Die Köpfe der blutüberströmten Kinder sind bandagiert, ihre Augen sind leer, gequält durch aufgespannte Folterinstrumente: Der österreichische Maler Gottfried Helnwein schockt seit dem Beginn seiner Karriere mit blutrünstigen Bildern von gequälten menschlichen Kreaturen. Dabei ziehen sich Abbildungen von Kindern wie ein roter Faden durch seine Werke. „Ich bin immer wieder beim Kind gelandet“, sagt Helnwein. Am Dienstag, 8. Oktober, wird der Maler und Fotograf 65 Jahre alt.
Große Proteste löst der stets in schwarz gekleidete Maler mit den gewalttätigen Bildern schon länger nicht mehr aus. Der dargestellte Missbrauch und die Misshandlungen werden nicht mehr wie einst als Provokation empfunden, sondern als ein Finger-in-die-Wunden-Legen.
Er porträtierte Schock-Rocker Marilyn Manson und machte Cartoon-Figuren wie Micky Maus salonfähig. Besonders die Beschäftigung mit den Disney-Charakteren veränderte sein Leben stark: „Von Donald Duck habe ich mehr gelernt als in allen Schulen, die ich besucht habe.“
Seine eigene Kindheit im Wien der Nachkriegszeit habe er als bedrückend empfunden: „Wien war damals ein wahrhaft dunkler und schrecklicher Ort.“ Mit den ersten Comic-Heften rund um Micky Maus habe sein Leben erstmals einen Sinn gehabt: „Es war wie das Betreten eines utopischen Paradieses.“ Als Sohn eines Postbeamten wächst Helnwein in einem Arbeiterviertel auf. Er wechselt oft die Schulen und findet seinen Platz in der Gesellschaft nicht. „Mein Tagtraum war, die Schule anzuzünden und eine Revolution auszulösen“, sagte er. Erst als Helnwein beschließt, Künstler zu werden, ändert sich das. Er studiert an der Wiener Hochschule für Grafik und an der Wiener Kunstakademie. Dort bewirbt er sich mit dem „Osterwetter“: Auf dem Aquarell mit idyllischer Blumenwiese sind zwei kleine Mädchen in weißen Kleidern zu sehen – eines blutüberströmt am Boden, das andere blutbespritzt mit Messer in der Hand. Helnwein wird – ohne Prüfung – sofort an der renommierten Akademie aufgenommen.
Titelbilder für Magazine
Seine ersten Werke bringen ihm in seiner Heimatstadt den Ruf eines Blut-und-Narben-Malers ein, er macht auch international auf sich aufmerksam. Als Grafiker gestaltet er Titelbilder von Magazinen wie „Spiegel“, „Esquire“, „Time“ und „Playboy“. Sein „Selbstporträt“ von 1981 als Plattencover der Band Scorpions – ein schreiender Mann mit bandagiertem Kopf und Gabeln in den Augen – pinnen sich Jugendliche als Kultposter an die Wand.
In der Zwischenzeit ist seine Kunst anerkannt. Helnwein stellt verstärkt in den USA aus. Zu seinem Geburtstag widmete ihm die Wiener Albertina eine große Retrospektive. Auch Ausflüge in die Oper wagte der Maler, etwa bei „Der Ring des Nibelungen“ 2006 in der Bonner Oper. Für das Bühnenbild, das er mit viel spritzendem Theaterblut, Flammen und jeder Menge an SS-Männer erinnernden Kriegern in Szene gesetzt hat, erhielt er viel Applaus. Eine Karriere habe er nie angestrebt, sagt er. „Ich wollte keine Bilder verkaufen, sondern sie nur machen.“ Helnwein lebt auf einem Schloss in Irland, ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder.