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Fernsehserie 'Parks and Recreation": Eine komische Utopie
In Serie: In einer Reihe von Artikeln beschäftigen wir uns feuilletonistisch mit alten und neuen Fernsehserien. Heute: „Parks and Recreation“ oder Große Politik im Kleinformat.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 25.05.2015 11:51 Uhr

Pawnee ist eine ganz normale Stadt im Süden des US-Bundesstaates Indiana, in einer Gegend also, die nicht gerade als Sitz der kulturellen oder politischen Avantgarde gilt. Sehenswürdigkeiten gibt es auch keine, sieht man von einem Minipferd (kein Pony!) namens Li'l Sebastian ab, das sie da alle aus unerfindlichen Gründen abgöttisch verehren. Die städtischen Geschäfte regelt – theoretisch – ein Gremium aus fünf Stadträten, die ihre Zeit aber vor allem damit verbringen, gegeneinander zu intrigieren und sich zu bereichern. Einen Bürgermeister gibt es auch, aber der tritt nur einmal in Erscheinung (und auch dann nur in Person seiner Referentin), nachdem auf dem Golfplatz ein Opossum seinen Hund gebissen hat. Ach ja, und dann noch mal, ganz zum Schluss, ein kurzes, sehr schräges Gastspiel von Bill Murray.

Was in Pawnee passiert, bestimmt sowieso der größte Arbeitgeber, der Süßigkeiten-Hersteller Sweetums, dessen Besitzerfamilie als lokaler Adel fungiert. Und das Fernsehen: Zwei haarsträubend parteiische Talkshows geben sich allergrößte Mühe, es den großen Stationen in Sachen Demagogie gleichzutun. Die NBC-Serie „Parks and Recreation“ ist 2009 als kuschelige Provinzsatire gestartet und hat sich in 125 Folgen und sieben Staffeln zum Standardwerk nicht nur über die US-amerikanische (Lokal-)Politik gemausert. „Parks and Recreation“ parodiert linken Aktionismus ebenso wie rechtes Beharrungsvermögen, übereifrige Bevormundung ebenso wie gnadenlosen Wirtschaftsliberalismus. In den USA ist die Serie, die in Deutschland derzeit auf TNT Serie läuft, im Februar unter nationaler Anteilnahme zu Ende gegangen.

Der Titel „Parks and Recreation“ steht für das Grünflächenamt von Pawnee. Das Amt ist für alles zuständig, was mit Unterhaltung zu tun hat. Im Wesentlichen geht es um kaputte Schaukeln, bissige Opossums und Auftritte von Li'l Sebastian.

Leslie Knope, deren Nachname auszusprechen ist wie „nope“, was so viel heißt wie „nix da“, ist die hyperaktive stellvertretende Leiterin des Amts. Sie ist Feministin und Demokratin, ihr Büro zieren die Porträts ihrer Idole seit Kindheitstagen: Eleanor Roosevelt, Madeleine Albright, Hillary Clinton. Leslie Knope hat bereits im Kindergarten beschlossen, Gouverneurin zu werden. Sie macht immer große Politik, auch wenn es nur darum geht, eine Schaukel zu reparieren.

Es gibt immer einen fiesen Sack

Und bekommt dabei jedes Mal zu spüren, dass es praktisch unmöglich ist, ein eingespieltes System zu verändern. Auch und gerade nicht mit Verbesserungen für alle. Denn es gibt immer irgendeinen reichen, mächtigen oder auch nur fiesen alten Sack, der alte Pfründe bedroht sieht, immer eine Interessengruppe, die ein Wörtchen mitzureden hat. Das System funktioniert als einigermaßen stabiles Mobile der verschiedensten Egoismen und Obsessionen, von der ultrarechten Liga zur Bewahrung der Familie bis hin zu den militanten Verfechtern von Frauen- und Männerrechten. Für den nervigen Idealismus einer Leslie Knope ist da schlicht kein Platz.

Amy Poehler, neben Tina Fey der zweite weibliche Superstar des linken Amerika, ist die ideale Verkörperung der grundsätzlich liebenswerten, aber sehr anstrengenden Leslie: rastlos, laut, (beinahe) unverwüstlich und dabei vollkommen selbstlos. Ihr Vorgesetzter, Widerpart und schließlich bester Freund ist Amtsleiter Ron Swanson, ein eiserner Libertarist, der den Staat an sich für die Ursache allen Übels hält.

Er arbeitet nur deshalb im öffentlichen Dienst, um dessen Arbeit – also das Eingreifen in die unverbrüchliche Freiheit des Bürgers – so gut wie möglich zu behindern. Das Netz ist längst voller Ron-Swanson-Zitate wie „Kreativität ist etwas für Leute mit Brillen, die gerne lügen“ oder „Weinen – nur akzeptabel auf Beerdigungen und am Grand Canyon“ oder „Kapitalismus – Gottes Methode festzulegen, wer schlau und wer arm ist“.

Es ist Nick Offermans Verdienst, diesem Ron Swanson einen so menschlichen Zug zu verleihen, dass der Zuschauer beinahe den Glauben an die Politik wiederfinden könnte. Denn „Parks and Recreation“ von Greg Daniels und Michael Schur („Saturday Night Live“, „Die Simpsons“, „Das Büro“) ist bei aller Satire dann doch eine optimistische und sehr komische Utopie, die allerdings als Dokumentation daherkommt, gefilmt mit nur einer Kamera und direkten Statements der Akteure in diese Kamera – eine Technik die deutschen Zuschauern aus „Stromberg“ bekannt sein dürfte, der Fachbegriff dafür ist Mockumentary.

Durchgeknallt sind sie alle im Grünflächenamt. Der quirlige Tom Haverford (Aziz Ansari), der mit einer genialen Geschäftsidee nach der anderen baden geht. Der infantile Andy, dessen unersättlichem Spieltrieb eine tiefe, wenn auch absurde Weisheit innewohnt. Chris Pratt, der begnadete Komiker, der den Andy spielt, ist inzwischen als Science-Fiction-Action-Held („Guardians of the Galaxy“) eine ganz große Nummer in Hollywood.

Michelle Obama als sie selbst

Die vielleicht genialste Figur ist April Ludgate, gespielt von Aubrey Plaza, die den Part vor allem deshalb bekam, weil sie beim Casting nichts sagte und alle Anwesenden durch grusliges Starren in höchstes Unbehagen stürzte. Diese April also startet als Null-Bock-Praktikantin mit eigentümlicher Ausstrahlung und morbider Fantasie und entwickelt sich – wenn auch widerwillig – zur Stütze des Teams. Mehr Gastauftritte von Prominenz aus Politik und Entertainment gibt es vermutlich nur bei den Simpsons: Zu Gast sind (als sie selbst) Michelle Obama, Joe Biden, Madeleine Albright, John McCain, Newt Gingrich und ein Haufen echter Senatorinnen und Senatoren. Neben so ziemlich jeder berühmten Nase aus „Saturday Night Live“ (inklusive Bill Murray als Bürgermeister) tauchen jede Menge weiterer Stars auf – Jon Hamm etwa, ebenso elegant wie in „Mad Men“, aber unendlich viel dämlicher, Will Arnett als durchgeknallter Radiologe oder Justin Theroux als einfach zu perfekter Freund. Und Werner Herzog mit extrem deutschem Akzent als unheimlicher Vermieter eines Geisterhauses.

Jeder dieser Gastauftritte ist mit einer Anspielung auf die Wirklichkeit in die Handlung eingebettet. So seufzt Leslie Knope einmal, wie sehr sie doch hoffe, dass es Jennifer Aniston gut gehe. Die kollektive Sorge um Anistons Liebesleben ist seit deren Trennung von Brad Pitt einer der Lieblingszeitvertreibe der US-Öffentlichkeit.

Nun, es scheint ihr gut zu gehen, seit 2012 ist sie mit eben jenem Justin Theroux zusammen.

Lesen Sie in der nächsten Folge: „Girls“ oder Die Fortsetzung von „Friends“ mit anderen Mitteln.

 
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