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WÜRZBURG
Fritzi Haberlandt und die Sache mit den schrägen Figuren
Fritzi Haberlandt: Sie steht nicht gerne in der Öffentlichkeit – außer wenn sie eine Rolle spielt. Ein Gespräch mit der Schauspielerin über Tagebücher und Facebook, Lesungen und ungewöhnliche „Tatort“-Figuren.
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:06 Uhr

Fritzi Haberlandt ist auf der Bühne ebenso gefragt wie bei Film und Fernsehen. Am 11. Juni liest sie beim Würzburger Mozartfest im Kloster Bronnbach aus dem „Tagebuch der Constanze Mozart“. Die Texte sind fiktiv, denn von Mozarts Frau ist kein Tagebuch überliefert. Ulf Schneider (Violine) und Stephan Imorde (Klavier) sorgen für Musik.

Frage: Wie wird Constanze Mozart in dem fiktiven Tagebuch gezeichnet?

Fritzi Haberlandt: Sie kommt ja in der Literatur oft recht schlecht weg. Wir versuchen zu zeigen – auch durch die Art, wie ich lese –, dass zwischen ihr und Mozart doch eine große Liebe war und dass sie ihn sehr unterstützt hat. Wir versuchen, sie vielleicht mit einer gewissen Naivität, aber doch großherzig zu zeigen. Für die Recherche mussten wir uns vieles zusammenreimen oder aus Mozarts Briefen ableiten. Von Constanze selbst gibt es ja praktisch keine Dokumente.

Haben Sie selbst schon mal Tagebuch geführt?

Haberlandt (lacht): Ganz früher mal, als Kind. Aber dann habe ich immer ziemlich schnell wieder aufgehört. Mir fehlt da leider die Geduld.

So ein Tagebuch ist an sich eine schöne Sache. Da kann man sich den Tag, das Leben bewusst machen . . .

Haberlandt: Ein Tagebuch ist was Tolles. Zu reflektieren und später drin zu lesen. Ich glaube, ich nehme es mir gleich wieder vor . . .

Tagebuch ist ja eher was Altmodisches. Heutzutage schreibt man seine Erlebnisse in irgendein soziales Netzwerk. Sind Sie auf Facebook unterwegs?

Haberlandt: Da halte ich mich raus. Ich finde es wichtig, dass ich den Teil, der privat ist, auch wirklich privat lasse – gerade weil ich als Schauspielerin ja von Berufs wegen in der Öffentlichkeit stehe.

Ich dachte, gerade wenn man in der Öffentlichkeit steht, müsste man in sozialen Netzwerken präsent sein.

Haberlandt: Das ist die Frage. Zu mir jedenfalls gehört das nicht. Wenn mir meine Facebook-Abstinenz beruflich irgendwas verbaut, dann ist das halt so – ich glaube das aber nicht. Wichtig ist das vielleicht für Schauspieler, die von der Öffentlichkeit leben. Ich lebe von meiner Arbeit.

Kann es sein, dass Sie generell nicht gerne etwas von sich preisgeben?

Haberlandt: Ich glaube wirklich, dass es zwei Sorten Schauspieler gibt. Ich gehöre zu denen, die eigentlich recht schüchtern oder zurückgenommen sind. Ich brauche meinen privaten Raum. Mir ist es sehr, sehr unangenehm, wenn es Überschneidungen zwischen Beruf und Privatem gibt. Ich würde immer gerne selbst entscheiden: Wann bin ich öffentlich, wann bin ich privat. Das geht nicht immer, aber ich würde das gerne so weit wie möglich in der Hand behalten.

Und auf der Bühne oder vor der Kamera steht die Figur, die Sie spielen, zwischen Ihnen und der Öffentlichkeit.

Haberlandt: Genau. Da ist ja dann ganz klar, dass ich jemanden spiele. Wie ich mich wirklich fühle und was ich denke, geht keinen was an – darum geht's ja auch gar nicht. Privat in der Öffentlichkeit zu sprechen, finde ich genauso unangenehm wie alle anderen Menschen auch. Aber in dem Moment, wenn ich im Theater oder beim Film eine Rolle spiele, ist das was anderes. Da bin ich geschützt. Da bin das gar nicht ich.

Ein bisschen von Ihnen steckt aber doch zwangsweise in jeder Figur drin, die Sie spielen.

Haberlandt: Absolut. Ich finde es toll, wenn es heißt, irgendeine Rolle sei typisch für mich. Ich spiele so unterschiedliche Rollen – schön, wenn ich sie so hinkriege, dass sie in ihrer Verschiedenartigkeit doch immer auch ein Stück von mir haben. Diese Authentizität ist mir wichtig.

Welche Art von Figur interessiert Sie?

Haberlandt: Mich interessiert vor allem das Gesamtpaket: Gefällt mir das Drehbuch oder Theaterstück? Ist das eine Geschichte, von der ich ein Teil sein möchte? Welcher Regisseur ist dabei, welche Kollegen? Die Figur sollte sich entwickeln, sollte vielleicht Dinge tun, die ich nicht erwarten würde, oder die man nicht so gut findet. Sie kann auch widersprüchlich sein.

Ich denke an drei „Tatorte“, in denen Sie gespielt haben: „Summ, Summ, Summ“ aus Münster, „Wie einst Lilly“ mit Ulrich Tukur und zuletzt „Der treue Roy“ aus Weimar. Das sind ungewöhnliche, vielleicht auch schräge Geschichten. Mögen Sie so was besonders gerne?

Haberlandt: Ich mag das natürlich besonders gern. Aber wo Sie das jetzt sagen: Wahrscheinlich ist es so, dass ich da irgendwie ganz gut reinpasse.

Ich glaube, in etwas ganz Normales, Einfaches, passe ich gar nicht. Ich bin – der Gedanke kommt mir jetzt selbst so – wahrscheinlich vom Typ doch eher etwas schräg, so dass schräge Projekte dann auch zu mir kommen. Ich guck' selbst auch lieber gewagte Sachen, die etwas neben der Norm liegen.

Machen Sie derzeit mehr Theater als Film und Fernsehen?

Haberlandt: Ich hatte sogar eine Theaterpause eingelegt. Da habe ich gedreht und viele Lesungen gemacht. Jetzt hält sich das so die Waage. Zuletzt habe ich relativ viel am Staatstheater Stuttgart gespielt, weil ich mit den Leuten da gerne zusammenarbeite – aber eine Vorliebe gibt es im Moment nicht. Es hängt von den Projekten ab.

Die Arbeit auf der Bühne unterscheidet sich schon von der Filmarbeit, oder?

Haberlandt: Das erfordert schon zwei Spielweisen. Ich finde es total interessant, auf der Bühne nach Übersetzungen für Gedanken und Gefühle zu suchen. Oder nach einer bestimmten Sprache. Auf der Bühne kann man mit Sprache anders umgehen, offensiver. Das finde ich spannend. Das ist anders als beim Film, wo man so natürlich wie möglich, so unauffällig wie möglich spielt – am besten so, dass man es gar nicht merkt, dass man spielt.

Es sind zwei komplett unterschiedliche Kunstformen. Beides zu machen ist natürlich super.

Sind Lesungen für einen Schauspieler eher weniger spannend?

Haberlandt: Ja, das denken viele. Aber man muss für jeden Text einen eigenen Ton finden und mit den Worten, die man zur Verfügung hat, eine Welt erschaffen. Ich muss versuchen, die Menschen, die diesen Text noch nicht kennen, in diese Welt mit hineinzuziehen, einen Sog zu entwickeln. Das ist anstrengend und eine große Herausforderung. Ich nehme das überhaupt nicht leicht. Es ist echte Arbeit – eine schöne natürlich.

Stimmt ja: Eigentlich müsste es beinahe schwieriger sein als Theater. Weil bei einer Lesung kein Bühnenbild da ist, weil Sie nur mit Ihrer Stimme und vielleicht Ihrer Mimik arbeiten können . . .

Haberlandt: Otto Sander zum Beispiel war so ein Leser. Dem hing man an den Lippen, egal, was er vorgelesen hat. Aber so schätze ich mich eben nicht ein. Ich muss schon noch was dazutun, damit das auch wirkt. Es ist nicht so, wie sich das die Leute oft vorstellen, dass man eine Lesung so nebenbei erledigt.

Fritzi Haberlandt und ihr Auftritt beim Mozartfest

Geboren wurde Fritzi Haberlandt am 6. Juni 1975 als Tochter eines Rundfunktechnikers und einer Angestellten beim DDR-Kulturbund in (Ost-)Berlin. 1991 zog die Familie nach Norderstedt bei Hamburg. Haberlandt studierte von 1995 bis 1999 an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin.

Schon während des Studiums arbeitete Fritzi Haberlandt mit Regisseur Robert Wilson am Berliner Ensemble und in New York. Engagements führten sie unter anderem ans Thalia Theater Hamburg und ans Burgtheater Wien. 2003 erhielt sie den Alfred-Kerr-Darstellerpreis.

Präsent ist Haberlandt schon seit Beginn ihrer Schauspielkarriere auch in Kino und Fernsehen. Im Jahr 2000 wurde sie mit dem Bayerischen Filmpreis als „Beste Nachwuchsdarstellerin“ für Rainer Kaufmanns „Kalt ist der Abendhauch“ nach einem Krimi von Ingrid Noll ausgezeichnet. Im Fernsehen war sie unter anderem in diversen „Tatort“- und „Polizeiruf 110“-Folgen zu sehen. 2012 wurde ihr der Ernst-Lubitsch-Preis für den Film „Eine Insel namens Udo“ zugesprochen.

Beim Würzburger Mozartfest liest Fritzi Haberlandt am 11. Juni im Kloster Bronnbach aus dem fiktiven Tagebuch der Constanze Mozart. Vorverkauf Tel. (09 31) 37 23 36.

 
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