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WÜRZBURG
Falcos Sehnsucht nach dem Sterben
Falco - Das Musical im CCW
Foto: Johannes Kiefer | Falco - Das Musical im CCW
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:26 Uhr

„Ich habe niemandem Schaden zugefügt, außer mir. Und das wird Gott mir verzeihen.“ Es sind Falcos letzte Worte in einem Musical, das sich vor allem die dunklen Stunden des Musikgenies vornimmt. Danach: „Out of the Dark“ – das düsterste Werk des 1998 bei einem mysteriösen Autounfall in der Dominikanischen Republik verstorbenen Wieners. „Muss ich denn sterben, um zu leben?“ – eine einzige Testzeile steht für ein ganzes Leben voller Zerrissenheit, Sehnsüchte und Selbstzweifel. An dessen Ende nur ein früher Tod stehen kann.

Fotoserie

Ein Ende, das im Würzburger Congress Centrum schon am Anfang steht. Zum Foto einer zersplitterten Frontscheibe packt Falcos Manager, herrlich zynisch gespielt von Fritz Barth, das Leben seines Schützlings in Worte: Alkohol, Drogen, falsche Freunde. Und als Antwort auf seine Frage „wer war dieser Hans Hölzel, der sich selbst Falco nannte?“ gibt's „The Sound of Music“. Während Elvis, Janis Joplin, David Bowie und die Beatles über die Bühne tanzen wird klar: Falco lebt für die Musik, die Musik bestimmt sein Leben – und sie nimmt es ihm letztlich auch.

Leider kein schnoddriges Wienern

Alexander Kerbst schenkt seinem Falco die markanten theatralischen Gesten, das typische Stakkato im Gesang, tut sich aber schwer mit dem Schmäh – er ist halt Deutscher. Dass das schnoddrige Wienern auf der Strecke bleibt, ist schade: Denn Falco – das Musical, das nach dem Riesenerfolg 2017 noch einmal auf ausgedehnte Tour geht, ist mehr Theater denn Hit-Potpourri. Kerbst singt Klassiker wie Rares, seine Rolle fordert aber deutlich mehr den Schauspieler. Glaubhaft versinkt er in Suff und Selbstmitleid, in Wahnvorstellungen von der unerfüllten Liebe zu Jeanny und in unliebsame Debatten mit seinem Manager. 

Der entdeckt den jungen Bassisten und Sänger auf einem Konzert mit seiner Band „Drahdiwaberl“ und schon stürmt Falco mir dem „Kommissar“ die Charts. Der Manager („wenn du ein Star sein willst, musst du alles geben, alles“) warnt genauso wie Jeannys Spiegelbild („auf jedem Schritt nach oben musst du ein Stück von dir zurücklassen“). Die 1981 rasant durchstartende Karriere erreicht ihren Höhepunkt schon fünf Jahre später: „Rock me Amadeus“ – Falco ist bis heute der einzige Künstler, der mit einem deutschsprachigen Song die US-Charts anführt. Und was macht er? Er sehnt sich nach einem Tod wie dem von James Dean – und sagt: „Von jetzt an geht's bergab.“ In der Hölle tanzen daraufhin, in unschuldigem Weiß, die reine Jeanny (Nike Tiecke) und, in schwarzem Leder, die Teufelin Ana Conda (Stefanie Kock) um Falcos Seele – zu „Dance Mephisto“, einer der vielen Nummern aus seinem Spätwerk, das wenig Massenwirkung hatte.

Stress durch häufig wechselnde Standorte

Das Wander-Musical kämpft natürlich mit den Tücken beinahe täglich wechselnder Standorte. Da tanzt im Hintergrund nicht die erste Garde des Genres. Auch bombastische Kulissen wie in festen Spielhäusern sind nicht drin. Zwei Treppen, gelegentlich ein Tisch, ein Paravent, ein Bordell darstellende Rotlicht-Wände oder schlicht Gitterstäbe als Gefängnis. Doch symbolisiert dieser, von auf die vor die Live-Band geschobene Wand projetzierten Videoanimationen unterstützte Minimalismus recht gut Falcos Dilemma: Nach den riesigen Erfolgen in den Achtzigern musste sein von genialen Ideen gestütztes Streben nach Perfektionismus zwangsläufig ins Leere laufen.

Nach einer Stunde von Alkohol- und Drogen-Exzessen begleiteten Aufstieg geht es nach der Pause noch ein bisschen länger bergab. „America“ – der Österreicher wird nie warm mit einem Land, dessen größte Qualität er in den rot-weiß-roten Streifen der Flagge erkennt. Er ist der „Egoist“, der ein Duett mit Madonna genauso ausschlägt wie den Rat, eine Entzugsklinik aufzusuchen. Falco sagt: „Ein großer Künstler ist der, an dessen Geisteszustand die Leute zweifeln“ – und nimmt mit „Junge Römer“ ein Album auf, dass vielleicht sein bestes ist, aber höchst erfolglos. Kerbst lässt Falco mit Hilfe einer Bauchrednerpuppe sein Leben reflektieren: „Die Momente, in dem ich aufhörte zu existieren und nur noch Musik war, waren die schönsten.“ Die Sehnsucht nach Frau und Heim bleibt für immer unbefriedigt. Die Skandalnummer „Jeanny“ muss als Ventil herhalten – wenn schon nicht lieben, dann töten.

Am Ende endlich Party

Das Ende kommt schnell: Falco und Manger entzweien sich, der Künstler schreibt mit Vierzig in der „Dom Rep“ noch ein paar so ungewöhnliche wie intelligente Songs („No time for Revolution“) und gewinnt die Erkenntnis: „Soll die neue Platte ein Hit werden, muss Falco sterben.“ Falco stirbt.
Nur wollen Kerbst, Barth und Co. die knapp tausend Falco-Fans an einem Sonntagabend nicht völlig frustriert nach Hause entlassen. Also gibt's nach Vorhang, Applaus, Vorhang noch drei Zugaben zum Tanzen und natürlich noch einmal den „Kommissar“. Nach gut zwei Stunden harter Kost endlich Partystimmung – Falco hätte es so gewollt.

 
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