Glitzerklamotten und elektrisch verzerrte Gitarren? Gibt's nicht. Nicht, wenn Pete Lincoln, Peter Howarth und Mick Wilson als Frontm3n auf der Bühne stehen. Da geben sich die Herren seriös und spielen akustisch. Sogar in Kirchen.
Das mit den Glitzerklamotten betraf eh nur The Sweet und war Ende der Sechziger der letzte Schrei, also lange bevor Pete Lincoln 2006 als Sänger zu der Band stieß. Lincoln ist heute 62 – und was er trägt, wenn er mit The Sweet auf der Bühne steht, ist geradezu dezent im Vergleich zu dem, was Ur-Frontmann Brian Connolly (1945 bis 1997) seinerzeit anhatte.
Pete Lincoln sitzt im Würzburger Weingut am Stein vor einem Glas Weißen. Mit Hut. Was dem Sweet-Mann dann dressmäßig doch eine gewisse Extravaganz gegenüber seinen Kollegen Peter Howarth und Mick Wilson verleiht. Howarth (58) und Wilson (56) sind bei anderen Bands aus den Sechzigern aktiv – The Hollies und 10cc. Die waren schon seinerzeit outfitmäßig dezenter als die Glamrocker von Sweet. Das Alter der beiden verrät, dass auch sie nicht zu den Ur-Besetzungen zählen. Kennengelernt haben sich die drei 1994 bei einem Projekt von Cliff Richard. Vor zwei Jahren haben sie sich zu den Frontm3n formiert, Mit einer „3“ statt einem „e“. Mutmaßlich, weil sie zu dritt sind.
Bloß keine Kopie der Originale!
The Sweet, The Hollies, 10cc: Ihre Titel waren ab Ende der Sechziger beinahe ein Jahrzehnt lang auf die Top Ten der Hitparaden abonniert. Die Musik hätte unterschiedlicher nicht sein können. The Sweet lagen zwischen simpel-gefälligem Pop („Funny Funny“) und Heavy-Metal-Verdächtigem („Blockbuster“). Die Hollies sortierten sich einen Schrill-Faktor darunter ein, zwischen Schmusesong („The Air that I breathe“) und gemäßigtem Rock („Long cool Woman“). 10cc war anders. Die galten als anspruchsvoller und waren zwischen psychedelischen Keyboard-Sounds, dem fetzigen „Rubber Bullets“ und dem erfolgreichen „Dreadlock Holiday“ nie so recht in eine Schublade zu stecken.
Ein Sweet-Fan hätte sich früher vielleicht eine Hollies-Platte angehört. Aber niemals eine von 10cc. Und umgekehrt. Die Sänger der drei Bands – jedenfalls die heutigen – sehen das nicht so eng. Als Frontm3n spielen Howarth (Hollies), Lincoln (Sweet) und Wilson (10cc) die Hits aller drei Band-Legenden. Ohne Schlagzeug und meist ohne Bass-Fundament. Drei Stimmen, drei Gitarren. Sonst nichts und oft weit weg vom Sound der Originale.
Das sei ganz bewusst so, beteuert Peter Howarth. „Wir tun, was wir tun, auch deswegen, um zu zeigen, dass die Songs der drei individuellen Bands zusammenpassen – wenn man sie von dem befreit, was im Studio gemacht wird und sie nur mit drei Gitarren spielt.“ Der spezifische Klang der Lieder sei wie ein Mantel, der ihnen von Hollies, Sweet und 10cc – etwa durch die Instrumentierung – umgehängt wurde. Würden die Hollies den Sweet-Hit „Fox on the Run“ spielen, würde er nach Hollies klingen, bei 10cc eben nach 10cc. „Wir führen die Songs praktisch auf ihr Grundgerüst zurück. Wir nehmen den Mantel weg.“
Irgendwie desillusionierend
Die im kollektiven Gedächtnis einer ganzen (schon älteren) Generation so unterschiedlichen Bands haben also im Grunde mit dem gleichen Material gearbeitet? So muss man das wohl verstehen. Irgendwie desillusionierend. Denn seinerzeit ging's ja nicht nur um Songs und um Popgruppen. Da ging's um Weltanschauungen.
Mick Wilson liefert noch einen Grund für die instrumental zurückgefahrenen Coverversionen: „Als wir mit dem Projekt anfingen, wollten wir sichergehen, dass wir nicht einfach als verkleinerte Versionen von Hollies, Sweet oder 10cc wahrgenommen werden.“ Es ging also nie darum, den Sound der Originale zu kopieren. „Wir wollten die Frontm3n sein.“ Praktischer Nebeneffekt der unplugged-Konzerte: „Du brauchst nicht diese ganze Ausrüstung, diese Verstärker“, sagt Howarth. „Wir sind nach Deutschland einfach nur mit drei Gitarren geflogen“, stimmt Lincoln zu.
"Ballroom Blitz" in der Kirche?
Lahm muss man sich die Frontm3n-Versionen trotz Schlagzeug- und (weitestgehender) E-Bass-Abstinenz nicht vorstellen. Davon gibt die Doppel-CD „All For One“ einen Eindruck, deren zweite Scheibe aus Live-Mitschnitten besteht. Die sozusagen stromlosen Versionen funktionieren zwar nicht allesamt (was letztlich auch Geschmackssache ist). Andere wie „Long cool Woman“ oder „Ballroom Blitz“ rocken ordentlich los – mit top gespielten Gitarren und bei Bedarf sauberem dreistimmigem Gesang. Bei Scheibe eins, einer Studio-CD mit Eigenkompositionen, arbeitet das Trio konventioneller. Mit Schlagzeug und Bass. Im Studio wolle man halt die Möglichkeiten ausschöpfen, begründen sie.
In Würzburg treten die Frontm3n unplugged in der Johanniskirche auf. „Ballroom Blitz“ oder „A Glass Of Champagne“ (Lincoln hat auch bei Sailor gesungen) in einer Kirche? Die Reaktion ist einstimmig: „Why not?“ Sie hätten auch schon in der Berliner Passionskirche gespielt. Kein Problem. „Wir haben ja keine politische oder religiöse Agenda. Wir spielen einfach gute Musik“, sagt Howarth. Dagegen könne Gott ja wohl nichts haben.
Die Frontm3n sind am 4. Januar in der Würzburger St. Johanniskirche zu hören. Karten unter (0931) 6001-6000