Man möchte sich einspinnen, von der Welt ganz auf das eigene Selbst zurückziehen – und auch dieses Ego nach Möglichkeit vergessen, leer werden. Geht nicht!, lehrt uns die Kunst bis 3. August im Sudhaus auf dem Bürgerbräu mit der Ausstellung von Georgia Templiner und Walter Bausenwein, "Kokon".
Knapp 60 Werke aus den letzten zwölf Jahren beschäftigen sich mit einem einzigen Thema, das im Falle Bausenwein zugleich auch noch das Material ist. Der Textilkünstler montiert das elliptische Raupengespinst zu Bildtafeln und Skulpturen. Bausenweins Arbeiten sind reinweiß, schwarz oder leuchtend gefärbt, wobei sein Blau an das von Yves Klein erinnert. Als Bilder sind sie äußerst abstrakt, man kann versuchen, sich an ihnen sattzusehen.
Zugleich sind Seidenkokons aber zweierlei: Relikte der natürlichen Verwandlung von Seidenspinner-Schmetterlingen einerseits und andererseits Rohstoff einer jahrtausendealten Menschentechnik. Der Blick des Betrachters wandert im wörtlichen Sinn auf der Seidenstraße der Assoziationen. Zum Cocooning, zum Rückzug ins ganz Private, kommt es nicht.
Georgia Templiner fertigt künstliche Hüllen an, meist etwas länglicher dimensioniert als der Bausenweinsche Rohstoff, und immer sofort als menschengemacht zu erkennen, wenn die Kleinplastiken auch auf eine rätselhafte Weise ins Unpersönliche überspringen können: Man sieht zwar die Handschrift der modellierenden Künstlerin, aber diese subjektiven Spuren könnten auch Wirkungen von objektiven Naturprozessen sein.
Früher malte Templiner menschliche Figuren, die in Stoffstreifen bandagiert und in ihren Bewegungen eingefroren zu sein schienen. Aus dieser Schaffensphase zeigt die Ausstellung einige Werke und gibt so Einblick in das Innere oder in die vorige Metamorphosen-Periode der Exponate. Oder in ihren Sinn, der alles andere als gemütliches Cocooning ist.
Die Schau "Kokon" ist eine weitere Zwischennutzung des Sudhauses, für das sich immer noch kein wagemutiger Gastronom gefunden hat; denn langfristig soll hier ein gehobenes Restaurant etabliert werden, also ein riskantes Geschäft. Bei der hervorragend besuchten Vernissage hörte man im kunstsinnigen Gästegeplauder mehrfach hohes Lob der Räumlichkeit. Auch die Forderung nach endgültiger Widmung an die Bildende Kunst wurde laut.
Dann müsste in eine Beleuchtungsanlage investiert werden. Ohne diese lernt der "Kokon"-Besucher etwas über Museumstechnik. Er sieht eine Ausstellung ohne Lampen. Zwei monochrom schwarze Bausenwein-Tafelbilder in einer tiefen Betonnische profitieren von dieser puren Präsentation: Man sieht sie nicht. Nun ja: fast nicht. Ein äußerst seltenes Galerieerlebnis donnerstags 18 bis 20, Samstags 13 bis 16 und sonntags 15 bis 18 Uhr.