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CANNES
Filmfestival Cannes richtet bei Preisvergabe die Scheinwerfer auf aktuelle Krisen
Bühne frei für den Sieger: Der türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan bei seiner Dankesrede.
Foto: Alberto Pizzoli, AFP | Bühne frei für den Sieger: Der türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan bei seiner Dankesrede.
reda
 |  aktualisiert: 25.05.2014 13:19 Uhr

Seinen großen Moment nutzt der türkische Gewinner für ein politisches Statement. „Ich widme diesen Preis den türkischen Jugendlichen, die im vergangenen Jahr ihr Leben verloren haben“, sagt Regisseur Nuri Bilge Ceylan gerührt. Konkreter wird er nicht, doch die Gäste der bis emotionalen Gala halten den Atem an – ein Seitenhieb auf die Politik des umstrittenen türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan? Immerhin hat Ceylan beim Filmfest Cannes gerade den Hauptpreis, die Goldene Palme, für sein gesellschaftskritisches Werk „Winter Sleep“ gewonnen. Darin prangert er die Handlungsunfähigkeit der Intellektuellen an. Mit drei Stunden und 16 Minuten war das Mammut-Werk von Ceylan, der in Cannes für früheren Werke schon mehrere Preise – aber nicht die Palme – gewann, eine ziemliche Herausforderung, begeisterte aber auch mit präziser Analyse seiner Charaktere.

Im ländlichen Kappadokien, in einer atemberaubenden Fels- und Höhlenkulisse, kreisen ein ehemaliger Theaterschauspieler und dessen kleine Familie um sich selbst. Sie philosophieren viel, über gute Taten und das moralisch richtige Verhalten. Doch mehr als Reden ist nicht drin, im Alltag versagen sie schon bei kleinsten Gesten der Hilfsbereitschaft. Kritische Beiträge wie dieser hatten den insgesamt sehr soliden Wettbewerb dominiert. Viele andere Filme richteten den Scheinwerfer auf aktuelle Missstände und Krisen wie Arbeitslosigkeit in Europa oder islamistische Rebellen in Afrika an.

Da passt es, dass der zweitwichtigste Preis, der Große Preis der Jury, ebenfalls an ein solches Werk ging: „Le meraviglie“ über eine in einfachsten Verhältnissen auf dem Land lebende Familie. Regie führte die Italienerin Alice Rohrwacher – eine von nur zwei Frauen im Wettebwerb. Nicht nur sie kämpfte auf der Bühne mit den Tränen. Timothy Spall (bekannt als dicklicher Zauberer Peter Pettigrew aus den Harry-Potter-Filmen) liefen sie sogar während seiner gesamten Dankesrede über die Wangen. Er wurde für seine grunzende Darstellung des britischen Malers „Mr. Turner“ im gleichnamigen Film von Mike Leigh ausgezeichnet; bei den Frauen ging der Preis an Hollywood-Star Julianne Moore für „Maps to the Stars“ von David Cronenberg.

Der erst 25-jährige Xavier Dolan begeisterte mit „Mommy“ und seiner mutigen, intensiv-kraftvollen Inszenierung einer Mutter-Sohn-Geschichte. Dafür gab es „nur“ den Preis der Jury. Eine der beiden großen Auszeichnungen für Dolan wäre ein deutlicheres Zeichen für junge Talente und Verjüngung gewesen. Immerhin verlässt sich das Festival seit Jahren vor allem auf seine männlichen Stammgäste, und die sind meist über 50. Dolan ließ sich seine Freude aber nicht nehmen. Unter Tränen dankte er der Juryvorsitzenden, der neuseeländischen Regisseurin Jane Campion. Ihr Oscar-prämierter Film „Das Piano“ habe ihn inspiriert und seine Karriere entscheidend beeinflusst.

Auch der Deutsche Wim Wenders wurde geehrt. Seine Dokumentation „The Salt of the Earth“ über den brasilianischen Fotografen Sebastiao Salgado gewann den Spezialpreis der Sektion Un Certain Regard.

 
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