Die FSK steht seit ihrer Gründung im Spannungsfeld zwischen Jugendschutz und Kunstanspruch, moralisch-ethischen Vorbehalten und wirtschaftlichen Erwägungen. Und sie steht unter der Verpflichtung des Grundgesetzes, dass eine Zensur nicht stattfindet. Die FSK löste die alliierte Militärzensur ab, die von 1945 bis '49 bestand. Als rein privatwirtschaftliche Einrichtung sollte sie sich deutlich von der drakonischen Staatszensur der Nazis unterscheiden. Drum sieht sie auch ein Widerspruchsverfahren vor: Gegen die Entscheidung des ersten Gremiums, des „Arbeitsausschusses“, kann Berufung eingelegt werden, über die der Hauptausschuss entscheidet.
Es gibt sogar noch eine dritte Instanz, die dann das Freigabealter festlegt: ohne Altersbeschränkung, ab sechs, zwölf, 16 oder 18 Jahren. Dieses Appellationsverfahren findet häufig statt. Der Film „Keinohrhasen“ von und mit Til Schweiger vor anderthalb Jahren war so ein Fall: Der Arbeitsausschuss hatte der Komödie das Kennzeichen „freigegeben ab 6 Jahren“ erteilt. Die Einstufung führte zu erheblichen Protesten, auch von Verbänden wie dem Kinderschutzbund. Es waren weniger die erotischen Szenen, an denen Anstoß genommen wurde, sondern die Sprache: Viele empfanden sie als zu vulgär – zumindest für Sechsjährige. Im Widerspruchsverfahren setzte die FSK dann die Einstufung auf zwölf Jahre herauf. Da hatten allerdings schon vier Millionen Menschen den Film gesehen.
Die FSK entscheidet mit ihrer Prüfung über den potenziellen Umsatz eines Filmes mit. Einen auch für Kinder geplanten Film erst ab zwölf Jahren freizugeben, kann für den Verleih verheerende Folgen haben.
Seit rund zwei Jahrzehnten geben die Kontrolleure nicht mehr vor, welche Szenen entfernt werden müssen, sondern formulieren ein allgemeines Gutachten. Der Antragsteller kann dann eine „entschärfte“ Fassung vorlegen. Das Kontrollgremium legt auch fest, ob der Film an „stillen“ Feiertagen wie zum Beispiel Karfreitag gezeigt werden darf. Die Jesus-Satire „Das Leben des Brian“ etwa war dafür bei ihrem Start im Jahr 1980 nicht freigegeben.
Mit dem Verfahren um „Keinohrhasen“ ist eines der beiden großen Felder der FSK genannt: Sex. Das zweite: Gewalt. Bei beiden verschieben sich die Maßstäbe in der Gesellschaft beständig, die rund 200 ehrenamtlichen Prüfer müssen ihr Ohr am Puls der Zeit haben. In den Gremien sitzen Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, etwa aus Kirchen, öffentlicher Hand und Filmwirtschaft, sowie Jugendschutzsachverständige.
Beim Sex wurde die FSK in den vergangenen Jahrzehnten immer liberaler. Ein aus heutiger Sicht harmloser Film wie „Die Reifeprüfung“ wurde bei seinem deutschen Start im Jahre 1968 erst ab 16 Jahren zugelassen, bei einer Neuprüfung stuften ihn die Kontrolleure im Jahr 1990 „frei ab zwölf“ ein. Bei Gewaltdarstellungen ergibt sich ein komplexeres Bild. Filme, die ausdrücklich Gewalt thematisieren, erhalten oft eine Freigabe erst ab 18 – auch wenn eine künstlerische Herangehensweise erkennbar ist, wie zum Beispiel bei Oliver Stones „Natural Born Killers“. In Frankreich oder den Niederlanden durfte der Film schon ab 16 gesehen werden. Toleranter sind die Prüfer bei Werken, die Gewaltdarstellungen in aufwendige Fantasy-Epen kleiden. Die „Herr der Ringe“-Trilogie war ab zwölf freigegeben, einige Harry-Potter-Filme sogar ab sechs. Die Freigabe ab zwölf sieht mit der sogenannten Parental-Guidance-Regelung vor, dass auch Kinder ab sechs Jahren in Begleitung ihrer Eltern oder anderer Sorgeberechtigter sie sehen dürfen. Das führte immer wieder zu Einsprüchen. Umstritten sind auch die starren Altersregeln: Pädagogen fordern, die bisherige Alterseinstufung durch ein differenzierteres System zu ersetzen. So könnte ein Film etwa ab zehn Jahren freigegeben werden.
„Die Frage, ob die FSK-Einstufungen noch zeitgemäß sind, wird seit langem diskutiert“, sagt Christiane von Wahlert, Geschäftsführerin der FSK. „Sicher gibt es auch gute Argumente für andere Einstufungen. Nicht zu unterschätzen sind allerdings auch der Bekanntheitsgrad und die Akzeptanz der bestehenden Altersstufen, die so auch im Jugendschutzgesetz verankert sind. Ein solcher Konsens lässt sich so leicht nicht wieder herstellen.“ Vor vier Jahren konnte die FSK ihre 100 000. Prüfung feiern, mit dem Kinofilm „Sophie Scholl“. Skandale gab es nur wenige. Und die Zeiten, in denen die FSK ein Meisterwerk wie Roberto Rossellinis „Rom – offene Stadt“ bannte, weil es der deutsch-italienischen Freundschaft schade, sind vorbei. Das war 1950.