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WÜRZBURG
„Ganz cool, oder?“ - Mozartfest-Finale mit HipHop-Touch
Jupiternacht: Nach der Sinfonie direkt zur After-Show-Party – das Mozartfest endet mit einem ebenso ungewöhnlichen wie unterhaltsamen Konzert zwischen Klassik und HipHop-Kultur.
Mozartfest endet mit Jupiternacht       -  Der Beatboxer und die Klassiker: Robeat auf der Bühne des Vogel Convention Centers, begleitet vom Philharmonischen Orchester Würzburg unter der Leitung von Enrico Calesso.
Foto: Daniel Peter | Der Beatboxer und die Klassiker: Robeat auf der Bühne des Vogel Convention Centers, begleitet vom Philharmonischen Orchester Würzburg unter der Leitung von Enrico Calesso.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:09 Uhr

Wenn das Publikum zwischen den Sätzen klatscht, kann das zwei Gründe haben. Entweder es sind Menschen im Saal, die mit den ehernen Gesetzen des klassischen Kults (noch) nicht so vertraut sind. Oder diese Menschen kennen die Gesetze zwar, sind aber so begeistert, dass sie ihnen für diesen einen Moment egal sind. Dergleichen ist schon vorgekommen, allerdings nicht sehr oft.

Am Sonntag bei der abschließenden Jupiternacht des Mozartfests im Vogel Convention Center war wohl beides der Fall: Das Publikum bedachte den witzigen und fetzigen Auftritt des Beatboxers Robeat nach jedem Satz der „Konzertsinfonie für Human Beatbox und Orchester“ mit frenetischem Beifall und applaudierte nach der Pause – ein wenig gesetzter zwar – bei Mozarts Jupitersinfonie munter weiter.

Vor nicht allzu langer Zeit hätten Klassik-Habitués über so viel regelwidrige Begeisterung noch die Nase gerümpft. Heute ist derlei Fehlverhalten das Beste, was einem Festival wie dem Mozartfest passieren kann, denn es zeigt: Es ist neues Publikum im Saal, und es hat Spaß. Vielleicht kommt es ja wieder.

Das ist wohl die wichtigste Botschaft dieser Jupiternacht: Man kann mit Klassik Spaß haben und das auch zeigen. Und wenn dieser Spaß nach einer ersten, zugegeben überdurchschnittlich unterhaltsamen Hälfte auch noch für die zweite Hälfte reicht, in der ein ganz normales Orchester eine ganz normale Sinfonie spielt, dann besteht vielleicht doch noch Hoffnung für die Klassik.

Zumindest, wenn man, wie das Philharmonische Orchester Würzburg unter der Leitung von Enrico Calesso, eine derart vitale, blankgeputzte, sensible und transparente Jupitersinfonie zu bieten hat.

Star des Abends ist diesmal dennoch nicht Mozart, sondern ein zierlicher junger Mann mit schwarzem Hut und Foto-T-Shirt. Robeat, geboren 1989 als Robert Wolf in Stuttgart, kommt aus der HipHop-Kultur und ist amtierender europäischer Beatboxermeister. Er selbst beschreibt seine Kunst so: „Alles, was Sie jetzt hören, kommt aus meinem Mund und meiner Nase. Nicht falsch verstehen.“ Gemeint sind Klänge und Geräusche: vertrackteste Rhythmen aller Art auf allen denkbaren Schlaginstrumenten, Basslinien, Vogelstimmen, startende Motoren und Melodien sowieso. Am liebsten alles gleichzeitig.

Robeat gibt eine Kostprobe. Ein lautmalerischer Bericht seiner Anreise. Und fragt dann: „Ganz cool, oder?“ Der Saal tobt. Sehr cool, ja.

Die bereits erwähnte „Konzertsinfonie für Human Beatbox und Orchester“ von Jürgen Christ ist ein effekt- und stimmungsvolles Stück, das jederzeit als Musik für einen Hollywood-Schinken taugen würde. Die Würzburger Philharmoniker und Robeat grooven dabei gemeinsam mit sichtlichem Spaß. Christ setzt dabei die Beatbox gezielt und durchaus ökonomisch ein: Nicht als kuriosen Rhythmusteppich, sondern als echtes Soloinstrument, mit Kadenzen und allem Drum und Dran. Und wie sich das für ein richtiges Klassikkonzert gehört: Zum Schluss gibt's für den Solisten nicht nur eine spontane Umarmung des ungefähr doppelt so großen Dirigenten, sondern die obligatorische Flasche Sekt.

Sogar eine Konzession an den Fußball hat diese Jupiternacht zu bieten: „Die Schicksalssinfonie – Entscheidung unter Flutlicht“, eine Art Hörspiel von Jochen Hubmacher, in dem Sportreporter Günther Koch den ersten Satz von Beethovens Fünfter kommentiert. Ursprünglich gedacht als spielerisch didaktische Arbeit, ist das preisgekrönte Stück längst ein Youtube-Hit. Für die Jupiternacht hat das Studio flownmary eine Videoinstallation beigesteuert.

Doch diese Fünfte funktioniert auch rein akustisch: Günther Koch, wie man ihn aus unzähligen Radioreportagen im Ohr hat, ruft wunderbare Sätze wie „Schon geht's los. Da wird gar nicht lange gefackelt, Beethoven kommt sofort zur Sache, bringt gleich zu Beginn der Exposition das erste Thema. Keine taktischen Spielereien von wegen kontrollierter Offensive mit langsamer Einleitung. Nein! Da wird mit offenem Visier gespielt.“

Ob diese Jupiternacht als Blaupause für künftige Klassikprogramme dienen kann, wird sich zeigen. Eines jedoch sollten sich die Gestalter ernsthaft überlegen: Nach der klassischen Sinfonie direkt zur After-Show-Party – das hat was.

Mozartfest endet mit Jupiternacht       -  Der Beatboxer und die Klassiker: Robeat auf der Bühne des Vogel Convention Centers.
Foto: Daniel Peter | Der Beatboxer und die Klassiker: Robeat auf der Bühne des Vogel Convention Centers.
Mozartfest endet mit Jupiternacht       -  Der Beatboxer und die Klassiker: Robeat auf der Bühne des Vogel Convention Centers.
Foto: Daniel Peter | Der Beatboxer und die Klassiker: Robeat auf der Bühne des Vogel Convention Centers.
 
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