Ein „Schimanski-Typ“ sei er, warb der Mann unter Chiffre in der Rubrik „Bekanntschaften“. So war das in den 1980ern: Kontaktanzeigen erschienen in der Tageszeitung, Internet und „parshippen“ gab's da noch nicht. Und: Als Schimanski-Typ hatte Mann Chancen bei den Damen – oder bildete sich das ein. Wer als Mann attraktiv sein wollte, ließ sich einen Schnurrbart wachsen, kaufte sich eine Schimanski-Jacke (die gab's wirklich in diversen Bekleidungsgeschäften), pflegte eine schnoddrige Sprache und sagte „Scheiße“. Und all das wegen Götz George. Der hat mit der Figur des ruppigen „Tatort“-Ermittlers nicht nur Fernsehgeschichte geschrieben. Er hat ein Jahrzehnt geprägt und vielleicht sogar eine Generation.
Die Figur des Horst Schimanski machte Götz George zu einem der populärsten deutschsprachigen Schauspieler. Am 19. Juni ist George im Alter von 77 Jahren gestorben. Bekannt wurde das erst sieben Tage danach, am späten Sonntagabend. Dass das in unserer von schnellen Medien geprägten Zeit solange geheimgehalten werden konnte, ist erstaunlich. Doch es passt: „Dieser Typ tritt so leise ab, wie er laut angefangen hat“, sagte Götz George einmal über Schimanski.
Zumindest für die Öffentlichkeit trifft das nun auch auf den Schauspieler Götz George zu. Laut „Bild“-Zeitung starb George an den Folgen einer Krebserkrankung.
Nach 48 Folgen war Schluss
29 „Schimmi“-Folgen liefen zwischen 1981 und 1991 im Rahmen der ARD-Krimireihe „Tatort“. Zweimal war der Ermittler im Kino zu sehen. 1997 widmete das „Erste“ seinem erfolgreichen Helden eine eigene Reihe mit dem Kult-Logo „Schimanski“. Der war zwar inzwischen Rentner und hatte einen Gang zurückgeschaltet, aber immer noch ein Straßenfeger. Allein die erste Folge „Die Schwadron“ sahen fast 13 Millionen Menschen. 2013 war dann Schluss, nach 48 Folgen.
Die Fans identifizierten sich mit Schimanski. Und Götz George wurde mit der Figur des Duisburger Kommissars identifiziert. Recht war ihm das nicht. In die Krimischublade wollte er sich nie stecken lassen. Auch wenn es ihm und der Präsenz, mit der er den berühmten verwaschenen Parka ausfüllte, zu verdanken ist, dass die Reihe „Tatort“ noch heute Kult ist. Hätte der lockere, fluchende, biertrinkende Schimmi nicht die steifen, korrekten Kommissare a la Hansjörg Felmy abgelöst – Boerne und Thiel wären heute gar nicht denkbar.
Trotz vieler Rollen - Götz George profilierte sich mit „Schimmi“
Erst Schimanski half Georges Karriere richtig auf die Sprünge. Zwar hatte er schon mit 15 seinen ersten Filmauftritt neben Romy Schneider in der Romanze „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“. Zwar spielte er in Karl-May-Filmen mit und versuchte neben Stewart Granger als überdrehter Springinsfeld in „Unter Geiern“ (1964) Elke Sommer zu beeindrucken. Zwar ermittelte er Anfang der 70er als „Diamantendetektiv Dick Donald“ in einer ZDF-Serie und tingelte mit Tourneetheatern durch die Lande (er war auch in Würzburg). Doch so richtig profilierte sich Götz George erst mit „Schimmi“. Seit Ende der 1980er Jahre galt der am 23. Juli 1938 in Berlin geborene Schauspieler als vielseitiger Könner, als Charakterdarsteller. Verstörende Tragik hatte er ebenso drauf wie lockere Komödie.
Er spielte den KZ-Arzt Josef Mengele („Nichts als die Wahrheit“) und einen an Alzheimer erkrankten Busfahrer („Mein Vater“), einen Taschendieb („Das Trio“) und einen blinden Klavierlehrer („Der Novembermann“), einen Öko-Aktivisten („Lüg weiter, Liebling“) und einen todgeweihten Staatsanwalt („Nacht ohne Morgen“).
In der Satire „Schtonk!“ (1992) verarbeitete er den Skandal um die gefälschten Hitlertagebücher. In „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ (1997) nahm er selbstironisch das eigene Image als vor Manneskraft strotzender Macher auf die Schippe.
1995 war er bei den Filmfestspielen von Venedig als bester Darsteller für „Der Totmacher“ ausgezeichnet worden. Der Sohn des großen Heinrich George war auf dem Olymp der Schauspielkunst angelangt.
Götz George zu seinem toten Vater: „Du warst halt immer besser“
Von dem „Übervater“ war Götz George zeitlebens geprägt – und auch getrieben. „George“, der Film über den legendären, wegen seiner Karriere in der Nazi-Zeit aber auch umstrittenen Schauspieler-Vater (1893 bis 1946) machte das deutlich. „Du hast mich halt immer überholt. Du warst halt immer besser, besessener“, sagte Götz George in einer ARD-Dokumentation anlässlich seines 75. Geburtstages im Jahr 2013 an die Adresse seines toten Vaters. Von der Lieblingsrolle des Vaters, Goethes „Götz von Berlichingen“, hatte er seinen Vornamen. Auch Mutter Berta Drews (1901 bis 1987) war Schauspielerin. Götz George hatte zuletzt mit seiner gut 20 Jahre jüngeren Lebensgefährtin auf Sardinien gelebt. Von 1966 bis 1976 war er mit der Schauspielerin Loni von Friedl verheiratet.
Schauspieler – zumindest die guten – sollte man nie mit ihren Rollen identifizieren. George war also nicht Schimanski. Er hat ihn nur gespielt, ihn wie alle seine Rollen „inhaliert“. Und doch: Zwangsweise fließt auch immer etwas von der Persönlichkeit des Menschen in die Rolle. So war Götz George gerne mal ruppig, unbequem, eigenwillig. Legendär ist sein Zoff mit Thomas Gottschalk in der ZDF-Sendung „Wetten, dass . . ?“ 1998. Der Top-Schauspieler warf dem Top-Moderator Unwissenheit vor und bezeichnete ihn als „Oberlehrer“. Die Zuschauer pfiffen. Doch das war wohl Götz George pur.
„Auf der Bühne, wie es bei Schauspielern immer heißt, will ich sicher nicht sterben“, hatte er einmal in einem Interview gesagt. Er hat auch da seinen Willen gekriegt. Mit material von dpa