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Filmwochenende Würzburg: Kurioses vom Festival
Würzburger Filmwochenende: Ein abgetakelter Popstar sperrt sich im Zimmer ein, ein Oscarpreisträger streitet mit dem Vorführer, ein anderer will ein anderes Hotel – Kurioses und Anekdoten aus 40 Festivaljahren.
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:09 Uhr

Wir sind jetzt in Frankfurt und nehmen uns ein Taxi.“ Der Anruf kam am Samstagnachmittag, und damit gerechnet hatte keiner mehr bei der Würzburger Filminitiative. Schließlich war Shane MacGowan nicht einmal zur Weltpremiere der Dokumentation über ihn in London erschienen. Weitere Vorführungen hatte der irische Sänger auch verpasst. Warum also sollte die ehemalige Stimme der berühmten Folkpunk-Gruppe The Pogues ausgerechnet zu dem kleinen Festival nach Würzburg kommen, wo die Dokumentation 2003 gezeigt wurde?

Als Sarah Share, die Regisseurin des Streifens, die in Würzburg weilte, mitbekam, dass ihr Hauptdarsteller überraschend auftauchen würde, klapperte sie sofort einige Kneipen in der Innenstadt ab und kaufte deren Gin-Vorräte auf. So erzählte es Hannes Tietze jedenfalls einmal. Er ist seit 2004 Chef der Filminitiative, die in diesem Jahr das Internationale Filmwochenende zum 40. Mal in der Domstadt ausrichtet, zuvor war er lange Jahre Mitglied, und als er in seinen Festival-Erinnerungen kramte, konnte man ihm schon anmerken, dass er auf eine kleine Gratwanderung ging: Die Grenze zwischen netter Anekdote und unfeinem Verpetzen ist schmal. „Es war wirklich ein Wunder, dass MacGowan noch kam“, sagte Tietze. Zwar in ziemlich derangiertem Zustand – aber immerhin, sein Manager, der angerufen hatte, war auch dabei. Pünktlich zum Schluss der Doku „If I should fall from Grace“ erschien MacGowan. In einer Hand ein Weizenbier, in der anderen Schnaps. Aber der Ire nahm nicht nur Flüssiges zu sich: „Er warf sich immer wieder Pillen aus zwei Glasröhrchen ein.“

Am Sonntag sollte MacGowan dann zurückfliegen auf die Insel. Er schaffte es nicht. Das erfuhren Tietze und Co. aber erst Tage später, als das Hotel anrief und meinte, es beherberge noch immer „einen Gast von Euch. Der hat sich ins Zimmer eingesperrt.“ Zu Hause besitzt der mittlerweile 56-jährige MacGowan angeblich kein Zuhause – in Irland gilt er als Nationalheld, lebt angeblich in Hotels. Ein Mitarbeiter der Filminitiative fuhr ihn und den Manager schließlich zum Flughafen.

Es gibt offenbar nicht so viele Anekdoten, Pannen oder Überraschungen in 40 Jahren Festival, die sich den Mitarbeitern der Filminitiative derart ins Hirn tätowiert haben wie MacGowans Besuch. Vielleicht noch der Besuch eines italienischen Psychoanalytikers 1999, der sein eigenes Stimmvieh mitbrachte, um für seinen Erstlingsfilm den Publikumspreis abzustauben. „Das hatte echt sektenmäßige Züge“, meinte Tietze. Massimo Fagioli hatte 2004 nicht nur seinen Film „Il cielo della luna“ dabei, sondern im Schlepptau Hunderte Landsleute, die für ihn stimmten. Den Publikumspreis bekam er trotzdem nicht: Die Filminitiative nahm den Streifen aus der Wertung und bot dem Italiener eine (undotierte) Sonderauszeichnung an.

Die unterfränkischen Cineasten begrüßten aber nicht nur skurrile Gäste – auch richtige Promis schneiten vorbei. Gleich beim zweiten Filmwochenende, 1975, kam Werner Herzog, der damals ein bedeutender Vertreter des Neuen Deutschen Films war und schon „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1972) mit Klaus Kinski gedreht hatte. Im Jahr darauf stellte Herzogs Kollege Wim Wenders, der später zweimal für den Dokumentarfilm-Oscar nominiert wurde („Buena Vista Social Club“ 1999, „Pina“ 2011), sein Roadmovie „Im Lauf der Zeit“ in Würzburg vor. Berühmte Regisseure waren häufiger Festivalgäste. 1983 etwa der 2010 gestorbene Franzose Éric Rohmer, dem nachgesagt wird, nur äußerst selten auf Festivals gegangen zu sein. Für Würzburg soll er eine Ausnahme gemacht haben, weil er mal einen Film in der Domstadt gedreht haben soll – angeblich sogar mit Statisten von der Filminitiative.

Bei der zehnten Auflage des Festivals war ein ganz Großer zu Gast: Bernardo Bertolucci. Der Italiener hatte elf Jahre zuvor im kassenträchtigen Skandalwerk „Der letzte Tango in Paris“ Marlon Brando und Maria Schneider heftigst kopulieren lassen. Seine zwei Oscars erhielt Bertolucci fünf Jahre nach seiner Würzburg-Visite für „Der letzte Kaiser“ als Regisseur und Drehbuchmitautor. In Würzburg soll Bertolucci als Erstes ein anderes Hotel gesucht haben, weil ihm das von den Cineasten angebotene Hotelzimmer als zu mickrig erschien.

1986 kam Stephen Frears, der mit „Mein wunderbarer Waschsalon“ gerade seinen ersten Hit hatte und zwei Jahre später richtig berühmt wurde durch „Gefährliche Liebschaften“ mit John Malkovich, Glenn Close und Michelle Pfeiffer. Unter Frears Regie gewann Helen Mirren 2007 ihren Oscar als „Die Queen“. Frears soll die Würzburger Kneipenszene recht intensiv studiert haben. Mehrere Oscar-Gewinner statteten dem Filmfest Besuche ab. 1992 etwa Michael Haneke, der 20 Jahre später den wichtigsten Filmpreis der Welt in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ für „Liebe“ bekam.

Bruce Beresford und das Breitwandformat

Oder Bruce Beresford, der 1997 zu Gast war. Der Regisseur von „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ (1990 Oscar als bester Film) sprang kurz nach Beginn seines Werks im Würzburger Kinosaal auf und stürmte zum Filmvorführer. Der zeigte den Film im europäischen Breitwandformat. Das kannte Beresford nicht, er kannte nur das amerikanische. „Die Unterschiede“, meinte Tietze, der in Ochsenfurt das Kino „Casablanca“ betreibt, „sind für einen normalen Zuschauer nicht zu erkennen.“ In der zweiten Vorführung bekam Beresford seinen Willen.

Der vielleicht größte Star in 40 Jahren Filmfest stammt sogar aus der Region: Michael Ballhaus, Sohn von Oskar Ballhaus und Lena Hutter, der Mitbegründerin und bis zu ihrem Tod 2003 Prinzipalin des Fränkischen Theaters Schloss Maßbach. Der Kameramann – sozusagen das Auge von Martin Scorsese und anderen Hollywoodregisseuren – erwies sich laut Mitgliedern der Filminitiative 1994 in Würzburg als Vollprofi, der keinem Gespräch aus dem Weg gegangen sein soll. Weshalb der zweite Stargast des Festivals damals fast ein wenig unterging: der ungarische Starregisseur István Szabó („Mephisto“, „Oberst Redl“).

Seit dem Besuch der deutschen Schauspielerin Hannelore Elsner vor zehn Jahren warten die Filmfreunde in Unterfranken auf einen wirklichen Promi. Die Durststrecke ein wenig unterbrochen hat vielleicht noch Crispin Glover, der in Oliver Stones „The Doors“ spielte und den verhuschten Vater von Michael J. Fox im Kassenknüller „Zurück in die Zukunft“. Er stellte in Würzburg 2009 zwei ziemlich durchgeknallte eigene Werke mit Bühnenshow vor.

Beim Jubiläumsfest sind Filme aus dem Baltikum und Skandinavien ein Programmschwerpunkt.

Das Jubiläumsfestival

Das 40. Internationale Filmwochenende Würzburg findet von Mittwoch, 29. Januar, bis Sonntag, 2. Februar, statt. Einziger Spielort ist das Central Programmkino (Eingang Hofstraße). Der Erwerb von Einzelkarten sowie eine telefonische Kartenreservierung sind ab dem heutigen Mittwochnachmittag möglich. Telefonische Kartenreservierung während des Festivals unter Tel. (09 31) 78 02 38 88. Eröffnet wird das Jubiläumsfestival heute offiziell um 20 Uhr (Sektempfang ab 19 Uhr) mit dem norwegischen Streifen „Jag etter vind“ („Chasing the wind“) von Rune Denstad Langlo (Original mit deutschen Untertiteln). Internet: www.filmwochenende.de

 
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