Dass es Widerstände gegen das unkonventionell ausgestattete Haus geben würde – es zeigt einen Mix aus alter christlicher Kunst und modernen, nicht zwangsweise religiösen Werken–, damit hat der Kunst- und Baureferent der Diözese gerechnet. Dass die Proteste derart hart sein würden, das hätte Lenssen aber nicht gedacht. Dass Museums-Gegner teils sehr auf seine Person fixiert vorgingen, macht ihn noch heute betroffen, „doch das ist vielleicht Würzburg-spezifisch“, tröstet er sich.
Auch intern gab es Probleme. 2005 ließ der neue Bischof, Friedhelm Hofmann, ein Gemälde abhängen: Die „Auferstehung“ von Michael Triegel zeigt den Gekreuzigten nackt. Das sei nicht in Ordnung, befand der Bischof und erntete in der Öffentlichkeit für seine Entscheidung Beifall – aber auch Kritik.
Auch wenn es zuletzt wenig Kritik am Museum gab: Zu ruhig soll's nicht werden. Ein Kunstmuseum müsse Reibungsflächen bieten, lautet das Credo des Domkapitulars, denn „Kunst ist kein Dekorationsmaterial“. Sie müsse auch provozieren, müsse Reaktionen hervorrufen, Aufschreie. Gäbe es die nicht, „muss man sich fragen, was man falsch macht“, sagt Lenssen.
Wirklich falsch gemacht wurde beim Museum am Dom offensichtlich nichts. Provokation und Zustimmung scheinen gut in der Waage zu liegen. Der Erfolg beim Publikum gibt dem maßgeblich von Lenssen verantworteten, bundesweit einmaligen Konzept des Museums am Dom Recht: 390 000 Besucher hätten die Ausstellungen in fünf Jahren besucht, sagt Lenssen.
Dass Leihgaben aus dem Bestand des Museums bundesweit nachgefragt würden, nach New York, Madrid, Brüssel und zu anderen Ausstellungen im Ausland gingen, spreche für den Wert der Würzburger Sammlung. Immer wieder würden Künstler ihre Werke dem Museum stiften, und das bedeute: „Wir haben einen guten Ruf in der Kunstszene.“
Kunst von Nicht-Christen
Ein guter Ruf in der zeitgenössischen Szene ist nicht das, was gemeinhin von einem Kirchen-Museum erwartet wird. „Tatsächlich sind manche Besucher überrascht, dass es ein kirchliches Museum ist“, weiß Lenssen. Wer ein Kirchen-Museum besucht, erwartet geschnitzte Kruzifixe, gemalte Madonnen, Kreuzwege, Szenen mit Adam und Eva – und zwar möglichst aus vergangenen Jahrhunderten.
All das gibt es im Museum am Dom auch, und zwar in bester Qualität. Die Sammlung reicht bis ins zehnte Jahrhundert zurück. Doch zwischen spätgotischer Riemenschneider-Schnitzerei und in Barock-Manier gemalter Grablegung tummeln sich – den alten Arbeiten thematisch zugeordnet – Werke von Zeitgenossen. Viele davon sind in der DDR aufgewachsen und nicht gläubig. Auch das verwirrt manchen.
Darf Kunst von Nicht-Christen in ein christlichen Museum? Sie müsse sogar, meint Jürgen Lenssen. Denn das mache die Ausstellung auch für jene interessant, die Kirchen und Kirchliches sonst meiden. Die gezeigten Arbeiten von nicht-christlichen Künstlern würden sich mit Grundfragen des Lebens beschäftigen und den Besucher dazu bringen, selbst darüber nachzudenken. Über den Umweg „Museum“ könne die Kirche also auch Nichtgläubige erreichen.
Im Grunde ist für den Priester Lenssen das Museum eine Form der Seelsorge, gerade wegen seiner unkonventionellen Ausrichtung, vielleicht sogar ein Instrument geschickter, unterschwelliger Missionierung. Und deshalb in seinem sanft provokativen Konzept gerade richtig als zeitgemäßes Kirchen-Museum, das auf Fragen der Gegenwart mit Kunst aus der Gegenwart Antworten gebe. „Wer Angst vor Gegenwartskunst hat, hat Angst vor der Gegenwart selbst“, philosophiert der Geistliche und versucht, die Angst auf seine Weise zu therapieren.
Lenssen glaubt an die Zukunftsfähigkeit des Konzepts. Es wird also weiterhin die Dauerausstellung immer wieder umgestaltet, um sie lebendig zu erhalten (wer in der Schau ein Werk vermisst, findet es im kompletten Internet-Katalog). Es wird Wechselausstellungen mit zeitgenössischer Kunst geben. Es werden neue Stücke ebenso angekauft wie alte, was, laut Lenssen, dank Stiftungen und Spenden den Diözesan-Haushalt nicht belastet (allein von den Freunden des Museums am Dom kamen in fünf Jahren 150 000 Euro).
Manches Stück wird auch in Zukunft für Diskussionen, vielleicht sogar für Aufschreie und Streit sorgen. Das gehört beinahe zum Konzept.
Im Blickpunkt
Das Museum feiert 8. März. 15 Uhr: Familienführung; 17 Uhr: Der Würzburger Volkskundler Prof. Wolfgang Brückner führt aus seiner Sicht durchs Museum. 9. März. 10.30 Uhr: Jürgen Lenssen stellt den Kemberger Altar, eines der Hauptwerke des Museums, vor; 11.30 Uhr: Künstlergottesdienst im Dom; 15 Uhr: Kinderprogramm (u.a. werden Kinder in Bilder integriert), Tel. (09 31) 38 66 56 00; 17 Uhr: Der Würzburger Theologe Prof. Karlheinz Müller führt aus seiner Sicht durch die Sammlung. www.museum-am-dom.de