigen, 30 Meter langen Karbon-Stahl-Konstruktion – mehr als 100 kostenlose Veranstaltungen angeboten: Vorträge, Diskussionen und Workshops, dazu zahlreiche Exkursionen in die Stadt. „Wir wollen uns mit dem Thema Lebensqualität in Großstädten auseinandersetzen“, so Nicanor, die von einem vierköpfigen Expertenteam unterstützt wird. Die von dem Tokioter Architekturbüro Bow-Wow entworfene Konstruktion ist als „reisender Handwerkskasten“ gedacht. In der oberen Hälfte verstecken sich hinter halbtransparenter Folie herablassbare Hilfsmittel wie Beamer, Scheinwerfer, Leinwände und Vorhänge. Je nach Art der Veranstaltung wird damit die Loggia in der unteren Hälfte in einen Lesesaal, ein Theater oder ein Experimentierfeld verwandelt. Ein Arzt, ein Architekt, eine Künstlerin und eine Verkehrsplanerin bieten verschiedenste kostenlose Mitmachveranstaltungen an.

Zum Auftakt gibt es den Workshop „Marathon des Dinge-Gestaltens“, bei dem die Besucher mit vielerlei Werkzeug vom Hitzedrahtschneider bis zum 3-D-Scanner experimentieren sollen. Später können sie etwa ihren eigenen Solarröster für Kaffeebohnen basteln oder bei der „Mini-Macher-Messe“ solarbetriebene Crepes-Eisen und ferngesteuerte Windelwechsler begutachten.

Innerhalb von sechs Jahren sollen in neun Megastädten der Welt neue Konzepte für urbanes Leben entwickelt werden. Berlin ist nach New York zweite Station, Ende 2012 folgt das indische Mumbai. Freilich wehte der kritische Geist anfangs mehr, als den Organisatoren lieb war. Anwohner und Vertreter der Szene warnten vor einer ungewünschten Aufwertung des Viertels („Gentrifizierung“), die später die Mieten steigen lässt. Angeblich soll es auch Gewaltdrohungen gegeben haben. Guggenheim zog die Notbremse – und wechselte nach einem eifrigen Tauziehen hinter den Kulissen den Standort.

Eine offizielle Zeremonie soll es zum Auftakt am Freitag nicht geben. Dennoch hat sich Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), ein entschiedener Verfechter des Lab, gemeinsam mit Guggenheim-Chef Armstrong gleich für den ersten Tag zu einem Besuch angesagt. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ dämpfte dagegen die Erwartungen: „Im Grunde ist das Projekt weder über die Maßen bedeutsam noch störend, es ist eines unter vielen dieser Art, nur teurer.“

Laufzeit: 15. Juni bis 29. Juli, Öffnungszeiten: Mi/Do/Fr 14-22 Uhr, Sa/So 12-22 Uhr, Mo/Di zu, Eintritt frei.

 
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