Eine Lederhose war nicht weiter anrüchig, das war in Ordnung, Dirndl sowieso, die deutsche Frau sollte schließlich aller Welt zeigen, wie sportlich und trainiert sie war. Die klassischen Trachten waren den Nationalsozialisten allerdings verdächtig, die passten nicht zur Ideologie. Die Trachten transportierten alte Werte und ein anderes Menschenbild. Klar, wer auf englischen Dandy machte, einen schicken Dreiteiler mit weiter Anzughose trug, also so aussah, als ob er heimlich zur verbotenen Swingmusik tanzte, war verdächtig. Ein solcher Herr distanzierte sich öffentlich mit seiner Kleidung von den Nationalsozialisten und ihrer Ideologie. Man konnte aber auch viel subtiler zeigen, dass man sich nicht mit Haut und Haaren der überall in Reih und Glied durch Städte und Dörfer marschierenden Diktatur ergeben hatte: Dafür reichte es, die Kniestrümpfe nicht stramm nach oben zu ziehen, sondern lässig herabgerutscht zur Lederhose zu tragen.
Sonderausstellung
Mit Hilfe der Kleidung erzählt das Augsburger Textil- und Industriemuseum in einer großen Sonderausstellung eine Alltagsgeschichte des „Dritten Reichs“, die den Titel „Glanz und Grauen“ trägt. Die Grundidee der Ausstellung, viele Exponate und die Erforschung der Sachverhalte stammen vom LVR-Industriemuseum. Das Augsburger Museum hat die Präsentation durch historische Aufnahmen aus den 1930er und 1940er Jahren regionalisiert, sowie viele eigene Mode-Exponate beigesteuert.
Dass die Ausstellung für das Museum keine alltägliche Angelegenheit ist, zeigt schon der Umstand, das erstmals ein vollständiges Fotografieverbot herrscht. „Wir zeigen verfassungsfeindliche Symbole, das darf in keinen falschen Zusammenhang kommen“, erklärt Museumsleiter Karl Borromäus Murr.
Das Museum betreibt mit der Ausstellung keine Verherrlichung des „Dritten Reichs“, sondern Aufklärungsarbeit. Die Kleidungsstücke geben einen Eindruck davon, was die Menschen auf der Straße getragen haben. Das war vielschichtiger, als man gemeinhin denkt. Auch wenn sich viele Behörden und viele führende Nazi-Größen immer wieder über die „artgerechte“ Mode äußerten, eine einheitliche ideologiekonforme Zivilkleidung gab es nicht. Die Mode der 1930er Jahre in Nazi-Deutschland entsprach weitgehend den Trends, die sich auch in anderen europäischen Ländern wiederfinden. Deutschland war nicht abgeschnitten von diesen Entwicklungen. Frauenkleider wurden wieder auf Taille geschnitten, im Gegensatz zu den Kleidern der 1920er Jahre. Die Körper wurden dadurch betont. Dass sich auch in der Zivilkleidung Anleihen von Uniformen finden, hat es nicht nur im Deutschen Reich, sondern zum Beispiel auch in Frankreich gegeben.
Devisen für die Rüstung
Was sich durch die Herrschaft der Nationalsozialisten immer weiter verschlechterte, war die Zufuhr der primären Rohstoffe für Kleidung. Museumsleiter Murr erklärt, dass die Nazis die Importquoten für Baumwolle reduzierten, um die Devisen für wichtige Rüstungsgüter zu verwenden. Sparsamkeit im Umgang mit den Stoffen, die dann zum Beispiel zu immer kürzeren, nicht so weit ausgestellten Röcken führten, propagierten die Nazis als oberste modische Pflicht.
Die Textilindustrie hat unter den Import-Beschränkungen von Anfang an gelitten. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs verschlechterte sich die Versorgungssituation mit Rohstoffen dann nochmals dramatisch. Die Bevölkerung bekam nur noch über spezielle Karten neue Kleidung. Jeder durfte nur noch einen einzigen Wintermantel besitzen. Als Ersatz für Baumwolle sollten Kunstfasern dienen. Die Viskose-Stoffe der 1930er und 1940er Jahre waren qualitativ aber minderwertig. Die Mäntel wärmten kaum, das Material fühlte sich steif und künstlich an.
Die menschenverachtende und rassistische Ideologie der Nationalsozialisten fand über die Kleidung einen Weg in den Alltag. Die jüdische Bevölkerung wurde dazu gezwungen, gelbe Sterne zu tragen. Zu sehen ist auch ein Paar neuer Schuhe aus der Zeit. Auf den ersten Blick sieht man ihm nicht an, dass für das Schuhwerk Menschen im Konzentrationslager Sachsenhausen auf der „Schuhprüfstrecke“ zu Tode gequält wurden. Fast alle großen Schuhhersteller im Deutschen Reich beteiligten sich an diesen Versuchen, die für die Gefangenen meist einem Todesurteil gleichkamen.
Für die Bonzen gelten andere Regeln
Dass für die Bonzen des Systems andere Regeln als für den Rest der Bevölkerung galten, zeigt ein Raum voller Luxuskleidung, für die im Vergleich zur Alltagsgarderobe geradezu verschwenderisch mit dem Material umgegangen wurde. Auf die Straße durften die Reichen mit dieser Kleidung allerdings nicht. Das hätte für Unmut gesorgt. Den gab es zum Beispiel auch, wenn in Filmen die Schauspieler und vor allem die Schauspielerinnen über Gebühr ausstaffiert wurden. Auch die deutsche Filmindustrie war deshalb sehr schnell angehalten, schöne Kleidung, aber bitte mit möglichst geringem Stoffverbrauch herzustellen.
Mit dem Mangel waren die Menschen nach dem Krieg immer noch konfrontiert. Die Schau schließt damit, wie Kleidungsstücke und Stoffe von nationalsozialistischen Symbolen befreit wurden, um weiterverwendet werden zu können.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 9–18 Uhr. Die Ausstellung „Glanz und Grauen - Mode im Dritten Reich“ ist bis zum 22. Oktober im Textil- und Industriemuseum Augsburg zu sehen.