So viel Körperlichkeit wie sie Gideon Kremers „Kremerata Baltica“ an den Tag legte, dürfte im ehrwürdigen Kaisersaal der Würzburger Residenz eher die Ausnahme sein. Stampfen, Schnipsen, Silbenzischen und Schläge aufs Instrument forderte Ali Osman Alhajs Perkussionsstück „Fusion“, mit dem das jugendliche, elastisch-präzise agierende Streicherensemble begeisterte – Mohammad Taha am arabischen Tamburin.
Obwohl Kremers Mozartfest-Programm explizit zwischen Orient und Okzident pendelte, versuchte man die westliche Basis nicht durch fadenscheinige Folklore zu vertuschen – wohl genau der Punkt, der ein gelungenes Konzert von überladenen Crossover-Events unterscheidet. Rituale und Sitzordnung entsprachen westlichem Habitus, die Ouvertüre zu Mozarts „Entführung aus dem Serail“ kontrastierte witzig mit Arvo Pärts orgelhaft klangsinnlichem und perfekt intoniertem „Orient & Occident“. Die mit türkischer Trommel und Triangel gespickte Ouvertüre („Man wird dabei nicht schlafen können“, so Mozart) spielte man schneidig, doch elegant und fein ziseliert, was das freudig-geniale Getöse um eine Facette bereicherte.
Hinreißende Solisten
Meist unter Ausblendung westlicher Atonalität, stand vor allem Musik nach 1950 auf dem Programm – Hochwertiges von arabischen und baltischen Komponisten, interpretiert von einem erstklassigen Orchester und hinreißenden Solisten. So viel Stoff war das, dass sich nach der Pause schon einige der dicht besetzten Stuhlreihen geleert hatten.
Besonders zu erwähnen: die auf Arabisch gesungenen Liederzyklen „Variations On Imaginary Folk Dances“ und „Of Memories Folks and I“ der Libanesin Joëlle Khoury. In der beeindruckenden Fadia El-Hage (Kontra-Altstimme) verschmolzen authentisch orientalische Musiktradition und Münchner Gesangsausbildung. Außerdem MAias Alyamanis „Omar“ für Violine, Streicher und Percussion, das der 1881 geborene Komponist (und Solist) aus dem Stimmen mit dem Orchester heraus zu entwickeln schien: zarte, ornamenthafte Linien über dem Dauerbrummen der Kontrabässe.
Vor endlich verdunkeltem Abendhimmel verwandelte sich Mozarts „Serenata notturna“ – mit dem Solistenquartett Gidon Kremer, Dzeraldas Bidva (Violine), Santa Vizine (Viola) und Oskars Bokanovs (Kontrabass) – in ein scheinbar spontan musiziertes Juwel mit Swingeinwürfen. Als Zugabe Alvamanis „Longa Nahawand“, mit dem Komponisten und Kremer als Solo-Duopartner.