
Am Tag des Interviews ist Günther Sigl offiziell Rock'n'Roll-Opa geworden: Um 6.35 Uhr ist sein erster Enkel zur Welt gekommen. Sigl, Frontmann der Spider Murphy Gang, erzählt das voller Stolz. Sohn Philipp, Vater des Enkelkinds, wurde 1982 geboren – in der heißesten Phase des Spiders-Erfolgs. Auch das hat Sigl davon abgehalten, den vielen Versuchungen zu erliegen, mit denen Rockstars gemeinhin zu kämpfen haben. Zur Zeit der größten Hits war der Sänger und Bassist schon 35 Jahre alt, hatte Familie, rauchte und trank nicht. Gerade ist Günther Sigl 73 geworden. Musik macht er seit über 50 Jahren, derzeit wieder mehr denn je, denn die Spider Murphy Gang hat inzwischen Fans in mehreren Generationen. Nächster Stopp in Unterfranken ist bei den Pfingst Open Airs im Gut Wöllried in Rottendorf (Lkr. Würzburg) mit einem Unplugged-Programm am 30. Mai.
Günther Sigl: Ich habe heute überlegt, wo wir damals in Würzburg gespielt haben. Aber ich bin nicht drauf gekommen, wie der Club oder die Kneipe geheißen hat. Und dann ist mir eingefallen: Irgendwas mit Seifenkistl oder so. Wie hat es denn tatsächlich geheißen?
Sigl: Ja, da haben wir dann schon in größeren Hallen gespielt. Da hat der Wahnsinn regiert, das war ein Hype, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Ich hatte schon die ganzen 70er Jahre in den Ami-Clubs im ganzen süddeutschen Raum gespielt. Wir wollten gar keine Popstars werden, Musik machen war unsere Leidenschaft. Der erste Antrieb war, damit über die zu Runden kommen, dass halt die Miete bezahlt ist. Entdeckt hat uns dann der Georg Kostya vom BR. Der hat uns gezwungen, auf bayerisch zu singen. Davor hatten wir englisch gesungen. Das war die beste Entscheidung ever – dafür müssen wir ihm immer noch ein Dankeschön nach oben schicken, er lebt ja leider nicht mehr.
Sigl: Das war schon eine schwierige Zeit. Nach den Millionenerfolgen ab 1982 – wir waren fast jeden Tag im Fernsehen. Die "Bravo" wollte jede Woche eine neue Story haben. Die Neue Deutsche Welle war am überschwappen, wir waren mit der LP "Dolce Vita" und "Skandal im Sperrbezirk" Nummer eins der Charts. Wir haben in allen großen Hallen gespielt. Die Neue Deutsche Welle ist aber dann schnell wieder verebbt, dann ist es für uns auch runtergegangen. Von "Tutti Frutti" haben wir statt einer Million bloß noch 500 000 verkauft – solche Zahlen kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Da hat das Management schon gefragt, was ist denn da los?
Sigl: Wir haben die Zeit eigentlich gut überstanden, weil wir immer eine Live-Band waren. Als die Nachfrage nicht mehr so da war, haben wir wieder in kleineren Hallen gespielt und gesagt, jetzt sind wir halt wieder eine bayerische Rock'n'Roll-Band. Mitte der 80er hatten wir die ersten Umbesetzungen, eine große Zukunft hat uns da niemand mehr vorausgesagt. Anfang der 90er kamen immer mehr Anfragen für Bierzelte, also haben wir gesagt, wenn dort das Publikum ist, dann gehen wir da hin. Es gab schon kritische Kommentare in der Presse: "Spider Murphy Gang tingelt über die Dörfer" und so. Aber wir haben unser Ding gemacht.

Sigl: Mit den Jahren ist es immer besser gegangen, wir haben wieder in Hallen gespielt, und jetzt haben wir fast die beste Zeit überhaupt. Ich habe für 2020 schon wieder 70 Konzerte im Kalender stehen. Vor zwei Jahren haben wir unser 40-jähriges Jubiläum in der zweimal ausverkauften Olympiahalle gefeiert. Seit 2002 spielen wir auch Unplugged-Konzerte, da kann man ein bisschen anders musizieren, das macht immer viel Spaß.
Sigl: Ja, das ist uns natürlich schon bewusst. Die Leute sind immer noch verrückt nach uns, das können wir manchmal gar nicht richtig begreifen, wir sind jetzt immerhin im 43. Jahr. Egal, bei welchem Anlass, die Leute kommen auf mich zu und erzählen: "Mensch, das war unsere Zeit, im Bus ins Skilager ist die Spiders-Kassette rauf und runter gelaufen." Der Song gehört auf Partys immer noch zum Standard-Programm. Man kann schon sagen, der ist jetzt bayerisches Kulturgut. Wir sind jetzt in dem Alter, wo die Auszeichnungen kommen, Bayerischer Kulturpreis und Bayerischer Verdienstorden, die Medaille "München leuchtet", da wird's dann langsam gefährlich.
Sigl: "Skandal im Sperrbezirk" bezog sich darauf, dass man damals zu den Olympischen Spielen 1972 die Schmuddellokale und Puffs aus der Innenstadt rausbringen wollte und deshalb den Sperrbezirk eingerichtet hat. Seither waren eben diese Kleinanzeigen in den Zeitungen aufgetaucht. Das habe ich ein paar Jahre später aufgegriffen. Die Telefonnummer musste sich auf "Nacht" reimen. Also war 8 am Ende klar, dann habe ich einfach verdoppelt: 16, 32. Seither ist 32 16 8 die berühmteste Telefonnummer, die aber keiner haben will. Außer vielleicht der Rosi.
Sigl: Ja. In München gab es die Nummer nicht. Wir haben schon gedacht, oh, da müssen wir aufpassen, das könnte zu Telefonterror führen. Aber wir haben natürlich nicht damit gerechnet, dass das so ein Riesenerfolg in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird. In kleineren Städten wie Augsburg, Kempten oder Landshut und später in ganz Deutschland haben Leute die Nummer natürlich gehabt. Die Jugendlichen haben sich dann einen Spaß gemacht und dort angerufen. Da haben dann ahnungslose ältere Damen plötzlich dauernd Anrufe und blöde Kommentare bekommen. Wir haben viele Schreiben von Rechtsanwälten bekommen. Wir haben Telefonänderungen bezahlt und jede Menge Blumensträuße verschickt. Das war nicht lustig, da müssen wir uns eigentlich heute noch entschuldigen. Damals waren in jeder kleineren und mittleren Stadt in den Zeitungen Berichte über die Telefonnummer und wer sie gehabt hat.
Sigl: Ja, gut, das hat die Natur inzwischen auf natürlichem Wege geregelt... Ich habe ja 1962 schon angefangen, Musik zu machen. Ich habe damals eine Banklehre gemacht und hatte eine Beatband. Da haben wir uns die Haare ein bisschen wachsen lassen, aber das war eigentlich ganz harmlos – hinten ein bisschen länger, über die Ohren und so. Da musste ich tatsächlich in der Direktion vorsprechen. Der Direktor hat gesagt: "Also Herr Sigl, mit Ihrem Haarschnitt, wenn man das überhaupt so bezeichnen kann, können wir Sie nicht am Schalter einsetzen." Dann habe ich gesagt, gut, gehe ich halt in die Registratur. Die war im Keller.
Sigl: Mir kommt es gar nicht besonders anstrengend vor, wenn ich viele Konzerte habe. Das bringt mir eher Kraft, muss ich sagen. Wir machen jetzt keine sechswöchigen Tourneen mehr, aber es kommt schon vor, dass wir dreimal die Woche spielen.
Spider Murphy Gang: Sa., 30. Mai, 20 Uhr (Einlass 18.30 Uhr), unplugged bei den Pfingst Open Airs im Gut Wöllried, Rottendorf. Karten unter Tel. (0931) 6001 6000