Es geht – natürlich – los bei Adam und Eva. Und es hat seither nicht aufgehört. Geschlechterkampf war immer und wird immer sein, auch wenn die Ausstellung „Geschlechterkampf“ im Städel Museum Frankfurt mit dem Untertitel „Franz von Stuck bis Frida Kahlo“ sich auf das Jahrhundert zwischen 1850 und 1945 konzentriert.
150 Werke aus Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie und Film befassen sich bis 19. März mit Mythen, Rollen, Ängsten, Anklagen, Gemeinheiten und Übergriffen rund um das Verhältnis von Mann und Frau. Arbeiten aus dem Bestand, etwa von Max Liebermann, Edvard Munch, Franz von Stuck oder Auguste Rodin, bilden den Grundstock, den Leihgaben ergänzen, etwa von Hannah Höch, Édouard Manet, Gustav Klimt oder Frida Kahlo.
Die humoristische Version wäre ein Loriot-Zitat: „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen.“ Doch die wird der Sache nur teilweise gerecht. Gespiegelt in der Frankfurter Ausstellung müsste man sie sogar als grob verharmlosend abtun. Denn es gibt immer einen Täter oder eine Täterin. Und ein Opfer.
Die erste aller Täterinnen wäre somit Eva, die der Versuchung erliegt und Adam mit ins Verderben reißt. Wobei sich auch dieses Thema aus entgegengesetzten Perspektiven beleuchten lässt. Bei Franz von Stuck ist Eva die Verführerin, direkt im Bunde mit und umschlungen von der Schlange. Die Malerin Suzanne Valadon (1865 bis 1938) hingegen porträtiert sich gleich selbst als Eva, die einträchtig und gemeinsam mit Adam nach dem verbotenen Apfel greift.
Dass starke Frauen für den Mann immer schon ein Problem waren, das wird gleich im nächsten Raum deutlich. Sehr schnell hat der Betrachter eine Liste mit den Namen illustrer Täterinnen beisammen: Salome, Delila, Judith, Klytämnestra, hinzu kommen Amazonen, Gorgonen, Göttinnen. Bezeichnenderweise wirkt die Gorgone, die Perseus auf der Bronzeskulptur von Laurent-Honoré Marqueste (1875) niederringt, nicht gefährlich kämpferisch, sondern ausgesprochen sexy. Hier siegt die – vorgebliche – Vernunft über den Trieb. Die Frau als Verführerin ist allgegenwärtig.
Édouard Manet hingegen malt beinahe zeitgleich eine Amazone von beeindruckender Haltung: Sein Bildnis der Henriette Chabot im Reitdress ist eine Huldigung voller Respekt und Bewunderung.
Am besten fokussieren lassen sich männliche Ängste auf die Figur der Salome, die den Kopf Johannes des Täufers fordert und auch bekommt. Lovis Corinth ist bestimmt kein Angsthase, seiner eiskalten, verwöhnten und vollkommen mitgefühlsfreien Salome II (1899/1900) möchte man dennoch nicht in die Quere kommen. Vorsichtshalber hat sich Corinth gleich selbst als Henker mit ins Bild gemalt.
Zwar lassen sich in der Ausstellung gesellschaftliche Entwicklungen mitverfolgen und historische Konflikte nachvollziehen. Doch die kuratorische Systematik tritt immer wieder in den Hintergrund angesichts der Stärke einzelner Exponate oder Werkgruppen. So wirkt etwa der Raum mit Werken von Edvard Munch eher als Psychogramm eines Individuums denn als Beschreibung der Symptome einer Zeit (was er vermutlich ebenfalls ist). Zu sehen ist jedenfalls Munchs höchst gespaltenes Verhältnis zu Hingabe und Liebe.
In die Zeit von 1850 bis 1945 fallen entscheidende künstlerische Entwicklungen vom Symbolismus über Surrealismus und Dada bis hin zu Frida Kahlos verrätseltem Realismus, und es passieren entscheidende gesellschaftliche Veränderungen, doch die Machtfrage zwischen Mann und Frau stellt sich immer wieder, wenn auch immer wieder neu.
Es tritt einerseits ein neuer Typ Frau auf – stark, ohne gleich zur Täterin zu werden. Andererseits wird mit der Darstellung von Halbwelt, Prostitution und sozialer Not die Frau auch als Opfer bildwürdig – aus männlicher wie aus weiblicher Sicht. Beklemmend etwa die Radierung „Vergewaltigt“ von Käthe Kollwitz, die ganz ohne drastische Details die Zerstörung eines Lebens wiedergibt.
Otto Dix hingegen ist so drastisch wie möglich in Bildern wie „Lustmord“ oder dem immer wieder beeindruckenden großformatigen Karton zu „Großstadt“, der den Bankrott einer ganzen Epoche resümiert.
Richtig unterhaltsam geht es in den Filmkabinetten zu. Es gibt Stummfilmepisoden zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Komik – „Die Errungenschaften der Emanzipation“ zeigt wilde Weiber und domestizierte Mannsbilder und „Die Versuchung des heiligen Antonius“ die Nöte eines eher komischen Heiligen. Und es gibt den Ursprung eines unsterblichen Kinomythos zu entdecken: Die Inspiration zu „King Kong“ geht auf Emmanuel Frémiets Skulptur „Gorilla, eine Frau raubend“ von 1887 zurück. Beides – die Skulptur und Ausschnitte des ersten King-Kong-Films von 1936 – ist in der Ausstellung zu sehen. Letzterer ist ein wahrhaft ungleicher Geschlechterkampf – bekanntlich aber genau andersherum, als man denken würde.
Städel Museum Frankfurt: Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo. Bis 19. März.
Di., Mi., Sa., So. 10–18 Uhr, Do., Fr. 10–21 Uhr. Der Katalog kostet 39,90 Euro.