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Gastbeitrag: Wo Wagner in Würzburg wohl wirklich wohnte
Stimmt nicht! Richard Wagner wohnte eben nicht in der Kapuzinerstraße 7 in Würzburg.
Foto: Norbert Schwarzott | Stimmt nicht! Richard Wagner wohnte eben nicht in der Kapuzinerstraße 7 in Würzburg.
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:42 Uhr

Gastbeitrag

Würzburg

Neunzehn Jahre zählte der schmächtige, nur etwas über 1,60 Meter große Jüngling, der sich am 17. Februar 1833 bei der Würzburger Meldebehörde vorstellte. Richard Wagner hieß er, von Leipzig kam er, „studiosus musicae“, also Musikstudent, gab er als Beruf an. „3 Monate zu Besuch“ notierte der Amtsschreiber über Dauer und Grund des Aufenthaltes. Eingezogen war Wagner in ein Haus an der Hinteren Kapuziner-Gasse, einem engen Sträßchen parallel zur Kapuzinerstraße. Erst viel später erhielt sie ihren bis heute geläufigen Namen Huebergasse.

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Mundkochswitwe Theresia Goedeke. Die Verhältnisse waren beengt, denn Albert stand zwar als Erster Tenor im Engagement am Königlich bayerischen Theater, doch ließ die Gage eine großzügigere Unterkunft nicht zu.

Folgenschwerer Lesefehler

Im Oktober 1833, so wird es in allen einschlägigen Wagner-Biografien erzählt, habe Frau Goedeke das Quartier gewechselt. Alle Mieter seien mitgezogen, also auch Richard. Ihre neue Anschrift lautete nun Kapuziner-Gasse (dann Kapuzinerstraße) 7. Seit 1890 kündet denn auch eine Plakette am Haus davon, dass der junge Komponist dort gewohnt und seine erste Oper „Die Feen“ komponiert habe. Das alles klang und klingt plausibel – wurde allerdings bislang noch nie überprüft.

Wer freilich einen Blick in die erhaltenen Dokumente wirft, erlebt eine Überraschung. Zunächst: Von einem Wohnungswechsel der Witwe Goedeke kann keine Rede sein. Ihr gehörte das Haus an der Unteren Kapuziner-Gasse, und dort wohnte sie bis zu ihrem Tode 1855. Aber auch Albert Wagner veränderte sich vorerst nicht. Er blieb bis April 1834 bei Goedekes zur Miete, wie sich aus seinem amtlichen Meldezettel ergibt.

Tatsächlich hat nur Richard Wagner am 17. Oktober 1833 die Unterkunft gewechselt. So bezeugt es der entsprechende Vermerk in den Akten. Als dieser im Jahre 1888 gefunden wurde, kam es allerdings zu einem folgenschweren Lesefehler: Auf Wagners Meldebogen wird als neue Anschrift „bis Weynacht“ eindeutig festgehalten „II/34“. Gelesen wurde dagegen fälschlicherweise „I/34“, die Katasternummer für das Haus an der Kapuziner-Gasse 7.

In Wahrheit zog Richard Wagner jedoch in ein Haus im zweiten Distrikt, gelegen an der schmalen Lochgasse (der heutigen Spiegelstraße), und mietete sich bis zu seiner Abreise aus Würzburg am 15. Januar 1834 bei dem Kammerdiener Friedrich Krug ein. Die näheren Umstände dieses Umzugs liegen völlig im Dunklen. Was ist aus Wagners Wohnungen geworden? Das kleine Haus an der Huebergasse stand bis zur Zerstörung Würzburgs im Krieg. Auf dem einzigen bislang aufgefundenen Foto aus der Zeit vor 1945 ist über der Eingangstür eine Plakette zu erkennen. Ob sie dem Gedenken an Wagners Aufenthalt galt? Vielleicht erinnern sich alte Würzburger noch an das Gebäude. Der zerbombte Häuserzug ist nicht mehr aufgebaut worden. Auf der einstigen Standfläche befindet sich seither ein Parkplatz. Von dem Haus selbst, das unmittelbar links neben dem heutigen Gebäude Huebergasse 1 gestanden hat, zeugen nur mehr ein Mauerstumpf sowie die Rückwand.

Das Haus an der Lochgasse fand Wagner schon bei seinem Würzburger Aufenthalt im November 1872 nicht mehr vor. Als Anfang der 1850er Jahre beschlossen wurde, ein großes städtisches Getreidedepot, die sogenannte Schrannenhalle, zu bauen, mussten dafür neun Gebäude rund um das „Loch“, eine öffentliche Badestelle, abgerissen werden, um Platz zu schaffen. Darunter befand sich auch Haus „II/34“.

Seine Position kann aber anhand der Katasteraufzeichnungen genau bestimmt werden: Es stand auf der heutigen Verkehrsfläche der Spiegelstraße vor den Häusern mit den aktuellen Nummern 21 und 21a. Ein Bildzeugnis von der historischen Situation dieses Areals konnte bislang nicht nachgewiesen werden.

Bleibt das angebliche Wagner-Haus an der Kapuzinerstraße 7, immer wieder in Büchern abgebildet und bis in die Gegenwart Fotomotiv für musikbegeisterte Besucher Würzburg. So bedauerlich es sein mag, aber dieses Gebäude hat Wagner wohl nie betreten, geschweige denn darin gewohnt und komponiert.

Prof. Ulrich Konrad

Der Musikwissenschaftler, geboren am 14. August 1957 in Bonn, gilt als Experte für die europäische Musik des 17. bis 20. Jahrhunderts, besonders der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Robert Schumann, Richard Wagner und Richard Strauss. Konrad ist Mitglied der Akademie für Mozart-Forschung der Stiftung Mozarteum in Salzburg und Projektleiter der Robert-Schumann-Gesamtausgabe sowie der Edition „Richard Wagner Schriften (RWS)". Seit 1996 ist er Ordinarius für Musikwissenschaft an der Würzburger Universität. FOTO: UKB/Text: MP

Hausnummer 7: Das Gebäude in der Kapuzinerstraße vom Hof aus.
| Hausnummer 7: Das Gebäude in der Kapuzinerstraße vom Hof aus.
 
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