Im vorigen Jahr wurde Friedrich Christian Delius mit dem bedeutenden Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Nun machte der Schriftsteller auf seiner Lesereise Station in Würzburg und stellte in der Reihe „Literarischer Frühling der Stadtbücherei Würzburg“ sein neuestes Werk („Als die Bücher noch geholfen haben“) vor. In seinen biografischen Skizzen legt der 1943 geborene Autor seine Sicht auf die 60er Jahre bis zum Mauerfall dar und stellt darin ein Denkmal auf für die Elite der Intellektuellen dieser Jahre.
Delius gehört zu ihnen, war jedoch nie ein lauter Intellektueller. Er habe, obwohl im Berlin der 68er Studentenbewegung lebend, zehnmal mehr Jean Paul und Fontane gelesen als Karl Marx, bekennt er. Schreiben ist seine Art der Opposition. Delius schreibt an gegen die Verengung und die verhärtete Sprache der 68er. Dass ausgerechnet er sich mit zwei langwierigen Prozessen mit dem Siemens-Konzern und dem Kaufhausmillionär und Steuerflüchtling Helmut Horten herumschlagen musste, kommt zur Sprache und gibt einen aufklärenden Rückblick auf Geist und Gesinnung der bundesrepublikanischen Befindlichkeiten.
Wenn der alterslos erscheinende Autor mit sparsamen Gesten erzählt, ist es ebenso spannend, wie wenn er vorliest. Mucksmäuschenstill lauschen seine Zuhörer. Ein Vorwort habe er nicht geschrieben, beginnt er, aber Vorsätze. Den Rückblick in die Kindheit als Sohn eines strengen westfälischen Pfarrers liest er langsam, deutlich. Stotternd und stumm sei er aufgewachsen, als Fußballfan und bastelnder Dichter, der in der Pubertät Glücksgefühle beim Schöpfen der eigenen Texte erlebte und dabei Lust am Widerspruch verspürte.
Im ersten Kapitel berichtet F. C. Delius von seinem Sprung von der Schulbank in das „literarische Zirkuszelt“. So frech wie Peter Handke („seine Publikumsbeschimpfungen waren der verrückteste Moment in der Literaturgeschichte der deutschen Nachkriegsliteratur“) war er nie. Aber er hatte den Mut der Jugend, als 21-jähriger Germanistikstudent in Schweden vor den Mitgliedern der „Gruppe 47“ zu sprechen, dann schnupperte er, mit gestärktem Selbstbewusstsein, in den literarischen Betrieb hinein – und wollte nie mehr heraus.
Freimütig berichtet Delius über seinen Zwist mit Klaus Wagenbach, die danach folgende Gründung des Rotbuchverlags, über „Mauerunterwanderungen“, den geheimen literarischen Grenzverkehr beim Schmuggeln von Manuskripten ostdeutscher Autoren und seiner Arbeit als freier Schriftsteller.